1 ...8 9 10 12 13 14 ...32 „Hast sonst noch was entdeckt?“, fragte Pit. „Irgendwelche Fasern oder Hautpartikel?“
„Nur eine Klette, die sich in ihrem Haar verfangen hatte. Vermutlich bringt uns das aber nicht weiter. Ich erinnere mich, dass ich diese Pflanzen meterhoch auf dem Fabrikgelände gesehen habe. Trotzdem lasse ich noch überprüfen, ob es sich um dieselbe Spezies handelt.“ Nachdenklich wechselte ihr Blick zwischen dem Kommissar und ihrer Schwester. „Noch etwas ist mir aufgefallen: Ihre letzte Mahlzeit war Pasta mit einer roten Basilikumsoße. Auch der Mageninhalt der anderen Opfer hat der Zusammensetzung nach aus einem Nudelgericht bestanden.“
„Denkst du an eine Henkersmahlzeit, Toni?“
„Vielleicht lädt der Killer sein nichtsahnendes Opfer zum Essen ein, bevor er es tötet?“
„Zum Italiener“, folgerte der Kommissar. Mit zwei Fingern strich er sich über seinen Schnurrbart. „Oder er kocht ein romantisches Dinner als Einleitung für ein grausames Finale.“
„Demnach haben wir es mit einem Mörder zu tun, der eine Vorliebe für Nudeln hat“, resümierte Franziska. „Das trifft aber auf Millionen Männer zu.“
„Da ist noch was“, sagte Antonia. „Was mich immer wieder wundert, ist die Tatsache, dass der Täter überhaupt keine Faserspuren hinterlässt. Da wir davon ausgehen, dass er seine Opfer mit dem Auto zum jeweiligen Fundort transportiert, wickelt er sie vorher wahrscheinlich in eine Kunststoffplane oder etwas Ähnliches. Sonst würden kleinste Partikel an der Haut oder der Körperbehaarung haften bleiben.“
„Wenn er so gerissen ist, übt er vielleicht auch die Taten schon auf einer Plastikfolie aus“, überlegte Pit. „Dadurch verhindert er eine direkte Berührung der Opfer mit dem Tatort. Hinterher muss er die Folie nur loswerden. Abgebrüht, wie er ist, stellt er sie umweltfreundlich in einem gelben Sack zur Abholung vor die Haustür.“
„Solche Spekulationen helfen uns leider auch nicht“, meinte die Franziska. „Es läuft wieder auf das gleiche Ermittlungsmuster hinaus: Wenn das Opfer identifiziert ist, müssen wir mit der Befragung seines Umfeldes beginnen. Dabei kommt wahrscheinlich auch diesmal nichts raus, das uns weiterbringen könnte. Dafür wird uns die Presse in Stücke reißen. Sollte durchsickern, dass das Opfer noch lebte, als es entdeckt wurde ...“ Fragend hob sie die Brauen. „Hast du eigentlich gar keinen Buchstaben gefunden, Toni?“
„Ein i “, erwiderte ihre Schwester und reichte ihr einen kleinen Plastikbeutel aus einer Nierenschale. „Ich musste lange danach suchen. Es befand sich im Enddarm.“
„Wie unangenehm“, brummte Pit erschaudernd. „Lässt dieser Fundort Rückschlüsse darauf zu, welche Zeitspanne das Opfer ungefähr in der Gewalt des Killers war? Wie lange braucht so ein Holzstück vom Moment des Verschluckens bis zum Erreichen der Verdauungsorgane?“
„Falsche Richtung“, erklärte Antonia kopfschüttelnd. „Der Buchstabe wurde rektal eingeführt.“
„Er hat ihn ihr in ...“, brachte er ungläubig hervor. „Sicher?“
Spöttisch verzog Antonia die Lippen.
„Fängst du schon wieder damit an?“
„Sorry“, entschuldigte er sich sofort. „Ich will gar nicht hören, woher du das so genau weißt. Wann können wir mit deinem Bericht rechnen?“
„Bevor ich ins Wochenende starte, hast du ihn auf deinem Schreibtisch.“
Da Antonia erst weit nach Mitternacht ins Bett gekommen war, schlief sie am Samstag länger als gewöhnlich. Die Uhr zeigte fast die zehnte Morgenstunde an, als Quincy beschloss, sie zu wecken. Der Hund sprang vom Fußende des Bettes auf den Teppich und blieb einen Moment unschlüssig stehen. Auf leisen Pfoten schlich er zur Tür, drehte sich wieder herum und kehrte zum Bett zurück. Mit seiner feuchten Nase stieß das Tier sein Frauchen am Arm an. Amüsiert blinzelte Antonia.
„Na, du alter Gauner. Du glaubst wohl, ich hätte nicht bemerkt, dass du es dir heimlich in meinem Bett bequem gemacht hast?“
Mit schiefgelegtem Kopf schaute Quincy sie treuherzig an.
„Ihr Männer seid doch alle gleich“, lachte sie und schwang die Beine aus dem Bett. Ausgiebig kraulte sie den Hund. „Nun ist es genug“, bestimmte sie nach einer Weile. „Wir haben heute noch viel zu tun.“
Tagsüber war Antonia mit der Vorbereitung der Einweihungsparty beschäftigt. Nach dem Einkaufen stellte sie Getränke kalt und platzierte die Holzkohle neben dem Grill auf der Terrasse. Später bereitete sie nur ihren allseits beliebten Kartoffelsalat zu, weil einige Freunde versprochen hatten, verschiedene Salate beizusteuern.
Beim Eintreffen des Kommissars herrschte auf der Party schon eine fröhliche Stimmung.
„Guten Abend, Sherlock Holmes“, begrüßte Antonia den Kommissar. „Schön, dass du da bist.“
„Hier ist ja schon ganz schön was los“, erwiderte er und reichte ihr ein Geschenk. „Eine Kleinigkeit zum Einzug.“
Gespannt wickelte sie es aus dem bunten Papier. Zum Vorschein kam ein Nudelholz.
„Wie originell! Nur schade, dass ich keinen Ehemann habe, bei dem ich es ausprobieren könnte.“
„Auch beim Kuchenbacken ist es hilfreich“, erklärte Pit vergnügt. „Als Hausbesitzerin musst du außerdem mit ungebetenen Gästen rechnen. Jeder Einbrecher wird panisch die Flucht ergreifen, wenn du das Nudelholz schwingst.“
„So ein Universalgeschenk ist eine feine Sache“, befand sie. „Danke, Pit.“ Ihr bittender Blick richtete sich auf ihre Schwester. „Führst du unseren Kommissar ein bisschen rum? Ich muss für den Getränkenachschub sorgen.“
Damit verschwand sie zwischen den Gästen.
„Du bist spät“, sagte Franziska, nachdem Pit sie auf die Wange geküsst hatte. „Warst du noch im Präsidium?“
„Ich bin noch mal sämtliche Ermittlungsakten durchgegangen“, bestätigte er. „Leider habe ich nichts gefunden, was wir übersehen haben könnten.“
Unterdessen blieb Leo an der offenen Terrassentür stehen und schaute in den Wohnraum, der wie der Garten von gut gelaunten Gästen bevölkert wurde. Er sah Antonia im Gespräch mit einigen Freunden. Sie trug ein leichtes trägerloses Sommerkleid, das ihre schlanke Figur reizvoll betonte. So weiblich gekleidet gefiel sie ihm ausgesprochen gut, wie er sich zögernd eingestand. Auch war unverkennbar, wie viel Sympathie die Gastgeberin genoss.
„... eigentlich schade, dass sie hier allein eingezogen ist“, fing Leo Gesprächsfetzen eines in der Nähe stehenden Paares auf. „Sie sollte endlich wieder Gefühle zulassen.“
„Wenn ihr der Richtige begegnet, wird sie hoffentlich auf ihr Herz hören“, lautete die Antwort. „Dann erübrigen sich auch ihre sporadischen Bettgeschichten.“
In diesem Moment entdeckte Antonias Freundin den an der Terrassentür lehnenden Mann, der eine dunkle Hose mit einem weißen Leinenhemd darüber trug. Er sah gut aus mit seinem gepflegten Vollbart und besaß eine enorme Ausstrahlung. Wie gebannt starrte Elke den Mann an. Allein diese braunen Augen!
„Sie müssen Tonis Gärtner sein“, sprach sie ihn lächelnd an. „Stimmt‘s?“
„Das kann ich nicht leugnen.“
„Ich bin Elke.“
„Leo Ulrich“, stellte er sich vor. „Sind Sie eine Kollegin von Antonia?“
„Statt an Leichen schnippele ich an Haaren“, verneinte sie. „Ich bin Shampoo-Psychologin.“
„Mein Handwerk ist ähnlich. In meinem Job schneidet man an Pflanzen aller Größen.“
„Antonia hat erzählt, dass Sie ihren Garten auf Vordermann gebracht haben. Das, was ich bis jetzt davon gesehen habe, gefällt mir gut. Aber auch das Häuschen ist einfach entzückend. So schön hatten wir es uns nicht vorgestellt.“
„Hätten Sie es vor der Renovierung gesehen, hätten Sie wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Es ist wirklich erstaunlich, was Antonia hier alles geleistet hat.“
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