Claudia Rimkus
Mondlicht auf kalter Haut
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Inhaltsverzeichnis
Titel Claudia Rimkus Mondlicht auf kalter Haut Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Impressum neobooks
In der Gerichtsmedizin war es still – totenstill.
Antonia Bredow war professionell genug, das Schicksal der Toten in ihrem Kühlschrank nicht zu nah an sich heranzulassen. Wenn es sich aber - wie bei ihrer letzten Autopsie - um ein ermordetes Kind handelte, konnte sie ihre Gefühle nicht ausschalten. Sie hoffte, das Bild des schwer misshandelten Mädchens bei der Renovierung ihres Hauses loszuwerden.
Antonia war schon fast an der Tür, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete. Zuerst wollte sie es ignorieren, doch dann siegte ihr Pflichtbewusstsein. Sie eilte zurück und griff zum Hörer.
„Bredow.“
„Gut, dass ich dich noch erwische.“ Das war ihre Schwester, die Staatsanwältin Franziska Pauli. „Ich weiß, du freust dich aufs Wochenende, aber wir brauchen dich.“
„Wofür?“
„Ein Leichenfund am Kanal.“
„Ein neues Opfer des Orchideenmörders?“
„Näheres weiß ich noch nicht, aber es sieht ganz danach aus. Kannst du selbst kommen, Toni?“
„Sicher“, stimmte sie notgedrungen zu. „Gib mir den genauen Fundort durch.“
Eine halbe Stunde später traf die hannoversche Gerichtsmedizinerin am Mittellandkanal ein. Das Gelände war bereits von der Polizei großräumig abgeriegelt. Antonia streifte sich einen dünnen weißen Overall und Handschuhe über, hob das rotweiße Trassierband etwas an und schlüpfte mit ihrer großen schwarzen Tasche darunter hindurch. Einige Beamte nickten ihr zu und sie erwiderte den Gruß auf die gleiche Weise.
„Hallo, Doc!“ Mit ernster Miene kam Kommissar Gerlach auf sie zu. „Tut mir Leid, dass wir dir das Wochenende versaut haben.“
„Schon gut“, winkte sie ab. „Wo liegt sie?“
Er zeigte auf die Uferböschung.
„Da unten.“
Die ebenfalls in weiße Schutzanzüge gekleideten Leute von der Spurensicherung waren damit beschäftigt, kleine nummerierte Schildchen in den Boden zu stecken, während der Polizeifotograf die Leiche und den Fundort aus verschiedenen Blickwinkeln fotografierte.
Fragend schaute Antonia ihn an.
„Wie weit sind Sie, Harald?“
„Sie können anfangen.“
„Okay.“ Sie stellte ihre Tasche ab und ging in die Hocke. Unverzüglich begann sie mit der ersten Leichenschau.
„Wie sieht es aus, Doc?“, fragte Kommissar Gerlach nach einer Weile. „Gibt es Anhaltspunkte über den Todeszeitpunkt?“
„Im Hinblick auf die Körpertemperatur schätzungsweise vor etwa zwölf bis achtzehn Stunden“, entgegnete Antonia, während sie sich erhob. „Der Fundort ist nicht der Tatort. Sie wurde misshandelt und erdrosselt, wahrscheinlich auch missbraucht. Näheres kann ich erst nach der Obduktion sagen.– Weiß man schon, wer sie ist?“
„Noch nicht. Wie bei den anderen Opfern haben wir keine Papiere gefunden.“
„Nackte Leichen haben selten einen Ausweis bei sich“, meinte sie, bevor sie die wartenden Männer mit der Zinkwanne heranwinkte.
„Wann kann ich mit deinem Bericht rechnen, Doc?“
„Wenn er fertig ist, Herr Kommissar. Ein bisschen Geduld musst du schon haben. Ich fahre gleich ins Institut zurück.“
Kurz nachdem Antonia sich umgezogen hatte, wurde die Leiche in den Autopsiesaal gerollt. Wie gewöhnlich überprüfte sie zuerst ihr Headset, das mit einem Aufnahmegerät verbundene Mikrofon, in das sie ihre Erkenntnisse noch während der Obduktion diktierte. Dabei erinnerte sie sich an ihre Verabredung zum Abendessen bei ihrem Nachbarn Leo. Aber das war jetzt nebensächlich - der Job ging vor.
Der neue Tag war vor wenigen Minuten angebrochen, als der Kommissar mit ihrer Schwester, der Staatsanwältin Franziska Pauli im Gerichtsmedizinischen Institut eintraf.
„Ihr könnt es wohl auch nicht erwarten“, begrüßte Antonia die beiden. Sie wusste, dass Franziska beim Anblick einer obduzierten Leiche regelmäßig übel wurde. Deshalb zog sie rasch ein Tuch über die Tote. Ihre Schwester kommentierte das mit einem dankbaren Blick.
„Was hast du rausgefunden, Toni? Konntest du den Todeszeitpunkt schon eingrenzen?“
„Sie starb gestern zwischen dreiundzwanzig Uhr und Mitternacht. Wie die anderen beiden Opfer wurde sie vergewaltigt. Keine Spermaspuren.“
„Gibt es Anzeichen für einen Kampf?“, fragte Kommissar Gerlach, der sich eifrig Notizen machte. „Irgendwas unter den Fingernägeln?“
„Keine Hautpartikel oder Faserreste“, verneinte Antonia. „Trotzdem muss sie sich heftig gewehrt haben, da zwei Fingernägel der rechten Hand abgebrochen sind.“
„Alter?“
„Schätzungsweise zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Der Täter hat sie brutal zusammengeschlagen. Sie hat zahlreiche Prellungen, Platzwunden und Hautabschürfungen - außerdem ein gebrochenes Nasenbein und mehrere Rippenfrakturen. Der Tod trat durch Erdrosseln ein.“
„Sonst noch was Besonderes?“, fragte Franziska. „Etwas, das von den anderen beiden Opfern abweicht?“
„Nichts“, verneinte ihre Schwester abermals. „Kein Alkohol im Blut, aber sie hat einige Stunden vor ihrem Tod was gegessen: Pasta. Wahrscheinlich Spaghetti mit einer Käsesahnesoße.“
„Ist das alles, Doc?“
„Am linken Knie hat sie eine Narbe. Innenmeniskusoperation. Was die Identifizierung ebenfalls erleichtern könnte, ist ein kleines Tattoo auf dem rechten Schulterblatt: eine Rose.“
Nachdenklich nickte der Kommissar.
„Sonst noch was? Kein Scrabblespiel-Buchstabe?“
Antonia griff in ihre Kitteltasche, zog ein kleines Klarsichttütchen heraus und reichte es ihm. Interessiert betrachtete er den Buchstaben auf dem Spielstein. Es handelte sich um ein E.
„Wo hast du ihn gefunden?“
„In ihrem Mund. Der Täter muss ihn nach ihrem Tod hineingelegt haben.“
„Was treibt er nur für ein Spiel!?“, überlegte Franziska. „Wenn wir wenigstens wüssten, was er mit diesen Buchstaben bezweckt.“
„Er macht sich lustig über uns“, sagte Pit grimmig. „Mit kleinen Holzbuchstaben aus einem Gesellschaftsspiel. Wahrscheinlich hält er die gesamte Polizei für einen Kindergarten ...“
„... und will mit den Buchstaben des Spiels seine Überlegenheit demonstrieren“, fügte Antonia hinzu. „Er zeigt uns, wie weit unter seinem Niveau wir rangieren. Deshalb glaube ich, dass die Buchstaben willkürlich gewählt sind. Irgendwann ergeben sie – richtig zusammengesetzt – wahrscheinlich ein Wort. Vielleicht einen Hinweis auf sein Motiv.“
„Falls du recht hast, können wir nur hoffen, dass es sich nicht um ein sehr langes Wort handelt“, sagte ihre Schwester. „N,S und E ergeben noch keinen Sinn. Also wird er weiter morden.“
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