„Hatten Sie zu dem Oberst persönlichen Kontakt?“
„Ja zweimal.“ Richie entschied sich es dabei zu belassen. Er bedankte sich für die Auskünfte. Verabschiedete sich und verließ die Etage, wo Doktor Strobel mit dem Einräumen seines Zimmers fortfuhr. Zender schwankte zwischen einer weiteren Forschungstour in dem großen Gebäudekomplex oder seiner Rückkehr in die Zentrale. Er hielt das Letztere aber dann für den wichtigeren Schritt im Moment. Die Gebäude würden ihm nicht weglaufen und auch in den nächsten Tagen noch da stehen. Schließlich hatte Benno ihm ja angeboten eine Führung durch das Haus mit ihm zu unternehmen. Also ging er in die Zentrale zurück. Dort herrschte geschäftiges Treiben. Edson ließ den Drucker heiß laufen, während er schon nach weiteren Informationen im Internet suchte und Benno beendete gerade ein Telefonat.
„Hallo Ric, ich habe gerade mal bei deinem Team von gestern durchgerufen. Nur Daniela habe ich nicht erreicht. Hartig und Wollmer sind noch in der Nacht hier in Dresden angekommen. Mike sagt, dass wir uns wegen Daniela keine Gedanken zu machen brauchen, da sie eine Oma in Dessau hat. Bei der wird sie sich nach dem Funkproblem sicherlich eingefunden haben. Warum soll man nicht die Gelegenheit nutzen, wenn man schon mal in der Gegend ist, meinte Hartig.“ Richie schüttelte missbilligend mit dem Kopf und noch bevor er etwas zu Benno sagen konnte, fügte dieser hinzu: „Er hat noch einmal gesagt, dass ihr euch wie verabredet morgen früh in deinem Büro trefft. Vielleicht meldet sich Daniela bis dahin auch noch?“
„Habt Ihr schon was über den Audi herausgefunden?“
„Ja“, antwortete Edson und sah von seiner Arbeit auf. Indem er Richie ein Blatt mit Daten reichte sagte er: „Ist auf eine Mareike Schmand zugelassen, die in Grepin, einem Ortsteil von Bitterfeld wohnt. Steht aber alles noch mal hier mit beigefügter Karte.“ Ed, der sich wieder seiner PC-Arbeit widmete sah nicht den erstaunten Gesichtsausdruck von Richie als dieser die wenigen Zeilen überflog. Gerade als Richie das gefaltete Blatt einstecken wollte kam Cassandra Fischer angerauscht und sagte zu Ric.
„Die ersten Einschätzungen zur Überprüfung der Bodenprobe liegt vor.“
„Schön dass du Zeit gefunden hast zu unserer Arbeit etwas beizutragen“, warf Richie ein. Cassandra ging darauf nicht ein und fuhr unbeirrt fort.
„Die Probe setzt sich aus vier Bestandteilen zusammen.
1. Sand vermengt mit Schmutzpartikeln, typischer Schmutz von Fahrbahnrändern
2. Humus
3. Öl – Getriebeöl W 5 – 30
4. und Blut
Bei dem Blut kann ich auf die Schnelle nicht sagen ob es tierischen oder menschlichen Ursprungs ist. Das erfordert noch einige Tests. Allerdings vermisse ich bei den Blutbestandteilen Knochensplitter, oder Gehirnmasse. Das sind aber typische Spuren bei einem Kopfschuss. Das sage ich nur, weil ich von einer Art Hinrichtung hörte. Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Ich denke dass ich morgen Mittag das Ergebnis vorlegen kann. Jetzt kommt der Kracher.“ Sie legte eine weitere Pause ein, um sich der Aufmerksamkeit der Zuhörer sicher zu sein und fuhr in dem Moment fort, als Doktor Strobel mit einer kleinen Mappe unter dem Arm eintrat.
„Bei dem Motoröl handelt es sich zweifelsfrei um reines, unbenutztes Öl das noch nicht verwendet wurde.“
„Kann es sein, dass ein Fahrer Öl bei seinem Fahrzeug nachgefüllt hat und ein paar Tropfen danebengingen, die dann zu der Verunreinigung des Bodens geführt haben können?“, wollte Strobel wissen.
„Nein, die Menge und Dichte des Öls in der Probe weist eher nicht auf ein paar Tropfen hin. Und ich habe mal hoch gerechnet. Bei der verunreinigten Fläche gehe ich schon von einem Liter Öl aus.“
„Das könnte stimmen“, warf Richie ein. „Also auf keinen Fall nur eine Restmenge.“ Als Richie von Strobel den Bericht zurück bekam wandte er sich an die Laborantin: „Vielen Dank Cassandra, gute Arbeit.“ Darauf nickte diese nur und ging.
„Ich glaube, dass Ihre These durch die Probe unterstützt wird“, sagte der Doktor.
„Das könnte man so sagen, nur ohne Leiche oder verwundeten Körper ist der beste Verdacht nichts wert. Und nach dem Ergebnis von Cassandra wackelt meine Hinrichtungstheorie. War eigentlich auch unlogisch. Bei der Entfernung hätte es dem Opfer den Schädel weg gerissen. Ich glaube ich muss morgen wieder nach Dessau.“
„Danach sieht es aus“, bestätigte Strobel und schlug seine Mappe auf.
Als das Telefon auf Bennos Schreibtisch klingelte, zögerte Strobel etwas aus der Mappe zu entnehmen, und starrte auf Bennos Bemühungen an den Hörer heranzukommen. Benno gelang es schließlich, und er meldete sich mit klarer Stimme: „Zender, was kann ich für Sie tun?“ Nach kurzem Zuhören sagte Benno dem Teilnehmer: „Nein ich bin nicht Richie, mein Name ist Benno. Ja einen Moment bitte.“ Als Benno Richie den Hörer hin hielt murmelte er: „Für dich.“
„Richie am Apparat. Wer spricht?“ Kurze Pause in der Richie überrascht die Augenbrauen hob. „Kommissar Koschinski, dies ist aber eine Überraschung.“ Noch während der Worte sah Richie Strobel fragend an. Dieser nickte leicht mit dem Kopf. Dann wurde Richie blass. Verkrampft hielt er den Hörer fest. Seine Atmung drohte auszusetzen. Er stützte sich am Computertisch ab und war bemüht seine Fassung wieder zu finden. In die Sprechmuschel hauchte er: „Einen Moment.“ Er fuhr sich mit der Rückhand über die Stirn, als ob er sich den Schweiß abwischen wollte, der nicht vorhanden war.
„Sie haben Danielas Leiche in einem Waldabschnitt in der Nähe von Zerbst gefunden. Ich glaube Spitzberg, oder so. Ich muss sofort hin. Das muss ich mit eigenen Augen sehen.“ Strobel hob nur die rechte Hand mit erhobenem Zeigefinger und deutete eine kreisende Bewegung der Rotorschraube an.
„Ich bin in ca. einer Stunde da“, sagte Richie zu dem Kommissar und gab Benno den Hörer zurück, welcher von Strobel ebenfalls das Rotationszeichen und das Telefonzeichen erhalten hatte. Dies bedeutete den Piloten von dem bevorstehenden Flug zu informieren. Richie erweckte den Eindruck als ob er jeden Moment umfallen würde. Strobel stand schon bereit um ihn notfalls aufzufangen. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er fragte den Doktor: „Was hatten Sie eigentlich vorhin auf dem Herzen als Sie kamen?“ Doch dieser stellte zuerst die kurze Gegenfrage: „Geht’s wieder?“ Worauf Zender nickte.
„Fliegen Sie hin und erkunden Sie die Lage. Dann reden wir über weitere Schritte.“ Aus seiner Mappe holte Strobel einen Brief und einen Ausweis zum Anstecken. Beides überreichte er an Richie mit den Worten: „Die sind zwar nicht mehr neu und aktuell, sollten aber ihren Zweck erfüllen bis wir andere Ausweichmittel haben. Bitte sorgfältig aufbewahren und nur dann zum Einsatz bringen wenn es unbedingt notwendig ist. Ich kann Sie nicht ständig aus dem Knast holen, oder von irgendwelchen misslichen Umständen befreien. Ich habe auch andere Aufgaben.“ Doktor Strobel machte sofort kehrt und verließ die Zentrale.
„Der Helikopter steht bereit und ist augenblicklich startklar für dich, Ric“, sagte Benno.
„Ich bin gleich weg, doch vorher noch etwas für Ed. Du stellst alle möglichen Karten aus der Gegend Dessau, Roßlau und Zerbst zusammen. Weiterhin brauche ich über Zerbst die Stadtgeschichte. Auch kleine Nebensächlichkeiten können da rein. Na und alles am besten bis gestern. Bitte! Also noch einen schönen Tag wünsche ich euch.“ Richie war schon auf dem Weg zur Tür, als es auf Edson Schreibtisch mörderisch krachte.
„Ric…“ Als dieser sich umdrehte hatte Edson ihn auch schon eingeholt. In seiner Hand hielt er ein paar ausgedruckte Seiten, welche in der linken oberen Ecke von einer überdimensionalen Krampe gehalten wurden. Er hielt ihm seine gesammelten Werke entgegen, so dass Richie gar nichts anderes übrig blieb als sie entgegen zu nehmen. Ein Ergebnis von Eds Recherche und des heiß gelaufenen Druckers, vermutete Zender. Er nahm dem kleinen Mann schnell das beachtliche Paket aus der Hand und fragte erstaunt:
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