„Man sollte fast meinen das du mir nachspionierst“, warf sie Richie entgegen und verschränkte ihre Arme vor dem Körper, um zu verhindern, dass sich das Tuch eventuell selbstständig machte. Sonst blickte sie ihm aber keck und provozierend entgegen.
„Ich hatte dich eher bei der Arbeit vermutet als hier im Urlaub, oder hast du schon Feierabend? Ich denke, dass du so die Termine nicht halten kannst”, entgegnete Ric.
„Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Abgesehen davon arbeitet die Aufgabe selbst. Gibt halt für alles heute Computer. Ich ernte dann die Früchte. Ist doch okay, oder?”
„Wenn das Ergebnis für sich spricht soll mir der Weg egal sein. Was machst du hier eigentlich? Wenn ich das hier so sehe, denke ich das sich mein Bruder paar Leute eingeladen hat, die hier ihre Kur verbringen können.”
„Nun ganz so ist das nicht, doch dieser Bereich hat schon einen tollen Entspannungseffekt. Ich komme immer wieder gern hierher. Doch neuerdings scheint es ganz schön überlaufen zu sein“, schmunzelte sie und machte Anstalten weiter zu gehen.
„Das klingt ja so als wärst du schon länger hier.“
„Nun es ist jetzt schon fast ein Monat. War aber eine arbeitsreiche Zeit. Nun raus mit der Sprache, was suchst du hier?”
„Ich wollte mich eigentlich nur etwas frisch machen, hab mich dabei wohl verlaufen.” Cassandra lächelte, zupfte an ihrem Badetuch, das nun doch Anstalten machte sich zu öffnen und erwiderte mit einem Fingerzeig ihrer rechten Hand nach oben, woher Richie kam:
„Du hättest ganz einfach nur auf dein Zimmer fahren brauchen. Da findest du alles was notwendig ist. Die Unterkünfte liegen im dritten Stock. Da liegt auch eine kleine Broschüre die alles hier beschreibt.”
Schelmisch fügte sie hinzu: „Damit du dich nicht mehr verläufst. Komm einfach mit, ich muss sowieso nach oben.” Sie ging an ihm vorbei, passierte Schleuse und Tunnel und strebte dem Aufzug zu. Richie beeilte sich ihr zu folgen. Als sie im Fahrstuhl standen und hoch fuhren meinte Cassandra: „Wenn mich nicht alles täuscht habe ich deinen Namen auf einem Schild gelesen. Das ist hier alles ordentlich durchorganisiert. Das mag ich nämlich. Es muss alles seine gerade Linie haben.“
„Hast du denn keine Wohnung außerhalb dieses Bauwerkes?“, wollte Richie von ihr wissen.
„Nein, ich bin ja nicht aus dieser Gegend und habe noch keine Zeit gehabt mich umzusehen. Aber das ist schon okay so.“ Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich und die beiden traten auf den großen Flur in der dritten Etage. Sie wandten sich nach links. Cassandra zeigte auf die Tür vor ihnen. „Da, dein Zimmer. Der Name steht auf dem Türschild.“ Tatsächlich stand sein Name auf dem Schild links neben der Tür. „Und du? Welches Zimmer hast du belegt?“
„Ich hoffe es stört dich nicht das mir das Nachbarzimmer gehört?“
„Wenn du nicht so laut schnarchst das ich nicht schlafen kann, habe ich kein Problem damit.“
„Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, ich schnarche nicht. Na dann gute Nacht und träum was Schönes“, flötete sie noch vor sich hin und verschwand in ihrem Zimmer. Richie tat das gleiche und war überrascht von der Geräumigkeit des Zimmers, eigentlich der zwei Zimmer, denn es handelte sich um eine Zweiraumwohnung. Allerdings ohne Küchentrakt. Der Wohnraum hatte eine Größe von gut fünfzig Quadratmetern. Rechts befand sich eine geräumige Eck Couch, welche durch ein kleines Beistelltischen komplettiert wurde. Genau gegenüber hing ein Flachbildschirm an der Wand. Auch an einen Schreibtisch hatte Benno gedacht. Der größte Wert wurde auf natürliches Licht gelegt, das durch die zahlreichen, großen Fenster fiel. Im zweiten Zimmer befand sich ein großes Doppelbett. Rechts führte eine Tür zum Sanitärbereich, mit Dusche, Eckbadewanne, Toilette, sowie Waschtisch, alles was man brauchte und das noch mit viel Platz kombiniert. Nun sah er auch die zweite Tür die zum Sanitärbereich führte. Aber nun erst mal ab unter die Dusche. Endlich fühlte er sich wieder Tatendurstig. Nichts geht doch über eine ausgiebige heiße Duschmassage. Benno hatte offensichtlich an alles gedacht. Für Richies Geschmack stellte sich hier alles eine Spur zu protzig dar. Bei Gelegenheit wollte er Benno daraufhin ansprechen. Was natürlich nicht bedeutete das Richie gepflegtem Luxus abgeneigt war. Seine Fenster zeigten nach Norden. Wenn er hinausschaute konnte er links drei Stockwerke tiefer die Glaskuppel der exotischen Entspannungsoase sehen, die trotz der geschätzten Entfernung von fünfzig Metern noch gewaltig wirkte. Dahinter befand sich, durch eine Wand von Bäumen verdeckt, noch ein großes Haus. Richie nahm an das es sich um das Gästehaus der Zenders handelte. Eine identische Glaskuppel erhob sich auch rechts des gewaltigen Gebäudes. Laut Lagebroschüre befindet sich unter der zweiten Glaskuppel der Abstell- und Landeplatz des Helikopters. Richie nahm sich vor das Gelände noch gründlich zu erforschen, hielt jedoch im Moment ein Gespräch mit Dr. Strobel für wichtiger. Doch wo suchen? Er verließ sich auf seine Intuition. Die Lagebroschüre wies den zweiten Stock als Bürokomplex aus. Also versuchte er es da. Die Tür des Aufzuges hatte sich noch nicht geschlossen, als Strobel aus einer Tür des langen Ganges getreten war.
„Sie wollen zu mir Herr Zender? Dann kommen Sie rein und entschuldigen Sie die Unordnung, aber ich bin gerade beim Um- bzw. Einzug und bin weder auf Besuche eingestellt, noch vorbereitet.”
„Wie kommen Sie darauf dass ich zu Ihnen will Doktor?”
„Weil ich im Moment der einzige in dieser Etage bin. Sie können natürlich Ihren Spaziergang durch das Gebäude fortsetzen. Ich halte Sie nicht auf. Wenn Sie aber etwas auf dem Herzen haben, dann kommen Sie rein, und nehmen Sie Platz.” Richie schob sich an ihm vorbei und lies sich auf dem einzigen freien Stuhl nieder. Strobel setzte sich in einen Sessel der gegenüber Ric’s Stuhl stand.
„Leider kann ich Ihnen hier nichts anbieten, da ich noch unzureichend eingerichtet bin”, entschuldigte er sich nun schon zum zweiten Mal. Zender winkte ab.
„Also wo drückt denn der Schuh?”
„Ich möchte noch mal auf unser Gespräch im Auto zurückkommen, wo Sie mich über meinen Auftrag fragten. In groben Zügen dürfte Ihnen ja bereits bekannt sein um was es bei dem missglückten Beschattungsversuch ging.”
„Ja den Werdegang Ihres Unternehmens habe ich mitbekommen, ebenso ihre Situation in Dessau. Und Sie zerbrechen sich jetzt den Kopf über den Russen und meine Rolle, die ich bei der ganzen Sache spiele?” Richie blinzelte mit dem linken Auge und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare.
„Nicht nur…”, gab Richie wahrheitsgetreu zu.
„Sie haben sich sicherlich gefragt warum ich gerade hier bei Ihnen auftauche, wie ich überhaupt hergekommen bin, wie ich den Kontakt hergestellt habe und was ich außer Koffern voller Geld zu bieten habe. Natürlich Aljonow nicht zu vergessen. Wie sie sich bestimmt denken können, darf ich auf verschiedene Fragen keine Antwort geben, aber so viel. Ich wurde Anfang der achtziger Jahre in ein Team berufen das die Aufgabe hatte eine länderübergreifende Polizeiorganisation zu schaffen. Ähnlich von Interpol aber auf die RGW-Länder bezogen. Das brachte ein riesiges Paket von Verhandlungen und Gesprächen mit den einzelnen Staaten und deren Sicherheitsorganen mit sich. Und mir eine große Anzahl von Kontakten. Es war ein sehr zäher Verhandlungsmarathon der sich dann Ende der achtziger Jahre mit der Wende in Wohlgefallen auflöste. Danach war ich mehr oder weniger freischaffend tätig oder als Berater. Irgendwann kam der Kontakt mit Ihrem Bruder Reinhard, wo ich auf Ihre Aktivitäten aufmerksam wurde. Das heißt Sie sind in gewissen Kreisen sowieso bekannt, vor allem Ihre Erfolge. Und nun bin ich hier und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Bitte machen Sie Reinhard keine Vorwürfe, dass er im Vorfeld nicht mit Ihnen über mich gesprochen hat. Es lag alles unter dem Verschwiegenheitssiegel. Und er hat sich nur an die Abmachung gehalten. Eigentlich wissen Sie doch wie das in der Branche läuft. Was ich zu bieten habe ist neben meinen Kontakten auch die Möglichkeit an Zusammenhänge heranzukommen, die Ihnen auf dem normalen Weg verschlossen bleiben. Ich denke wir werden sehen wie fruchtbar unsere Zusammenarbeit ist. Aber ich glaube wir sollten die Möglichkeiten ausleuchten und nach den ersten Ergebnissen neu ordnen und weitere Ziele abstecken. Fakt ist, dass ich solch ein Projekt wie dieses schon lange gesucht habe. Und da habe ich meine Zeit nicht groß mit Abwägungen verbracht, die zu nichts führen. Wenn Sie, nun ja die Spende genauer betrachten, so werden Sie feststellen, dass ein großer Teil des Geldes aus meinem Privatvermögen stammt. Ich bin überzeugt, dass es hier am besten angelegt ist. Ach und noch was. Die Zukunftsanalyse geht eindeutig von mehr Sicherheitsbedürfnis im Einzelnen und der Tatsache des Heranwachsens einer ganz neuen Form der Kriminalität aus. Das vereinte Europa stellt in der grenzenlosen Variation eine ganz neue Größenordnung in der Bekämpfung des organisierten Verbrechens dar. Und ich habe mein Leben irgendwie dieser Sache verschrieben und freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Dieser Ex-Oberst Aljonow war in Zerbst in der Zeit von 1987-92 stationiert. Er hielt sich da bei der 126. Jagdfliegerdivision auf. Welche Aufgaben ihn da genau zugeteilt waren ist mir nicht bekannt. Ich werde noch Informationen beschaffen. Ich hoffe das Ihr Wissensdurst wenigstens zum Teil gestillt ist, Richie.“
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