Eine Träne rollte aus meinem Augenwinkel und mein Herz tat mir plötzlich so weh. Schon wieder jemand, der bei diesem ominösen Umsturz gestorben war. »Das tut mir so leid!«, brachte ich nur heraus. Ich sah den Schmerz in den Augen des Elben, doch er währte nur kurz. Ein Schleier aus Arroganz legte sich darüber.
»Das steht dir nicht zu. Komm, meine Mutter wartet nicht«, sagte er giftig und zog mich am Arm davon.
Was sollte das nun wieder? Warum tat er das? So launisch konnte er doch nicht sein. Ich bemerkte, wie er dem Hauptmann einen raschen Blick zuwarf. Ich hatte das nur gesehen, weil ich Karan Drun unablässig anstarrte. Der Hauptmann dagegen hatte eine misstrauische Miene aufgesetzt und flüsterte mit einem seiner Krieger, der daraufhin mit raschen Schritten davoneilte. In mir gingen die Alarmglocken an. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Endlich verstand ich was hier gespielt wurde. Auch Karan Drun stand unter der Fuchtel seines Onkels und der Hauptmann passte auf, dass es auch so blieb. Irgendwie hatte ich das Gefühl nicht mehr viel Zeit zu haben. Ich beschleunigte meine Schritte. Etwas sagte mir, dass ich mit seiner Mutter sprechen musste und das schnell.
Wir gingen durch eine unscheinbare Tür. Karan Drun hielt den Hauptmann und die Wachen mit einer herrischen Geste zurück. »Du weißt, dass Soldaten ihre Gemächer nicht betreten dürfen. Meine Mutter verträgt keine Störungen.«
»Was habt Ihr vor, mein Lord?« Der Hauptmann trat ganz nah an den Elbenlord heran und ließ endlich seine Maske fallen. Es war nichts mehr von Unterwürfigkeit in seinem Gesicht zu finden.
Besorgt sah ich von einem zum anderen.
»Das geht dich nichts an. Trete zurück«, grollte Karan Drun wütend.
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern zog mich durch die Tür und schlug sie hinter uns zu. Eine Frau sprang von einem Sessel am Fenster auf, wo sie an einem großen Stück Stoff gestickt hatte. Sie hatte sogar eine spitze Haube auf. Ihr Kostüm hätte auf jedem Faschingsball den ersten Preis gewonnen.
» Mittelalterlich !«, dachte ich genervt. » Ist das seine Mutter? Sie sieht ihm gar nicht ähnlich.« Die Frau maß mich von oben bis unten und lächelte dann freundlich.
»Fiona, wir haben nicht viel Zeit. Sie stehen draußen und werden dort nicht bleiben«, stieß Karan Drun hervor und schob mich zu einem großen Himmelbett, in dem eine zweite Frau lag.
Ich erschrak. Die Frau sah fürchterlich aus. Ihr Körper war eigentlich nur noch ein mit Haut überzogenes Skelett. Ihr Gesicht hatte einen abwesenden Ausdruck. Es erinnerte mich an etwas. Sie atmete nur ganz flach und ich war mir sicher, dass sie bald sterben würde. Mitleid überschwemmte mich.
»Sie ist sehr krank. Ist das deine Mutter?«, fragte ich Karan Drun.
Er nickte, Tränen in den Augen. Dann setzte er sich an ihr Bett und nahm die schmale knochige Hand der Elbenfrau in die seine. »Sie ist hier, Mutter. Sie ist endlich gekommen.« Er blickte mich mit einem bittenden Blick an der Steine erweichen würde, aber was meinte er eigentlich damit.
Die Elbe, die Fiona hieß, trat neben mich. Sie griff mit spitzen Fingern nach meiner linken Hand und sah mir in die Augen. Und plötzlich wusste ich, was sie von mir wollten. Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich biss mir auf die Lippen. Meine Heilungserfolge hatten sich wohl herumgesprochen. Aber sie hielten sich in Grenzen, je nachdem was die Ursache war.
»Ich bin nicht sicher, ob ich sie heilen kann. Sie ist so schwer krank«, stammelte ich verlegen. Ich wollte die Hoffnung der Beiden nicht zerstören.
»Versuche es, Gezeichnete. Bitte!«, sagte Fiona und führte mich auf die andere Seite des Bettes.
Ein dumpfes Geräusch ließ mich zusammenfahren. Jemand hieb mit der Faust von außen gegen die Tür. Das klang gar nicht gut. Ich sollte mich beeilen.
Fiona bedeutete uns leise zu sein und öffnete die Tür. Sie trat hinaus. Ich hörte ein paar Schreie, dann kam sie zurück, über und über besudelt mit blauem Pulver, das sich langsam in Nichts auflöste. Das kannte ich doch. Sie lächelte schwach. »Ich bin eine Filid, eine Seherin, und nur mit schwachen Kräften ausgestattet, aber es hält eine halbe Stunde. Ich hoffe das genügt.«
Mir blieb keine Wahl. Ich betrachtete das eingefallene Gesichtchen der Frau. Sie war bestimmt einmal sehr schön gewesen. Ich hoffte, ich konnte ihr tatsächlich helfen. Das sah wirklich schlimm aus. Zum Glück musste ich nicht wissen welche Krankheit sie hatte, glaubte ich zumindest. Allerdings war ich mir nicht sicher dabei. In meinem Magen grummelte es nervös. Hoffentlich machte ich nichts falsch.
»Karan, du musst sie jetzt loslassen und geh ein Stück zurück«, bat ich den Elbenlord.
Nachdem ich meinen Handschuh ausgezogen hatte, machte ich es mir auf einem Stuhl neben dem Bett bequem. Ich nahm vorsichtig ihre Hand und fühlte ihren Puls. Er pochte so leicht, als wäre sie ein Vögelchen. Ihre Haut fühlte sich kühl und schlaff an. Es schien kaum noch Leben in dem ausgemergelten Körper zu sein. Entschlossen legte ich mein Zeichen auf ihre Stirn.
» Filmreife Szene «, dachte ich noch kurz, denn zu mehr kam ich nicht mehr.
Ein Schlag traf mich, so heftig, dass ich aufstöhnte. Ich fühlte wie mir die Lebensenergie ausgesaugt wurde, so als hinge ein Vampir an meiner Halsader. Mir wurde schlagartig klar, dass das, was Lady Drun krankgemacht hatte, nichts Natürliches war. Das gleiche zehrende Gefühl durchfloss mich, wie bei Sartyr Hoagot als ich ihn geheilt hatte, nur unendlich viel stärker. Dunkle Schatten, die wie aus dem Nichts vor meinen Augen erschienen, begannen nach mir zu greifen und mich einzuhüllen. Ein Wispern und Heulen füllte meine Ohren mit schauerlichem Gesang und schürte das Grauen in mir. Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Wenn ich nicht losließ, dann würde es mich töten, wurde mir plötzlich klar.
»Sarah, was ist mit dir!«, hörte ich Karan Drun rufen.
»Nicht, Ihr dürft sie nicht berühren, Lord Drun. Lasst mich!«, hörte ich Fiona sagen. Etwas zog an meinem Stuhl und ich glitt kraftlos zur Seite. Die Trennung verursachte mir einen ziehenden Schmerz, aber die dunklen Finger, die nach mir gegriffen hatten, lösten sich schlagartig auf.
Ein Gesicht beugte sich über mich. »Kannst du aufstehen?«
Ich hob nur müde den Kopf. »Zu schwach!«, flüsterte ich.
»Karan, hilf ihr auf den Stuhl, bitte«, hörte ich Fiona sagen, während sie zum Schrank ging und nach etwas suchte.
Karan Drun zog mich hoch und trug mich mehr zum Fenster, als dass ich selber lief. Ich konnte seiner Miene nicht entnehmen, was er jetzt dachte. Ich hatte versagt. Es tat mir so leid. Vorsichtig half er mir mich zu setzen. Fiona brachte mir ein Glas Wasser und ein Stück von irgendetwas, das ich nicht kannte. Misstrauisch betrachtete ich das Ding.
»Das hier ist Grünkraut. Es wird dir helfen. Du musst es kauen, nicht schlucken.« Fiona schaute mich aufmunternd an.
Ich schob die Wurzel zwischen die Zähne. Sie schmeckte erstaunlicherweise nach Schokolade, Kaffee und etwas Bitterem. Ich kaute eine Weile darauf herum. Es wurde zäh wie Kaugummi, aber der Effekt war erstaunlich. Es war wie ein Energieschub.
Vom Bett kam ein grauenvolles Husten. Karan Drun fuhr herum und stürzte zu seiner Mutter hinüber.
»Mutter?«, rief er entsetzt.
Die Elbenfrau bäumte sich auf. Ihr Körper bog sich in einem heftigen Krampf durch. Ich hatte Angst, sie könnte sich die Wirbelsäule brechen, falls Elben so etwas hatten. Doch die Art und Weise wie das ganze hier ablief, kam mir bekannt vor. Ich rappelte mich hoch und wankte zu Mutter und Sohn hinüber. Das Zeug, das mir Fiona gegeben hatte, war eine Wunderdroge, da ich mich um Längen besser fühlte. Zwar immer noch schwach, aber nicht mehr so ausgelaugt.
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