»Du hast eine Rotviper getötet? … Wie?«, misstrauisch und breitbeinig baute der Hauptmann sich vor mir auf.
Ich sah ihm an, dass er mich am liebsten auf die Streckbank geschickt hätte, um die Wahrheit herauszufinden. »Ja, ich persönlich, mit meinem Kris-Schwert das mir der Tektek-Dämon gegeben hatte, bevor wir unsere Reise angetreten hatten«, antwortete ich mit Stolz in der Stimme. Es war mir mittlerweile egal, was der Elbe glaubte oder was nicht. Ich wollte mich nur noch hinlegen.
»Das kann nicht sein!«, bellte er. » Du bist eine schwache Frau. Die können nicht kämpfen. Sei froh, dass unser Lord so gütig ist, sonst wärest du jetzt nicht hier oben und ob du tatsächlich gezeichnet worden bist werden wir noch herausfinden«, setzte er noch zornig hinzu. Jeder Anflug von Freundlichkeit war fort.
Das brachte in mir das Fass zum überlaufen. Diese Kerle hier waren arrogant und intolerant. Da brauchte ich mir nur diese arme Frau anzuschauen, die verängstigt am Boden kniete und sich mucksmäuschenstill verhielt. Ich trat einen Schritt vor und maß ihn mit zornigem Blick. »Was Sie glauben und was nicht ist mir langsam aber sicher egal! Ihre Arroganz ist anmaßend. Wenn es Ihnen nicht passt, dass die Manda´anah mich gezeichnet haben, dann beschweren Sie sich doch bei denen. Ich habe mir das hier nicht ausgesucht. Mir reicht es jetzt gründlich«, schrie ich aufgebracht.
Der Hauptmann richtete sich drohend auf, doch ich war zu wütend um mich einschüchtern zu lassen. Die Luft begann um mich zu kreisen. Zornig hob ich meine linke Hand und der Elbenkrieger wurde gegen die Zimmerwand gedrückt, wo er kreidebleich stehen blieb wie ein Zinnsoldat. Die Dienerin sah mich mit schreckgeweiteten Augen an. Verblüfft hielt ich inne. War ich das etwa gewesen?
»Entschuldigen Sie, ich wollte sie nicht erschrecken«, sagte ich zu der Dienerin, die sich neben dem Kamin furchtsam zusammenkauerte und mich anstarrte als wäre ich ein Monster aus einem Alptraum. Ich senkte meine Hand. Der Hauptmann fiel auf die Knie, immer noch bleich wie ein Gespenst. Das geschah ihm recht. Irgendwie fühlte ich so etwas wie Genugtuung, obwohl das dumm war. Jetzt würde der Elbenmann bestimmt alles tun, um sich zu rächen. Ein wenig zurückhaltender sagte ich, »Sie dürfen wieder aufstehen«, da er immer noch kniete und sich nicht rührte.
Erstaunt sah ich zu, wie er sich mit gesenktem Kopf erhob und sich schwach verneigte. Dann ging er hinaus. Verblüfft blickte ich ihm hinterher. Ich hätte mit mehr Widerstand gerechnet. Was sollte das denn nun wieder sein? Soll einer diese Elben verstehen, ich jedenfalls nicht.
Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen, denn ein paar Frauen kamen herein. Sie trugen ein Tablett mit Essen und ein paar Eimer mit dampfendem Wasser, die sie in eine Wanne gossen, die sich hinter einem Vorhang befand. Himmel, das wurde ja immer vorsintflutlicher. Da waren ja die Hütten in Argo na´ata noch fortschrittlicher. Wollten die mir etwa beim Baden helfen? Mit abwehrender Miene wich ich zurück.
»Ich kann das selbst. Das müssen Sie nicht tun«, sagte ich so freundlich wie möglich.
Die Frauen blickten mich unsicher an. Die Elbenfrau, die das Feuer angefacht hatte, tuschelte leise mit den anderen. Sie gingen schließlich, nachdem sie mir rätselhafte Blicke zugeworfen hatten.
»Eigentlich darf ich nicht mit Gefangenen sprechen, aber Ihr wart sehr freundlich zu mir … meine Dame«, sagte die Dienerin leise und mit gesenktem Kopf.
»Sarah, ich heiße Sarah«, antwortete ich perplex.
Sie verbeugte sich tief vor mir. »Wie Ihr wünscht, edle Dame, doch bitte enthebt mich davon. Es könnte meinen Kopf kosten.«
»Was? Ich verstehe nicht!«, stieß ich verblüfft hervor Was hatte das denn zu bedeuten?
Die Elbenfrau sah sich unruhig um, dann trat sie respektvoll näher an mich heran. »Unser Herr besteht auf guten Umgangsformen, wenn Ihr versteht.«
An meinem Gesicht musste sie wohl erkannt haben, dass ich nichts begriff.
»Darf ich Euch von unseren Umgangsformen erzählen, während Ihr badet?« Sie verneigte sich noch einmal.
Nach kurzer Überlegung nickte ich. Ich brauchte zwar keine Hilfe und wollte das eigentlich auch nicht, aber vermutlich war es wichtiger zu erfahren, was hier eigentlich los war, als mein Schamgefühl zu pflegen. Kurzentschlossen ging ich zur Wanne hinüber und begann mich auszuziehen. Die Dienerin eilte zu mir und wollte mir helfen, aber ich wehrte ab.
»Danke, das kann ich schon. Könnten Sie mir etwas zu trinken und zu essen bringen, ich bin am verhungern«, lenkte ich sie ab. Es war mir doch zu peinlich, mich von jemandem Fremden ausziehen zu lassen.
Rasch schlüpfte ich aus meinen Kleidern und stieg in das heiße Wasser. Es war ziemlich heiß, aber nach einer Weile fühlte es sich richtig gut an. Vermutlich war ich nur so ausgekühlt gewesen. Die Elbenfrau brachte mir einen Teller mit Brot und Fleischstücken, etwas Obst und einen Becher mit einer Flüssigkeit, die verdächtig nach Wein aussah. Meine Mutter wäre wohl nicht davon begeistert. Ich musste mich beherrschen nicht alles auf einmal hineinzustopfen, sondern langsam zu kauen. Noch nie hatte ich in der Badewanne gesessen und gegessen. Mit einem großen Schluck spülte ich den letzten Bissen hinunter. Es war tatsächlich Wein. Davon würde ich bestimmt einen Schwips bekommen. Genüsslich griff ich dann nach Seife und Schwamm und begann mich unter den verstohlenen Blicken der Elbenfrau zu waschen. Meine Rundungen hatten sich in den letzten Monaten gut entwickelt. Meine Figur war weiblicher geworden, auch wenn meine Beine immer noch ziemlich lang waren, länger als die meiner Mitschülerinnen, genauso wie meine Finger. Nachdem ich mich ordentlich geschrubbt hatte, kam endlich wieder meine weiße Haut zum Vorschein. Das Wasser war ziemlich dreckig geworden und so stieg ich unter den Blicken der Dienerin rasch heraus, die es nicht lassen konnte mich in ein Handtuch zu wickeln. Aufseufzend setzte ich mich auf mein Bett und zeigte auf den Stuhl daneben. »Das hat gutgetan. Danke. Ich war so schmutzig. Bitte setzen Sie sich und bringen Sie mir ein paar ihrer Umgangsformen bei«, sagte ich und unterdrückte ein Gähnen. Im Grunde genommen fielen mir fast schon die Augen zu und ich hoffte, dass das nicht zu lange dauern würde.
Die Frau warf einen erschrockenen Blick auf den Stuhl, setzte sich dann aber steif auf die Kante. »Unser Herr, das dunkle Licht möge seine Lordschaft lange leben lassen, ist gütig. Er verwaltet das Erbe der Dunkelelben von Drun bis unser junger Herr alt genug ist, alles zu übernehmen. Unsere Herrin, Lady Elyn Drun lebt seit vielen Jahren in Abgeschiedenheit und Trauer um den Tod ihres Gatten und ihres ersten Sohnes und hat ihrem Bruder, Lord Harkon Conen das Amt überlassen. Lord Conen hat uns in dieser Zeit einige Umgangsformen beigebracht, auf deren Einhaltung er sehr viel Wert legt. Frauen von niedrigem Stand dürfen in seiner Anwesenheit nicht sprechen und essen, nicht sitzen und müssen den Kopf gesenkt halten. Sie dürfen sich nicht selbst verteidigen und nicht widersprechen. Über ihre Zukunft bestimmt zu allererst der Lord, dann der Vater oder der Ehemann.« Sie ruckelte ungemütlich auf dem Stuhl hin und her.
»Aha!«. Da blieb mir doch die Spucke weg. Ich war zu verblüfft, um etwas Vernünftiges herauszubringen. Jetzt war ich doch tatsächlich im Mittelalter gelandet. Ich ersparte mir zu fragen, warum sie sich das gefallen ließen. Vermutlich würde ich keine Antwort bekommen. Es war bestimmt nicht leicht aus so etwas auszubrechen. Ich sollte nicht vorschnell urteilen. Wer weiß was aus mir unter solchen Umständen geworden wäre. Sie tat mir jedenfalls unendlich leid, denn es ging ihr nicht besonders gut. Das war ja nicht zu übersehen. Aber ich konnte nichts für sie tun, ja nicht einmal für mich selbst. Statt weiter über Zustände zu grübeln, an denen ich nichts ändern konnte, fragte ich, »und Lady Drun, findet sie das denn … angemessen?«. Mir war plötzlich klar, dass die Wände hier Ohren hatten und ich sehr vorsichtig sein musste und das nicht nur wegen mir.
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