Einen Moment später hatte auch Christopher die beiden erkannt. „Oh hey, Karen!“ meinte er leichthin und beendete das Abtrocknen seiner Haare. Sich ihr nackt zu zeigen, bereitete ihm offensichtlich keinerlei Probleme. „Wie ich sehe, habt ihr euch schon bekannt gemacht!“ Er lächelte freundlich.
Karen nickte ihm zu. „Wir waren gerade dabei seine Beziehung zu dir zu klären!“
„Oh, ja...!“ Er warf Douglas einen kurzen, ernsten Blick zu. „Das ist mein Onkel…Bertram!“ Er grinste kurz.
„Bertram?“ Karen war sichtlich überrascht.
„Ein furchtbarer Name, was?“ Christopher nickte verständnisvoll und Douglas brummte missmutig.
„Dein Onkel?“ fragte Karen aber sofort.
„Mein...ähm...Onkel…!“ begann Christopher.
„3.Grades!“ vervollständigte Douglas schnell und grinste sie offen an.
Karen nickte wenig überzeugt.
„Unsere Familien waren schon immer Verfechter von gemischtrassigen Beziehungen!“ fügte Douglas noch hinzu.
„Bertram...!“ Christopher musste kurz inne halten, weil er Gefahr lief, laut loszulachen. „...ist auf einen kurzen Besuch vorbeigekommen. Für...ähm zwei Tage?“
Douglas nickte. „Genau! Nur ein kurzes Wiedersehen mit meinem...Neffen!“
Karen nickte stumm.
„Okay!“ Christopher schien zufrieden. „Würdest du dich noch ein wenig um…Bertram kümmern?“ Er schaute seine Assistentin fragend an, die daraufhin mit einem Blick auf seine Männlichkeit lächelnd nickte. „Prima! Dann gehe ich mich anziehen!“ Er drehte sich um und ging zur Schlafzimmertür. Bevor er sie öffnete, hindurch schlüpfte und sie hinter sich schloss, blieb er noch einmal kurz stehen, schaute zurück zu den Beiden und sagte dann. „Falls ich es noch nicht gesagt haben sollte: Ich bin froh, dich wiederzusehen...Onkel Bertram!“ Und mit einem breiten Grinsen wandte er sich ab.
Der Flug aus New York verlief ohne Probleme und sie landeten pünktlich auf dem International Airport von Los Angeles.
Nachdem sie die Formalitäten erledigt hatten, hatte Cynthia mit Douglas gesprochen.
Hiernach besorgten sie sich einen Mietwagen.
Als sie aus dem Flughafengebäude hinaustraten, wurden sie von der aufgehenden Sonne an einem strahlend blauen Himmel und einer angenehm warmen Brise begrüßt.
Viel Gelegenheit, all dies zu genießen, hatten sie allerdings nicht, denn sie hatten keine Zeit zu verlieren.
Der ihnen zugewiesene Chevrolet Mini-Van stand auf dem Parkplatz auf dem angegebenen Platz.
Cynthia setzte sich auf den Fahrersitz, eine weitere Frau, die deutlich jünger war als sie – sie mochte Anfang Dreißig sein, Cynthia mittlerweile 46 – setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie war, so wie Cynthia auch, eine Farbige, hatte ähnlich schulterlange, schwarze Haare, die am Hinterkopf mit einem Band zusammengeknotet waren und strahlte ebenso wie Douglas Frau eine rassige, wilde Schönheit aus. Auch sie trug eine Jeanshose, ein T-Shirt und eine dünne Jacke darüber.
Die Sonnenbrillen und die Schirmmützen, die sie beide bisher getragen hatten, nahmen sie ab, sobald sie im Auto saßen.
Während Cynthia sich mit dem Wagen vertraut machte und ihn letztlich startete, warf ihr die junge Frau neben ihr, die das Navigationssystem mit der von Douglas angegebenen Adresse fütterte, einen ernsten Blick zu, den sie wortlos erwiderte.
Dann hörten sie, wie die Seitentür für den Rückraum geschlossen wurde.
Cynthia blickte in den Rückspiegel und konnte dort die beiden anderen Mitreisenden sehen.
Es handelte sich um eine alte Frau von 83 Jahren, die in einen schwarzen Hosenanzug gekleidet war. Sie war schlank und strahlte eine respektvolle Aura aus. Ihr von sehr viel Sonne und einem Leben am Meer gebräuntes, aber auch gegerbtes Gesicht wurde von kurzen, lockigen blonden Haaren umrahmt und ließ es frisch und offen wirken, auch jetzt noch, wo ihre Züge ebenfalls deutlich angespannt waren.
Neben ihr saß ein Mann knapp über 50 mit kurzen, schwarzen Haaren. Auch sein Gesicht war gebräunt und verwittert. Er hatte strahlend blaue Augen, die den Blick eines Betrachters wie magisch anzogen. Seine Gesichtszüge waren schmal und ein wenig kantig. Sein schlanker, dennoch muskulöser Körper steckte in einer braunen Stoffhose, einem weißen Hemd mit braunem Schlips und einem sandfarbenen Jackett. Er wirkte wie ein Banker oder Rechtsanwalt, doch die Wirklichkeit zeigte, dass dieser Eindruck täuschte.
Der Mann schnallte sich auf dem Rücksitz an, schaute dann zu der alten Frau und wartete geduldig, bis auch sie sich angeschnallt hatte. Hiernach trafen sich ihre Blicke und er warf ihr ein sanftes Lächeln zu, das jedoch nur zögerlich erwidert wurde.
Bevor Cynthia sich auf ihre Abfahrt konzentrierte, konnte sie noch sehen, wie der Mann mit seiner linken Hand die rechte Hand der Frau ergriff und fest umschlossen hielt.
Dann legte sie den Rückwärtsgang ein, fuhr aus der Parklücke und sie machten sich auf den Weg nach Downey.
*
Der schwarze Buick stand noch immer dort, wo er in der Nacht geparkt hatte. Auch als sich nach und nach die Straße mit Fahrzeugen lichtete, blieben die beiden Männer im Inneren sitzen und beobachteten das Haus auf der rechten Seite.
Fast schien es, als wäre es ihnen egal, ob sie Jemand entdecken oder auch nur Verdacht schöpfen würde.
Doch dem war nicht so.
Denn als ein ehemals weißer, jetzt stark ergrauter, verschmutzter Ford-Transit mit der Aufschrift Jacks Heizungs- und Sanitärdienst von der anderen Seite in die Straße einbog, hatte er sofort ihre Aufmerksamkeit.
Im Fond des Wagens saßen zwei Männer um die Dreißig in blauen Overalls und mit Schirmmütze.
Der Fahrer drosselte sichtbar die Geschwindigkeit des Ford und lenkte ihn schließlich sauber in eine Parklücke etwa zwei Wagenlängen hinter Barneys Bar und etwa fünf Wagenlängen von dem schwarzen Buick auf der anderen Straßenseite entfernt. Damit stand er schräg gegenüber des Eingangs von Christophers Bürohaus.
Und ziemlich genau in dem Moment, in dem der Fahrer des Fords seinen Motor ausschaltete, startete der Fahrer des Buick seinen Motor.
Langsam und ruhig lenkte er das Fahrzeug aus der Parklücke und fuhr zum Ende der Straße, wo er schließlich nach links abbog und verschwand.
Als sie an dem Ford und seinen Insassen vorbeikamen, würdigten sich die Männer keines Blickes.
Warum auch sollten sie - wenn die Wachablösung doch sauber und ohne Probleme abgelaufen war?
*
Cynthia hatte durch das Navigationsgerät keinerlei Probleme, die Cecilia-Street zu finden.
Als sie den Van um die letzte Ecke lenkte, reduzierte auch sie ihre Geschwindigkeit deutlich. Während sie langsam voranrollten, schaute sie sich, zusammen mit der Frau neben ihr und dem Mann im Rückraum ausgiebig um, ob sie etwas Verdächtiges erkennen konnten.
Das sie möglicherweise unter Beobachtung standen, war nicht auszuschließen.
Die Geschehnisse in New York – damals – waren alles andere als legal gewesen und hatten bei viel zu vielen Personen für schlechte Stimmung gesorgt. Während Christopher dem Allem hierhin entfliehen konnte, hatte Douglas eine schwere, nervenaufreibende Zeit zu überstehen, die schwer an seinen Kräften gezehrt hatte.
Erst nachdem sich die Wogen von Tsunami-Stärke auf Sturmstärke geglättet hatten, konnte er sich dem widmen, was ihm schon seit Christophers Flucht nach Los Angeles so sehr am Herzen lag – und was sie alle letztlich jetzt hierher führte.
Da Cynthia um Douglas Vorhaben wusste, sah sie die Zeit, in der er vom FBI, der eigenen Polizei und Gott weiß wie vielen anderen Behörden in die Mangel genommen wurde, auch mit einem klitzekleinen lachenden Auge, denn in dem Moment, wo ihr klar war, was all das bedeutete, war ihr auch bewusst, dass sie körperlich ganz sicher nicht in der Lage war, hier mitzuhalten.
Читать дальше