Als sie fertig war, warf sie ihm die Schellen samt Schlüssel in den Schoss. „Und jetzt verschwinde von hier, du Versager!" Sie drehte sich um, stapfte brummend zu seinen Sachen und warf sie ihm mit einem angewiderten Blick zu. „Und dein stinkendes Outfit nimmst du mit! Arschloch!“ Damit drehte sie sich um, ging ins Schlafzimmer und donnerte die Tür hinter sich zu.
Christopher saß für eine ganze Zeit einfach nur unbeweglich da und starrte auf die geschlossene Schlafzimmertür.
Er war unfähig, sich zu bewegen und im Geiste irgendwie auch zu taub, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Dann aber kam er allmählich zurück in die Wirklichkeit und erkannte, wo er war und was geschehen war.
Im ersten Moment kam Wut in ihm auf und er war drauf und dran, aufzustehen, gegen die Schlafzimmertür zu hämmern und dem nymphomanen Geilchen die Leviten zu lesen.
Doch dann sah er ein, dass sie ja überhaupt kein Unrecht verbrochen hatte. Er, Christopher, war schuld an der ganzen Misere.
Weil er etwas tun wollte, was er einfach nicht tun konnte. Dass er das vorher nicht gewusst hatte, sondern erst schmerzhaft feststellen musste, als es schon zu spät war, spielte überhaupt keine Rolle.
Jasmin wollte von ihm Sex. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er das auch wollte und sie heiß gemacht, nur um am Ende unfassbar kläglich zu versagen.
War es da Unrecht von ihr, deswegen sauer zu sein? Sicher nicht!
Und deshalb durfte er jetzt nicht böse auf sie sein. Schließlich war sie so etwas wie das Opfer in dieser Sache. Wenn er jemanden schelten wollte, dann doch besser sich selbst.
Sein Blick fiel auf seine Klamotten neben ihm. Er griff nach ihnen und während er sich anzog, verfluchte er sich innerlich und gab sich die schlimmsten Namen.
Als er dann fertig war, war ihm klar, dass er hier jetzt nichts mehr zu suchen hatte. Doch als er sich umdrehte und zur Tür stapfen wollte, fiel sein Blick auf einen kleinen Getränkewagen – und er konnte sofort die noch halbvolle Flasche Scotch dort ausmachen.
Er blieb vor ihr stehen und starrte sie an. Natürlich konnte er sich weiter runterputzen, aber eigentlich hatte er dazu jetzt überhaupt keine Lust. Der Whiskey dort würde ihm sicher helfen, diese ganze Sache hier erst einmal zu vergessen. Ja, die Vorstellung für die nächsten Stunden in ein wunderbares Tal des Vergessens im Niemandsland zu fallen, gefiel ihm viel besser, als harte Selbstkasteiung.
Also griff er beherzt zu, schraubte den Deckel ab, hob die Flasche an seinen Mund und stürzte den Alkohol in sich hinein. Wie Wasser schlang er ihn herunter, mehrere Sekunden lang. Als er die Flasche schweratmend wieder absetzte, hatte er die Hälfte des ursprünglichen Inhalts schon geleert. Christopher schaute mit glasigen Augen ins Leere, dann entfuhr ihm ein tiefer Rülpser, den er vergeblich versuchte, ein wenig einzudämmen. Sofort drehte er sich in Richtung Schlafzimmer, doch dort regte sich nichts. Das veranlasste Christopher zu einem heiseren Kichern. „Auf dich, du geiles Flittchen!“ Er prostete der Tür zu und trank einen weiteren Schluck. Als er die Flasche wieder absetzte, schwankte er bereits einmal leicht hin und her. Doch Christopher ignorierte das und schaute stattdessen an seinem Körper herab. Wieder prostete er. „Auf dich, du impotente Nudel!“ Er kicherte ein weiteres Mal und wieder setzte er zu einem kräftigen Zug aus der Flasche an. Als er sie absetzte, schwankte er erneut und dieses Mal brachte ihm das einen überraschten Ausdruck in sein Gesicht. Er hob die Flasche an und betrachtete sie. „Mann, das ist wirklich starkes Zeug!“ Mit einem seligen Lächeln drückte er die Flasche an sich.
Dann ging er zur Tür. Bevor er das Poolhaus verließ, schaute er nochmals zur Schlafzimmertür. „Die nehme ich mal mit, okay?“ Seine Stimme klang schwer und lallte ein wenig. „Ich schicke sie dir zurück, wenn sie leer ist!“ Dabei kicherte er und blieb einen Moment stocksteif stehen. Doch als sich noch immer nichts rührte, brummte er missmutig, drehte sich um und ging endgültig.
Draußen war alles ruhig. Im Haupthaus brannte kein Licht mehr. Lediglich eine schwache Außenleuchte sorgte für diffuse Lichtverhältnisse im Garten.
Trotz seines angeschlagenen Geistes konnte Christopher den Pool erkennen, weil sich das Wasser in ihm leicht spiegelte.
Um zur Straße zu gelangen, musste er an seiner Längsseite entlang gehen und dann am Ende nach links biegen. Während er das in leichten Schlangenlinien tat, leerte er die Whiskey-Flasche in zwei weiteren Zügen.
Als er beim dritten Ansetzen erkennen musste, dass es keinen Nachschub mehr geben würde, brummte er erneut mürrisch. Verärgert wollte er sie schon in den Pool werfen, doch er hielt plötzlich inne. Was zum Teufel sollte das? Er hatte keinen Grund, sich an irgendjemandem zu rächen. Das war doch Kinderkram und absolut unter seiner Würde. Er brummte nochmals und warf die Flasche achtlos auf das angrenzende Rasenstück.
Nein, so etwas hatte er nicht nötig – außerdem hatte er, mit dem deutlichen Druck, den er plötzlich in seiner Blase verspürte, etwas viel besser zu bieten.
Er schwankte an den Beckenrand, schaute sich kurz verstohlen um, dann öffnete er den Reißverschluss seiner Hose, verharrte nochmals einen Moment, doch als er nach wie vor nichts hörte, gab er dem immensen Druck einfach nach, genoss zufrieden stöhnend die Entleerung seiner Blase und lauschte dabei entspannt dem plätschernden Geräusch, das dabei entstand.
Zweimal schien es so, als wäre er am Ende angelangt, doch jedes Mal lief noch etwas nach. Dann endlich hatte er es geschafft. Mit einem leisen, heiseren Kichern schloss er den Reißverschluss wieder, dann drehte er sich um und wollte sich unbemerkt entfernen.
Mittlerweile aber hatte der Alkohol weiter in ihm gearbeitet und der an einer Stelle in der Ecke des Pools glitschige Beckenrand sorgte dafür, dass er mit seinem linken Bein wegrutschte.
Mit einem kurzen Aufschrei riss er beide Arme hoch, doch konnte er nicht verhindern, dass sein Bein in den Pool glitt. Nur einem ausgesprochenen Kraftakt war es zu verdanken, dass sein restlicher Körper nicht hinterher plumpste. Stöhnend und schwer atmend zog er sein völlig durchnässtes Bein zurück und kam wieder auf die Füße.
Als er sehen und auch spüren konnte, was er da angerichtet hatte, brummte er wieder verärgert auf.
Zu allem Überfluss aber glaubte er ein Geräusch aus dem Poolhaus vernommen zu haben und was er jetzt mehr als alles andere nicht wollte, war, dass Jasmin ihn hier so sehen konnte.
Also beschleunigte er seine Schritte und rannte in leichtem Trab in Richtung Straße, bis er sicher war, dass man ihn vom Pool aus nicht mehr sehen konnte.
Dann erst blieb er stehen und musste schwer nach Luft ringen.
Plötzlich spürte er, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten und gleich darauf bekam er einen erbärmlichen Weinkrampf.
Im ersten Moment konnte er gar nicht sagen, warum, doch genauso wenig konnte er sich dagegen wehren.
Der Tränenschauer schüttelte seinen Körper und sorgte letztlich sogar dafür, dass ihm die Beine wegknickten und er kraftlos auf die Knie fiel.
Gott im Himmel, was hatte er nur für ein verdammtes Scheißleben? Allein, Alkoholsüchtig, impotent! Dazu feige, unfair und selbstsüchtig.
Wie nur konnte aus dem Menschen, der er einst war, ein so erbärmliches Arschloch werden?
Doch diese Frage wusste er natürlich sofort zu beantworten, denn die Vergangenheit hatte ihre Spuren nur allzu deutlich in ihm hinterlassen.
Die Frage, die noch wichtig war, war die, wie lange es noch dauern würde, bis Gott ein Einsehen hatte und ihn endlich krepieren lassen würde?
Denn irgendwann wieder ein normales Leben zu führen, dazu fehlte es an einem elementaren Bestandteil: Silvia!
Читать дальше