1 ...7 8 9 11 12 13 ...46 Nein, das konnte und wollte er nicht – und das durfte er auch gar nicht. Schließlich gab es einen Christopher Jeremiah Freeman hier in Los Angeles gar nicht – aus verständlichen Gründen.
Ein gemeinsames Auftreten von ihm und Douglas hier würde sehr schnell viel zu viel von Dingen offenbaren, die besser nicht an die Oberfläche treten sollten.
Dennoch war Douglas auch klar, dass er Christopher und die junge Frau irgendwie in die Nähe des Hauses bringen musste. Offensichtlich hatte doch irgendjemand irgendetwas gesehen und die Polizei verständigt, sodass klar war, dass sein Freund hinter dem Einbrecher her war. Wenn beide aber verschollen blieben, würde es eine Fahndung nach ihnen geben und Christopher unweigerlich in den Verdacht geraten, er wäre ein Komplize des Einbrechers. Nein, auch das durfte nicht geschehen.
Christopher musste sich als der Mann präsentieren, der den Einbrecher aufgespürt, verfolgt und überwältigt hatte. Nur so kam er sauber aus der Sache raus und war frei für andere Dinge.
Doch wie zum Geier sollte Douglas das anstellen, wenn Christopher noch immer bewusstlos war?
Nachdem er das Geschehen vor dem Haus noch eine weitere Minute beobachtet hatte, wusste er, dass er nur eine kleine Chance hatte, es sauber durchzubringen.
Er startete den Motor des Mustangs wieder und rollte dann ganz langsam in Schrittgeschwindigkeit aus der Parklücke. Die Scheinwerfer ließ er ausgeschaltet. Dann gab Douglas nochmals etwas Gas, bevor er den Motor wieder ausschaltete. Der Wagen hatte jedoch noch genügend Schwung und rollte beinahe geräuschlos auf die Straßensperre zu.
Etwa fünf Meter davor bremste Douglas den Wagen wieder vollständig ab. Während er sich umblickte und zufrieden feststellen musste, dass noch niemand Notiz von ihm genommen hatte, öffnete er leise die Fahrertür. Indem er sich selbst aus dem Wageninneren schob, zog er Christopher hinter das Steuer. Dann schloss er die Fahrertür leise und huschte unbemerkt in die nächste Parklücke am Straßenrand.
Dort wartete er darauf, dass die Anwesenheit des Mustangs bemerkt werden würde, doch nichts geschah. Keiner nahm Notiz von ihm.
Douglas brummte verärgert und atmete einmal tief durch. Es half nichts, er musste etwas tun. Plötzlich fiel ihm auch etwas ein.
Schnell huschte er zurück zur Beifahrertür des Fords. Er spähte kurz darüber hinweg, doch noch immer schaute niemand aus der Menge in ihre Richtung. Also zögerte er keine weitere Sekunde. Er richtete sich blitzschnell auf, warf sich förmlich mit dem Oberkörper über die Türkante, streckte dabei seine linke Hand aus, bis er mit ihr Christophers Hinterkopf erreichen konnte. Dann drückte er einmal kräftig dagegen und gab ihm so den nötigen Schwung, damit er – samt Oberkörper - vornüber kippte.
Während sein Kopf dabei nach vorn auf seine Brust fiel, zuckte Douglas wieder zurück in den Schatten.
Einen Wimpernschlag später schlug Christophers Stirn auf das Lenkrad und löste dabei die Hupe aus. Da er noch immer ohnmächtig war, blieb er trotz des entstehenden Lärms, wo er war.
Douglas war zufrieden und huschte durch eine Parklücke zurück auf den Bürgersteig, wo er eine Wagenlänge weiter lief, bevor er über den Kofferraum eines zweiten Wagens zurückspähte.
Sofort konnte er sehen, dass er sich um die nötige Aufmerksamkeit seines Freundes jetzt keine Sorgen mehr zu machen brauchte.
*
Sergeant Francis Blossom mochte es, wenn ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit gehörte. Doch er hasste es, wenn er beim Genuss dieser Macht unterbrochen wurde.
Und dieses infernalische Hupgeräusch sorgte ganz sicher dafür, dass alle Umstehenden nicht mehr an seinen Lippen hingen, sondern sich irritiert umwandten.
Sofort spürte er, wie die Adern in seinem fetten und kurzen Hals anschwollen und ein Hitzeschauer über sein Gesicht zuckte. Mit einem mürrischen Brummen atmete er einmal tief durch und wuchtete seinen deutlich übergewichtigen Körper in die entsprechende Richtung. Doch er konnte nichts erkennen, nur noch immer diesen widerlichen Lärm hören.
„Platz da Leute...!“ rief er kurzatmig, während er sich durch die Menge schob. „Lasst mich sehen, was da vor sich geht!“ Eine Sekunde später konnte er das Terrain in Richtung Straße überblicken. „Was zum Teufel...?“ Er hatte zunächst Mühe, etwas zu erkennen, doch als er einen der Streifenpolizisten sah, der auf einen in zweiter Reihe parkenden, schäbigen, alten Ford Mustang zu rannte, war er sicher, dass der Lärm von dort kam. Während er also weiter darauf zu walzte, hatte der junge Officer Christopher erreicht.
Im ersten Moment sichtlich verunsichert, ob der Mann vor ihm noch lebte, stupste er ihn im nächsten dennoch an.
Als Reaktion erntete er ein tiefes, mürrisches Brummen, was ja immerhin darauf hindeutete, dass sein Gegenüber nicht tot war. Also rüttelte er ein zweites Mal.
Christopher drehte daraufhin seinen Kopf zur Seite und schaute ihn aus kleinen, glasigen Augen an. „Häh! Was? Was ist los?“
„Sie..ähm...!“ Der junge Officer war etwas irritiert.
„Und was zum Geier ist das hier für ein Lärm?“ brummte Christopher sofort gereizt mit schmerzverzerrtem Gesicht. Er spürte, wie sein Kopf hämmerte und eine aufsteigende Übelkeit.
„Ihr...Kopf!“ meinte der Officer nur und starrte Christopher mit großen Augen an.
Christopher schien im ersten Moment nicht zu verstehen, dann drehte er seinen Kopf wieder und als er das Lenkrad ganz dicht vor sich sah und merkwürdigerweise erst jetzt spürte, dass sein Schädel direkt darauf lag und dadurch die Hupe betätigte, erschrak er sichtlich und sein Oberkörper schnellte ruckartig in die Höhe, wo er kerzengerade, stocksteif und schwer atmend verharrte.
„Was zum Teufel ist hier los?“ Blossom hatte, gefolgt von allen anderen, den Mustang erreicht und polterte sofort los.
„Ich weiß nicht, Sir!“ erwiderte der Officer. „Dieser Mann...!“
„Was?“ rief Blossom sofort und starrte Christopher an. „Wer sind sie?“
Christopher war noch immer sichtlich verwirrt und versuchte sich selbst zu erklären, was geschehen war. Scheinbar konnte er das jedoch nicht in allen Einzelheiten. Er blickte daher mit großen Augen den Sergeant an. „Wer...ich bin?“
„Ja, verdammt!“ raunte Blossom.
„Das ist Peabody!“ rief plötzlich eine Männerstimme aus der Menge und eine Sekunde später hatte sich Thomas Fitch neben Blossom gedrängelt. Der windige Anwalt mit der Mafia-Connection war in einen feinen, teuren, dunkelgrauen Nadelstreifenanzug mit weißem Hemd und farbig perfekt abgestimmter Seidenkrawatte gekleidet. In seinem Gesicht war neben dem feinen, gestutzten Schnauzbart und jeder Menge sauteurer Gesichtspflege deutliche Nervosität erkennbar.
Neben ihm tauchte eine sicherlich einmal sehr hübsche, aber jetzt viel zu schrill aufgetakelte und damit fast unansehnliche Frau in seinem Alter auf und schaute mit großen Augen auf den Mustang und Christopher.
Daneben wiederum schob sich eine weitaus jüngere Frau in den Vordergrund. Sie mochte vielleicht Mitte Zwanzig sein und trug ein sündhaft teures, aber durchaus ansprechendes, sehr figurbetontes, rotes Abendkleid. Ihr schlanker, durchtrainierter Körper mit festen Formen, aber nur kleinen Brüsten, die in keinem BH steckten, zeichneten sich wirklich sehr deutlich unter dem dünnen, exklusiven Stoff ab. Ihre hellblonde, schulterlange Haarpracht war frisiert worden, dazu passte ein sinnlich, verführerisches Make-up. Auch diese junge Frau blickte direkt auf Christopher, doch war in ihrem Blick neben Vorwürfen und Ablehnung auch Neugier und Irritation zu erkennen.
Als Christopher sie wie durch einen Schleier wahrnahm, hatte er ein deutliches Deja-vu, das ihm die verdammten Ohren nur so klingelten und brummten.
„Wer?“ Blossom drehte sich zu Fitch und starrte ihn fragend an.
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