Ernst von Wegen
Maiglöckchen-Blues
Vom Duft der kleinen, weiten Welt
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Inhaltsverzeichnis
Titel Ernst von Wegen Maiglöckchen-Blues Vom Duft der kleinen, weiten Welt Dieses ebook wurde erstellt bei
Maiglöckchen-Blues Maiglöckchen-Blues Ernst von Wegen Roman Anmerkung des Autors Die Handlung und sämtliche Personen sind ebenso frei erfunden wie alle gewerblichen und öffentlichen Institutionen. Manche von ihnen sind jedoch angelehnt an reale Wesen oder Einrichtungen. Diese sind so nah am Original, dass sie erkennbar bleiben, doch so weit verfremdet, dass sie als fiktiv gelten müssen. Die Figuren sind mit Namen ausgestattet, wie sie im Weserbergland häufig zu finden sind. Deshalb sind Ähnlichkeiten unvermeidlich, aber nicht beabsichtigt.
I I Proömium Holzminden ist nicht Berlin. Holzminden ist eine Kleinstadt, die im beschaulichen Weserbergland ums nackte Überleben kämpft. In diesem Sinne ist sie Berlins kleine Schwester vom Lande. In diesem Sinne ist Holzminden auch die kleine Schwester Gelsenkirchens, Athens oder Kairos. Weltweit kämpfen kleine und große Städte ums nackte Überleben. Schiere Größe schützt nicht mehr. Provinz gibt es auch nicht mehr. Das Stadt-Land-Gefälle von Technik, Bildung und Kultur ist im Zeitalter des Internets eingeebnet. Die großen und die kleinen Städte der Welt kämpfen alle in derselben Arena des Global Village, jede auf ihre Art, jede mit ihren Möglichkeiten. Und in ihnen kämpfen die Menschen täglich um ihren Platz in der Stadt, um ihren Platz im Leben. Holzminden ist Kairo, ist Gelsenkirchen, ist Athen, ist Berlin.
I - 1
I - 2
I - 3
I - 4
I - 5
I - 6
II
II - 1
II - 2
II - 3
II - 4
II - 5
II - 6
III
III - 1
III - 2
III - 3
III - 4
III - 5
III - 6
III - 7
IV
IV - 1
IV - 2
IV - 3
IV - 4
IV - 5
IV - 6
V
Impressum neobooks
Ernst von Wegen
Roman
Anmerkung des Autors
Die Handlung und sämtliche Personen sind ebenso frei erfunden wie alle gewerblichen und öffentlichen Institutionen. Manche von ihnen sind jedoch angelehnt an reale Wesen oder Einrichtungen. Diese sind so nah am Original, dass sie erkennbar bleiben, doch so weit verfremdet, dass sie als fiktiv gelten müssen.
Die Figuren sind mit Namen ausgestattet, wie sie im Weserbergland häufig zu finden sind. Deshalb sind Ähnlichkeiten unvermeidlich, aber nicht beabsichtigt.
Proömium
Holzminden ist nicht Berlin. Holzminden ist eine Kleinstadt, die im beschaulichen Weserbergland ums nackte Überleben kämpft. In diesem Sinne ist sie Berlins kleine Schwester vom Lande.
In diesem Sinne ist Holzminden auch die kleine Schwester Gelsenkirchens, Athens oder Kairos. Weltweit kämpfen kleine und große Städte ums nackte Überleben. Schiere Größe schützt nicht mehr. Provinz gibt es auch nicht mehr. Das Stadt-Land-Gefälle von Technik, Bildung und Kultur ist im Zeitalter des Internets eingeebnet. Die großen und die kleinen Städte der Welt kämpfen alle in derselben Arena des Global Village, jede auf ihre Art, jede mit ihren Möglichkeiten. Und in ihnen kämpfen die Menschen täglich um ihren Platz in der Stadt, um ihren Platz im Leben. Holzminden ist Kairo, ist Gelsenkirchen, ist Athen, ist Berlin.
Der schwere Duft von Maiglöckchen zog durch die kleine Stadt, die in ihrem gewohnt unruhigen Schlaf lag. Es schien, als wolle sie kurz ihre plattgelegenen Glieder strecken, als wolle sie einen dickflüssigen Traum abschütteln, sich auf die andere Seite drehen, um gleich darauf wehrlos im Morast des nächsten zähen Traumes zu versinken.
Wie erfrischend war es, durch diese träge, duftschwangere Kühle zu gehen!
Allein die Zeit schien es eilig zu haben, mit sanftem Druck trieb sie das hauchzarte Morgenlicht durch die Gassen der schlafenden Stadt. Und wäre Odos Vorhaben nicht an die Zeit gebunden gewesen, hätte er sich gerne noch eine Weile untätig dieser honigzähen Kleinstadtruhe hingegeben. Wollte er aber seinen Schuss heute machen, musste er sich beeilen, morgen schon sollte das Wetter ganz anders sein.
Kupferne Schlangen spien die immergleiche, abgestandene Brühe in den buntsandsteinernen Marktbrunnen, das Glucksen und Plätschern des Wassers täuschte Frische vor. Am Fuße des Brunnens hingen einige übernächtigte Jugendliche herum wie sterbende Schmetterlinge, jedoch stolz auf ihre erste durchzechte Nacht - auf einem Tanz in den Mai? In einer Disco? In einem verruchten Partykeller, wer weiß? Hin und wieder zuckte Leben durch die erschöpften Körper. Der Lebendigste unter den Nachtfaltern dirigierte zum gemeinsamen Aufbäumen gegen die Schwerkraft des Schlafes. Er stellte sich in Rapper-Manier hin, spreizte die Finger und gab mit Zischlauten einen Groove vor. Einer nahm den Faden auf und stimmte den Megahit des Jahres an. Andere folgten ihm, doch ihre müden Zungen konnten dem Tempo nicht folgen: was als frecher Hip-Hop starten wollte, erstarb kläglich nach nur wenigen Zeilen.
Das offene Fenster über dem Weser Landcafé füllte eine robuste Frau, auf ihre massigen Unterarme gestützt. Missmutig verfolgte sie das Geschehen. Noch in den Ausklang des absterbenden Hip-Hops rief sie mit schneidender Stimme:
- Ist nun endlich Ruhe, oder muss ich die Polizei rufen?
Die jungen Leute winkten müde ab:
- Ist gut, Oma Eilers, wir sind gleich weg!
Die Alte schloss das Fenster und zog sich in die Hoffnung auf ein wenig Restschlaf zurück.
- Hey Odo, komm und trink einen mit uns, rief einer der Übernächtigten und pendelte eine halbleere Bierflasche zwischen Daumen und Zeigefinger. Seine brüchige Stimme rebellierte gegen die Müdigkeit, er kämpfte um sein schwindendes bacchantisches Hochgefühl und suchte nach einem würdigen Abschluss einer historischen Nacht; denn so viel war klar: diese noch nicht ganz vergangene Nacht war eine dieser Weißt-Du-Noch-Nächte von denen man sich ein Leben lang erzählt.
‚Wer erkennt mich denn da‘, fragte sich Odo Blume, ‚wo nicht einmal Pina mich wiedererkannt hat? Als ich von hier wegging, waren diese Kinder noch gar nicht geboren‘.
- Wer bist du? Woher kennst du mich?
- Ich bin Jan-Torben. Du bist mit meinem Alten zur Schule gegangen...
Der Junge hielt kurz inne. Nüchtern hätte er den Mann niemals mit dem vertrauten Du angesprochen. Doch der Alkohol und die durchwachte Nacht hoben ihn hoch zu den Erwachsenen. Odo verzog fragend das Gesicht.
- Jo Sagebiel, er hat viel von dir erzählt. Spricht sich eben rum, dass du wieder im Lande bist. Komm, lass uns einen trinken.
Joachim Sagebiels Sohn? Kurz erschreckte ihn der Gedanke, er könnte selbst schon erwachsene Kinder haben. Ohne eigene Kinder verharrt ja ein Teil von uns in permanenter Jugend. Die Physik zieht den Körper ins Alter, die Kinder schieben den Geist hinterher. Oder die Seele. Irgendwas jedenfalls scheint ohne eigene Kinder zurückzubleiben. Aus dem Gesicht dieses Milchbarts grüßte dunkel die Vergangenheit. Blanker Stahl durchbohrte Odos Brust: Schultern hochziehen, Wirbelsäule strecken, langsam und unauffällig einatmen, Luft kurz anhalten, langsam wieder ausatmen! So ließ gewöhnlich der stechende Schmerz bald wieder nach.
- Ein andermal gern sagte Odo knapp, der Nebel wartet nicht!
Der Milchbart stutzte:
- Hä? Wie meinst‘n das?
Odo hob seine Fototasche:
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