Deismusfindet bis heute weite Verbreitung, oft sind deren Anhänger sich dessen nicht klar bewusst, weil sie sich durchaus als Gottgläubige empfinden, aber an das praktische Eingreifen Gottes in ihr eigenes Leben oder das anderer nicht recht glauben mögen. Recht häufig, von der Antike an, gibt es den sogenannten
Pantheismus.Pantheisten pflegen eine Weltanschauung, in der sich Gott oder Götter ganz allgemein in der uns umgebenden Natur verkörpern. Diesen Pantheismus, wie wir noch sehen werden, kann es mit Gott und auch ohne einen solchen geben. Jedenfalls ist in dieser Geistesrichtung ein persönlicher Gott, der ein moralisch gutes Leben belohnt und ein weniger gutes bestraft, nicht vorgesehen. Unter dem Begriff
Theismusschließlich werden all jene Anschauungen zusammengefasst, in denen der Glaube an einen Gott oder mehrere Götter grundlegend ist, wie immer auch diese beschaffen sein mögen.
Wie und wann und wo fingen Religion und ihr Gegenpol Atheismus überhaupt an? Diese Anfänge liegen im Dunkel der Geschichte, in prähistorischer Zeit. Zwar versuchen Archäologen immer wieder, urgeschichtliche Monumente wie Stonehenge in England oder Göbeklitepe in der Türkei, um nur zwei Beispiele zu nennen, als religiös motiviert zu deuten, aber eindeutige Überlieferungen religiöser Art sind erst durch Kulturen möglich, die über eine Schrift verfügten und diese so fixieren konnten, dass sie bis in unsere Tage erhalten blieb. Soziologen und Ethnologen wie auch natürlich Philosophen versuchten und versuchen immer noch, in das Dunkel der Vorgeschichte vorzudringen, indem sie beispielsweise noch existierende sog. Naturvölker und ihre Verhaltensweisen studieren. Doch ist dieser Schluss von heute lebenden Naturvölkern auf die Völker der Vorgeschichte eine grundsätzlich fragwürdige Methode. Es wundert daher nicht, dass verschiedene Forscher zu ganz widersprüchlichen Aussagen kommen. Meint der eine, wie z. B. John Lubbock vor über 100 Jahren, der sich mit primitiven Volksstämmen in Australien und Feuerland und auch anderswo beschäftigte und herausfand, wie er meinte, dass es völlig atheistische Völker gebe oder gegeben habe. Er war der Meinung, die frühe Menschheit sei atheistisch gewesen, das heißt, sie habe keine Idee irgendeiner göttlichen Welt gehabt. Andere Forscher des ausgehenden 19. Jahrhunderts widersprachen dem jedoch und glaubten, bei sogenannten primitiven Völkern religiöse Gefühle und gar einen Urmonotheismus gefunden zu haben. Wieder andere fanden bei einigen afrikanischen Völkern, z. B. den Pygmäen und den Bantus, eine Art Deismus, sie glauben an ein höchstes, allmächtiges Wesen, dem häufig kein Kult gewidmet ist, denn dieser Gott sei unerreichbar und kümmere sich nicht um die Menschen. 1
Aus dem alten Indien gibt es erstmals Dokumente, aus denen hervorgeht, dass es in Indien etwa 2000 Jahre früher als in Griechenland Atheisten gegeben hat. Selbst der Dictionaire théologie catholique räumt dies ein. 2Wir halten fest: Schon in uralten Zeiten gab es nicht nur Religion, sondern auch deren Gegenpol, den Atheismus. Vermutlich entstanden beide gleichzeitig.
China bietet dann ein erstes Beispiel für die Vielfalt atheistischer Haltungen. Zu nennen sind da der späte Taoismus ebenso wie der Mystizismus von Laotse und der Buddhismus sowie insbesondere die zentrale Religion des traditionellen Konfuzianismus, der ein wahres Kaleidoskop atheistisch-religiöser Facetten darstellt, wie der Buddhismus eine Art Religion ohne Gott. Auch im antiken Persien ist unter dem Namen Zervanismus eine atheistische Strömung zu finden, mit Zervan als höchstem unpersönlichem Prinzip, einer Spekulation über die unendliche Zeit. Diese Strömung wurde vom Parsismus verurteilt und als gottlos verfolgt. Im alten Ägypten und Babylonien finden sich keine Spuren von Atheismus, was aber nicht heißen muss, dass es keine Atheisten gab, Menschen eben, die keinen Kult, keine Riten, keine Tempel und keine liturgischen oder dogmatischen Texte besaßen. 3Auffallend ist aber der Versuch des Pharaos Echnaton gegen Ende des 2. Jahrtausends v. u. Z., mit der alleinigen Verehrung der Sonne als Gott einen Monotheismus einzuführen. Hermann Ley deutet diesen gegen die herrschende Priesterschaft gerichteten religiösen Umsturz als großen Schritt quasi in Richtung Atheismus, zumindest als aufklärerischen Versuch. Aber schon Echnatons Nachfolger Tutanchamon kehrte zu den früheren Verhältnissen zurück, vermutlich unter dem Druck der mächtigen Priesterschaft. 4
Auch unter den alten Hebräern gab es Zweifler und Gottesleugner. Aus verschiedenen Passagen des Alten Testaments lässt sich indirekt auf die Existenz von Ungläubigen schließen. Gleich mehrfach wird da mit den Gottlosen gehadert, die die Existenz Gottes leugnen: Zum Beispiel in Psalm 10,4 heißt es ganz klar:
Überheblich sagt der Frevler: Gott straft nicht. Es gibt keinen Gott. So ist sein ganzes Denken.
Oder Psalm 14,1: Die Toren sagen in ihrem Herzen: Es gibt keinen Gott.
Und Jeremia erklärt: Sie haben den Herrn verleugnet und gesagt: Er ist ein Nichts.
Auch in den Büchern Sirach, Hiob und Kohelet finden sich äußerst skeptische Passagen. Gläubige Exegeten freilich neigen dazu, solch klare Aussagen abzuschwächen oder gar zu entstellen.
Griechisch-römische Antike
Wenn wir über Atheismus und verwandte Denkströmungen in der griechischen Antike sprechen, haben wir heutigen Menschen ein gewisses Problem, denn wir verstehen unter Religion und religiösem Verhalten, unter Glauben eine Haltung, die immer die Idee der Transparenz einschließt, also die Vorstellung, dass es etwas Wichtiges und unser Leben Bestimmendes gibt, das über die irdische Welt hinausgreift. Das ist bei den alten Griechen anders, ihnen widerstrebt diese Vorstellung einer Transzendenz. Für sie ist die letzte Realität die Natur, und nicht nur der Mensch ist ein Teil von ihr, sondern auch die Götter sind es, sie befinden sich in der Welt. Sie sind ewig, immerhin, besitzen aber eine körperliche Gestalt, sie greifen aktiv in das menschliche Leben ein, sie reden zu den Menschen, wenn auch in Orakeln, und lassen sich durch gewisse Praktiken, meist magischer Art, erreichen und auch erweichen. Man kann zusammenfassend sagen, dass die traditionelle griechische Religion einem naturalistischen Pantheismus nahe kommt, der in großem Umfang auf Mythen gegründet ist. Auf Mythen, deren Trivialität zu der Frage herausfordert, ob die Menschen im alltäglichen Leben an diese Geschichten wirklich glaubten. Man pflegte wohl eine Kultur, in der nicht nach den Begriffen von wahr und falsch gedacht wurde. Jedenfalls nicht auf religiösem Gebiet.
Anzeichen von Atheismus und auch Materialismus sind schon früh zu erkennen, beispielsweise bei dem Philosophen Anaximandros(ca. 610 – ca. 547 v. u. Z.) aus Milet im 7. Jahrhundert v. u.Z., der Ursache und Entstehung der Welt ganz und gar aus der Materie erklärt, dem aperion. Empedoklesaus Agrigent (ca. 495 – ca. 435 v. u. Z.) stellt sich eine Welt vor, in der nichts verloren geht, nichts erschaffen wird und doch auch alles sich verändert. Zeus, Hera, Nestis, Aidoneus sind für ihn lediglich mythische Personifizierungen der vier Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde. Anaximenes(ca. 585 – ca. 526 v. u. Z.) hält sich dagegen nur an ein Urelement, die Luft, während Anaxagorasden Ursprung von allem im Chaos sieht. Man stellt fest, diese Vorstellungen sind als krass materialistisch einzuschätzen. Auch Xenophanesaus Kolon (ca. 570 – ca. 470 v. u. Z.) setzt Gott und die Welt gleich, es handelt sich also um einen immanenten Gott, der sich in nichts von der Materie unterscheidet. Die volkstümliche Gläubigkeit verachtet er eher und verurteilt alle Spekulationen, wenn er sagt:
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