Muhtesin Erbas
Eine kurze Geschichte über die kleine Schreibtischlampe
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Inhaltsverzeichnis
Titel Muhtesin Erbas Eine kurze Geschichte über die kleine Schreibtischlampe Dieses ebook wurde erstellt bei
Ich erinnere mich an ein langes Schweigen…
Die Stimme aus der Stille…
Und es wurde Licht
Über den Dingen
Warum…?
Irgendwo im Nirgendwo…
Hoffnung…
Impressum neobooks
Ich erinnere mich an ein langes Schweigen…
Ja, es war in der Tat ein ungewöhnlich langes Schweigen. Nicht, dass dieses Schweigen mir neu gewesen wäre. Diesmal jedoch fühlte es sich an, als ob das Schweigen die Stille durchdrang und darin nur noch die Ungeduld der Neugier sich fühlbar ausbreitete. Die Zeit verlor dabei ihre tickende Bedeutung und somit für eine Weile sogar sich selbst. Bis mich die tiefen dunklen Augen in den Bann zogen. Erstaunt fragte ich mich damals: “Wie ist es nur möglich, so durchdringend und tief jemandem in die Augen zu schauen?“ Deutlich sehe ich noch das furchig weiche Gesicht vor mir. Gerne verbarg er sein schelmisch- verschmitztes Lächeln hinter seinem silbrig dichten Bart. Doch diesmal lächelten, die in die Jahre gekommenen alten Lippen, nur Liebe. Für mich war das Ausmaß dieser einen Frage gar nicht klar gewesen. Jedoch dieser angenehm warme Sommerabend, auf der kleinen behüteten Holzveranda des alten Mannes, sollte meine Sichtweise für das Leben und den Menschen maßgeblich verändert haben. Vertraut, geborgen und einfach friedlich , von der Ruhe im glücklichen Herzen getragen, lag ich in den Armen und dem Schoße des alten Mannes. Stets schaukelte er genüsslich und zufrieden in seinem hellen Bambus- Schaukelstuhl, immer im gleichen Takt auf… und ab, auf… und ab. Dabei störte Ihn scheinbar das leichte Gejammer des Schaukelstuhls unter unserem Gewicht, kein bisschen. Nach meiner Frage jedoch wippte der Stuhl sich aus und blieb stehen. Die Bambusrohre des Stuhls hielten Still und unterließen das Klagen über die Last. Sie gaben keinen Ton mehr von sich und fast unbemerkt setzte das wehen des Windes ebenfalls aus. Die satt grünen Blätter der Bäume rings um die Veranda verstummten und öffneten stattdessen ihre Lauscher. Mir war, als ob wir alle, die Bäume mit ihren Ästen und Blätter, die dichten Sträucher um den Garten herum, ja selbst die Steine um den kleinen Teich vor der Veranda, waren gespannt auf die Antwort…, auf seine Antwort. Er indessen schaute, schweigend weit in die Ferne seiner vergangenen Tage. Nach langem Suchen im längst vergessenem, neigte er leicht sein Gesicht zur linken und sah mich wieder an… lächelte… und versank in meinen Augen… Nun fand ich aber, dass die Stille und das Schweigen genug Geduld gefordert hatten. So stellte ich dem alten Mann erneut die Frage. Ich musste Ihn dabei ansehen. Es war ohnehin gar unmöglich in seiner Anwesenheit, die Aufmerksamkeit der Blicke nicht nach Ihm zu richten. So wundervoll sah er die Menschen an. Vollkommen glücklich und zufrieden, mit sich selbst in Frieden. Ich strich Ihm sanft über seinen weichen Bart und fragte erneut…
„Opi… wenn du nochmal jung wärst… würdest du dann etwas anders machen?“
Er begann wieder im selben Takt genüsslich auf und ab zu wippen. Der dunkle, ebenfalls in die Jahre gekommene Holzboden, klagte knirschend im Duett mit dem Schaukelstuhl. Langsam zog er mir die kuschelige Wolldecke zurecht und sprach mit seiner sanftmütig tiefen Stimme …
„Ja …, es gibt etwas, das ich anders gemacht hätte… „
Der alte Mann. Mein Opa. Dieser glückliche und zufriedene Mensch hatte es geschafft in Frieden mit sich selbst zu sein. Was würde so ein Mensch schon ändern wollen? Ich war gespannt wie ein Bogen bis auf Anschlag.
„Viel eher hätte ich damit begonnen, den Menschen wirklich in die Augen zu sehen…“
„Wie meinst du das?“
„Einen Menschen zu sehen ist nicht das Gleiche, wie in den Menschen zu sehen. Eine Einsicht zu erlangen….“
„Hm… Versteh ich nicht Opi….“
„Kennst du die Geschichte der kleinen Schreibtischlampe?“
„Nööö….“
„Dann hör aufmerksam zu!“
Neugierig machte ich es mir auf seinem Schoße bequem. Opi zupfte noch hier und da die Decke zu recht, wippte anschließend weiterhin genüsslich auf seinem schweren Schaukelstuhl weiter und fing mit seiner ruhig tiefen Stimme an zu erzählen:
„Vor nicht allzu langer Zeit begann für Mija …“ und schon unterbrach ich Ihn. „Opi! Das bin doch ich!“ gab ich freudig erregt von mir. Ich sah es genau, er lächelte wieder so leicht verschmitzt hinter seinem Bart und nach einem unmissverständlich nickendem „Mhm“ fing er erneut an:
„Vor nicht allzu langer Zeit begann für Mija ein neuer Abschnitt in ihrem Leben. Die Aufregung war sehr groß. Oft lag sie lange im Bett und konnte kein Auge zudrücken. Immer und immer wieder stellte sie sich vor, wie abenteuerlich denn die Reise durch die Schuljahre sein wird. Mija merkte auch, dass Mama und Papa genauso aufgeregt waren obwohl es für sie nicht das erste Mal war. Ihr Bruder wurde schon zwei Jahre zuvor eingeschult. Damals hatte Mija alles ganz genau mitverfolgt. Lange hatte sie sich danach gesehnt auch in die Schule gehen zu dürfen. Irgendwie verflog dann die Zeit in Windeseile davon und sie bekam als bald ihre erste offizielle Post von der Schule. Natürlich konnte Mija noch nicht richtig lesen, so las Mama ihr die Post vor. Große und kleine, karierte und linierte Hefte, mit und ohne Ränder, dazu bunte Umschläge. Ebenso Stifte in allen Farben, ein Federmäppchen ihrer Wahl und noch vieles mehr mussten Sie besorgen. Am allermeisten freute sie sich über die Schultasche. Schon am gleichen Tag packte sie all ihre bunten Hefte, ihr Federmäppchen und sogar ihren kleinen Stoffhasen Nickl, in die neue Schultasche. Den ganzen Tag spielte sie den Schulunterricht durch. Mal war sie die Lehrerin, die dem kleinen Nickl mit den braunen Knopfäuglein, das Lesen beibrachte. Mal durfte Nickl den Lehrer mimen. Dabei verstand sie es gar nicht, wie ihr Bruder sich manchmal weigern konnte, die Hausaufgaben machen zu wollen. Spät Nachmittag kam Papa aus der Arbeit und versprach Mija, nach dem Essen ihr einen eigenen Schreibtisch zu kaufen. Mija wusste ganz genau welcher Schreibtisch es sein musste. Aus einem Katalog hatte sie sich schon einen ausgesucht und unzählige Male durfte sich Papa das Bild ansehen, damit er es auch ja nicht vergessen würde welcher es sein sollte. Auf diesem Bild war sowohl ein Schreibtischstuhl mit einem, ganz breit lachendem Mickey Maus Gesicht an der Rückenlehne, als auch, eine kleine unscheinbare Schreibtischlampe in Pink, abgebildet. Mija ging es nicht schnell genug, bis Papa sich satt gegessen hatte. Endlich war sein Teller fertig gegessen, da wollte er gleich nochmal Nachschlag! Irgendwie fand Mija, dass Erwachsene eh zu viel essen, vor allem Papa. Als er dann endlich im Bad war um seine Hände zu waschen, stand Mija schon zappelig fix und fertig angezogen vor der Haustür. Nach langem Geduldsspiel saßen beide im Auto und fuhren quer durch die Stadt ins Kaufhaus. Mija fand auf Anhieb ihr Schreibtisch. Er war aus hellem Naturholz, mit zwei grünen Schubläden an der linken Seite. Auf dem Tisch waren praktische Leisten in Rot angebracht. „Die sind gut, damit du beim Schreiben nicht rutscht“ sagte Papa. Am liebsten hätte Mija den Tisch gleich so mitgenommen aber sie wusste, dass man es dem Verkäufer sagen muss, damit er den Tisch aus dem Lager holt. Während dessen sah Sie sich nach dem Schreibtischstuhl und der Schreibtischlampe um. Von dem grinsenden Mickey Maus Stuhl gab es eine Menge aber diese bestimmte Lampe in pink gab es nicht! Lange suchten sie zusammen nach der Lampe und fanden welche in silbernen Farben, in grau, in blau und sogar in Rot. Doch in pink gab es sie nicht. Obwohl Papa versuchte Mija umzustimmen eine rote Lampe zu nehmen, war das Gesamtbild in ihrer Vorstellung schon gefestigt. Es musste die Lampe in pink sein.
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