- Die Schwerpunkte seiner Praxismanagement-Ausrichtung liegen in den Aktionsbereichen "Patientenmanagement" und "Zusammenarbeit". Eine Adhärenz-basierte Patientenbetreuung und eine positive Kooperation mit seinen Medizinischen Fachangestellten sind ihm wichtig. Dennoch ist die Zufriedenheit beider Gruppen, gemessen auf einer Schulnotenskala, nur gering: die Patienten-Durchschnittsnote liegt bei 3,4, der Mitarbeiterinnen-Wert bei 4,1. Die Weiterempfehlungsbereitschaft des Patienten-Klientels ist mit einem Wert von 38,7% (Maximum: 100%) ebenfalls schlecht.
- Verantwortlich hierfür ist die geringe Strukturierung der Praxisorganisation, die in der Konsequenz zu überlangen Wartezeiten und vielen Pannen, z. B. im Wartezimmer vergessene Patienten oder verlegte Unterlagen, führt. Das Personal erhält zwar eine stets freundliche Ansprache, es fehlt aber an Aufgabenzuordnungen und -Koordination. Praxisbesprechungen finden nicht statt, ebenso keine Mitarbeitergespräche.
- Der Arzt empfindet sich selbst als durchschnittlich gut organisiert, seine Mitarbeiterinnen sehen das jedoch vollkommen anders, da er keinem Arbeitsplan folgt, sondern aktionistisch auf akut Anfallendes reagiert.
- Das Marketing beschränkt sich auf das Angebot einer in schlechter Qualität kopierten Praxisbroschüre, einen Kaffeeautomaten vor dem Wartezimmer und auf eine Internet-Visitenkarte. Das Mobiliar der Praxis ist überaltert, die Räume renovierungsbedürftig.
- Planung und Finanzmanagement werden dem Steuerberater überlassen, ein Kostenmanagement existiert nicht.
So wie Dr. P. erkennen viele Ärzte aus dem eigenen Blickwinkel kaum die Probleme bzw. Chancen ihrer Betriebe und verzichten damit auf eine produktive und patientenorientierte Praxisführung.
1.13 Die Kontroll-Freaks: Das rätselhafte Verhalten von niedergelassenen Ärzten
Best Practice: Keine Angst vor Kontrollverlust!
Warum sind Ärzte so zurückhaltend, wenn es um die Realisierung von Marketing-Maßnahmen geht? Warum ändern sie ihre Abläufe und Routinen häufig selbst dann nicht, wenn die Notwendigkeit täglich spürbar ist? Warum steuern Ärzte nicht gegen, wenn in Praxisanalysen gravierende Defizite identifiziert wurden? Und warum leiden Medizinische Fachangestellte so häufig unter fehlender Anerkennung und Motivation? Der Fragenkatalog ließe sich beliebig fortsetzen, die Antwort ist - wie Arzt-Interviews zeigen - einfach und erstaunlich zugleich: weil sie Angst vor einem Kontrollverlust haben.
Beispiel „Delegation“: Eine besonders ausgeprägte Grundhaltung unter Medizinern ist die Überzeugung, nur selbst alle Arbeiten qualitativ hochwertig und alle Entscheidungen richtig treffen zu können. Eine Delegation von Aufgaben kommt für sie deshalb gar nicht in Frage oder nur in Form der Scheindelegation, denn andernfalls wäre für sie die Qualität der Ausführung nicht mehr gesichert.
Beispiel „Organisation“ und „Marketing“: In diesen Aktionsbereichen des Praxismanagements fehlt es vielen Ärzten an Grundwissen. Dadurch sind die Konsequenzen entsprechender Aktivitäten für sie unkalkulierbar und die Passivität erscheint als sichere Alternative.
Beispiel „Mitarbeiterführung“ und „Adhärenz“: In diesen Aktionsfeldern dominiert die Angst vor einem möglichen Autoritätsverlust durch Begegnung und Kommunikation mit Personal und Patienten „auf Augenhöhe“.
Innovations- und Veränderungsunwilligkeit entstehen folglich aus einer weitgehend durch Unsicherheit und Unwissen geprägten Handlungsblockade. Die Betriebswirtschaft kann bei der Beseitigung nur teilweise helfen, aber ärztliche Vereinigungen und Interessenverbände hätten die Möglichkeit, umfassend „therapeutisch" und damit innovationsfördernd einzugreifen. Einen Versuch wäre es wert.
1.14 Unternehmensberatung für Arztpraxen: In fünf Schritten zum richtigen Berater
Best Practice: Bei entsprechendem Bedarf Berater systematisch auswählen!
Der gegenwärtige Beratermarkt ist aus Arztsicht höchst intransparent. Fünf einfache Schritten ermöglichen jedoch eine Orientierung:
Schritt 1: Zielsetzung: Zunächst benötigt der Arzt selbst eine klare Vorstellung darüber, was mit einer Praxisberatung erreicht werden (Hauptziel) und welche Aufgabe der Berater dabei übernehmen soll (Tätigkeitsziel). Je spezifischer diese Dinge formuliert werden, desto konkreter werden die Angebote der Berater ausfallen. Ebenso sollte der Praxisinhaber im Vorfeld eine ungefähre Vorstellung darüber entwickeln, wie viel die Beratung ihm wert ist, d.h. welchen Geldbetrag er maximal ausgeben möchte und bis wann die Beratung abgeschlossen sein sollte.
Schritt 2: Erste Vorauswahl: Eine Hilfestellung zum Auffinden geeigneter Berater sind vor allem Empfehlungen von Kollegen und Interessenvertretungen. Es sollte unbedingt bei mehreren, am besten bei drei Beratungsunternehmen angefragt werden. Da Praxisberatung ein sehr spezifisches, sich ständig wandelndes Knowhow verlangt, kommen nur solche Unternehmen in Frage, die schwerpunktmäßig Arztpraxen beraten, d.h. der Anteil dieser Projekte muss mindestens 70% ihrer Gesamttätigkeit ausmachen. Zudem sollte nach Referenzprojekten gefragt werden, die der in Schritt 1 definierten Zielsetzung entsprechen.
Auch Pharma-Referenten bieten in zunehmenden Umfang Praxisberatungen an, z. T. sind ihre Beratungen sogar besser als die ihrer Berater-Kollegen, weil sie aufgrund ihres Wissens deutlich mehr Werte für ihre Kunden schaffen.
Schritt 3: Das persönliche Vorgespräch: Man sollte sich von den in die engere Wahl kommenden Unternehmen denjenigen Mitarbeiter benennen lassen, der die Beratung in Ihrer Praxis durchführen würde und mit ihm ein persönliches Vorgespräch führen. Dabei ist u.a. zu prüfen:
- Stimmt die „menschliche Chemie“, d.h. kann man sich vorstellen, mit diesem Berater zusammenzuarbeiten? Wird er auch mit den Mitarbeitern zurechtkommen?
- Ist das Gespräch ein Dialog oder führt der Berater Monologe?
- Versteht er etwas von seinem „Handwerk“, d.h. werden die Fragen des Arztes kompetent beantwortet?
- Ist der Berater eher theoretisch (Anwendung von Modellen, Prinzipien) oder praktisch
ausgerichtet?
Schritt 4: Das Angebot: Das Angebot sollte folgende Punkte umfassen (Minimalanforderung):
- Definition der Zielsetzung
- Auflistung der Arbeiten, die zur Zielerreichung notwendig sind, einschließlich sog. „Checkpoints“, Zeitpunkte im Projektablauf, zu denen Berater und Arzt den Projektfortschritt gemeinsam kontrollieren
- Durchführung einer Beratungs-Abschlussanalyse
- die Vorgabe eines zeitlichen Ablaufs
- eine detaillierte Kostenaufstellung.
Darüber hinaus sollte das Angebot Zahlungsweise und Rücktrittsrechte definieren. Achtung bei Erfolgshonoraren: diese sind nur akzeptabel, wenn die Erfolgskriterien eindeutig definierbar sind. Angebote mit Vorauszahlungen sollten nicht akzeptiert werden.
Schritt 5: Die Beraterauswahl: Zum Schluss werden die Angebote im Hinblick auf Kosten, Leistungen und unter dem Aspekt der persönlich gewonnenen Eindrücke verglichen. Aufgrund der Preis-Leistungs-Transparenz, die der Arzt nun besitzt, kann er „nachverhandeln“. Setzt man am Preis als Verhandlungsparameter an, lassen sich erfahrungsgemäß Kostensenkungen bis zu 30% erzielen. Ebenso kann man bei gleichbleibendem Preis den Leistungsumfang erhöhen.
1.15 Adhärenz-zentriertes Praxismanagement (AZP) - Die Brücke zwischen therapeutischem und wirtschaftlichem Erfolg / Systematisches Adhärenz
Best Practice: Patienten-Empowerment ist eine Chance!
Bislang ist die Beantwortung der Frage, mit welchem Praxismanagement-Prinzip der größten Erfolg erzielbar ist, zwischen zwei Eckpunkten angesiedelt: auf der einen Seite steht die unbedingte und umfassende Patientenorientierung, die zu einer hohen Patientenzufriedenheit und auch zu sehr guten Behandlungserfolgen führt, aber finanziell für Praxisinhaber nur bedingt tragfähig ist. Diesem Prinzip gegenüber steht die Produktivitäts-optimierte Arztpraxis, deren medizinische Erfolge im Fabrik-Charakter (Stichwort "Fließband-Betrieb") untergehen. Die damit einhergehende, deutlich eingeschränkte Patientenzufriedenheit wird von den verantwortlichen Praxisinhabern aufgrund des wirtschaftlichen Erfolgs billigend in Kauf genommen. Doch es gibt auch eine "Zwischenlösung", die therapeutische und wirtschaftliche Optimierung vereinigt. Das Instrument heißt "Adhärenz-zentriertes Praxismanagement (AZP)". Es basiert auf der Befähigung der Patienten zu einem aktiven, selbstverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung. Das geschieht in enger partnerschaftlicher Absprache mit dem behandelnden Arzt unter Einbeziehung seiner Kooperationspartner. Der Ansatz bietet AZP-Praxen - wie erste Explorationen zeigen - im Vergleich zu Nicht-AZP-Praxisbetrieben eine ganze Reihe von Vorteilen:
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