Wieder trafen wir uns alle in der Diele des Hauses. Frau Auerbach schickte die Kinder hinaus in die Sonne und bat uns zu den anderen an den Tisch, holte einige Stühle aus der guten Stube mit an den Tisch. Neben der Eingangstür saß breitbeinig der Mann, den man uns als den Makler vorstellte. Ein zweiter Besucher trug einen feinen Nadelstreifenanzug. Er hatte die Hände über dem Tisch verschränkt und lächelte uns verbindlich entgegen.
"Eigentlich war der Verkauf dieses Hauses ja ein Alleinauftrag an mein Büro", räusperte sich der Makler und veränderte seine Sitzposition. Nahm den Arm vom Fensterbrett und stützte sich nun mit beiden Unterarmen auf den Beinen ab.
"Und?", fragte Robin, schlug die langen Beine über einander, kreuzte die Arme vor der Brust und sah gespannt zu ihm hinüber.
"Nun ja, die Suche nach Käufern war mit einigen Mühen verbunden. Anzeigen die geschaltet werden mussten, die viele Fahrerei und so weiter."
So langsam dämmerte mir, wohin der Hase laufen sollte, doch selbst ich in meiner Blauäugigkeit, was viele Dinge betreffen mochte, konnte mir nun das Lachen nicht verkneifen. Der musste uns ja für völlig blöd halten. "Sie hoffen nicht etwa auf eine Provision von uns, nein?"
Der Makler wechselte mit seinem Nachbarn einen raschen Blick. "Das nun nicht gerade. Aber ich habe hier in der Scheune noch einige Sachen stehen, und ich wollte Sie bitten, die noch eine Weile stehen lassen zu dürfen. Mir fehlt im Augenblick ein anderer Lagerplatz dafür."
"Wir werden uns bei unserem Bauern erkundigen", sagte Robin betont ruhig. "Es wird sich herausstellen, was nicht zum Hof gehört."
"Was sind denn das für Sachen?", mischte Herta sich ein
"Ach, nur einige Bauteile für einen Kamin", meinte der Makler und redete dann gleich weiter, ohne auf eine Entgegnung von uns zu warten. "Außerdem haben wir uns gedacht, wenn wir Ihnen schon nicht dabei helfen konnten, diesen Hof zu kaufen, vielleicht können wir Ihnen dann bei der Finanzierung unter die Arme greifen."
Jetzt versuchen sie es also um diese Ecke, grinste ich innerlich. Wenn sie schon keine Provision für die Vermittlung einstecken können, möchten sie wenigstens an der Finanzierung mit verdienen.
"Das ist alles schon geregelt", lächelte ich beide im Wechsel an. "Tut mir Leid, meine Herren, uns können Sie nun wirklich gar nichts mehr verkaufen."
"Wie hoch ist denn Ihr Eigenkapital", übernahm nun der Nadelstreifen die Situation und bemühte sich, seiner Stimme einen Vertrauen erweckenden Klang zu verleihen. Warm, herzlich, gönnerhaft.
"Groß genug", giftete Herta ihn an. "Ich wüsste auch nicht, was Sie das anginge. Sie haben doch gehört, es ist alles geregelt."
"Das heißt noch gar nichts", versuchte der Finanzmensch es weiter. "Sie glauben ja nicht, wie hart es im Augenblick auf dem Geldmarkt aussieht. Wenn das Eigenkapital nicht hoch genug ist, kann ich Ihnen jetzt schon sagen, dass die ganze Sache hier den Bach runtergehen wird." Inzwischen hörte er sich schon nicht mehr so verbindlich an.
Friedrich hielt sich für gewöhnlich immer sehr zurück. Es brauchte schon einiges, um ihn aus der Reserve zu locken. Aber jetzt reagierte selbst er gereizt. "Ach, und Sie wären der Rettungsanker. Sie haben selbstverständlich das Super-Sonderangebot im Ärmel." Danach erhob er sich gleich, stieß seinen Stuhl zur Seite und knurrte: "Ich hab keine Ahnung, was das hier soll. Ich würde mir jetzt gern den Hof ansehen. Können wir?"
Der Makler zuckte die Schultern und breitete in einer Geste des Bedauerns die Arme aus. "Sollte nur ein Angebot sein. Ich bin sicher, Sie werden sich noch bei uns melden."
Auerbachs saßen mit gesenkten Blicken am Tisch und wirkten verloren. Ich weiß nicht wie weit diese beiden fremden Menschen sie in der Hand hatten. Ich weiß auch nicht, wie sie selbst die Möglichkeiten einschätzten, einen Ausgleich für die geleisteten Dienste und das entgangene Geschäft zu vermitteln. In jedem Fall aber mussten auch sie einsehen, dass dieses Unterfangen bei uns keinen Boden fand.
"Können wir durch diesen Raum dort in den Stall?", fragte Robin und deutete auf die Tür zum 'Frühstückszimmer'. "Wir müssen ausmessen und zählen, wie viele Heizkörper wir für die Mietwohnung benötigten."
"Aber sicher", beeilte sich Herr Auerbach, schloss auf und ließ uns an sich vorbei. "Sie können hinten zur neuen Haustür wieder hinaus." Wir hörten, wie er gleich hinter uns den Schlüssel wieder drehte.
Herta schaute sich im Frühstückszimmer um und schüttelte noch immer den Kopf. Es dauerte eine Weile, bis sie sich auf die Baustelle konzentrieren konnten. Beim Weitergehen schlug sie jedoch die Hände vor den Mund. "Mein Gott, Kinder, hier muss ja noch so viel gemacht werden!"
"Wenigstens stehen die Wände schon", bemerkte Friedrich lakonisch grinsend, lief mit auf dem Rücken gefalteten Händen durch den schmalen Flur vor uns her und schaute in jedes der fünf Zimmerchen.
"Dort werden wir zwischen den beiden Räumen eine Wand wieder herausnehmen und ein großes Wohnzimmer daraus machen", erklärte ihm Robin unsere aktuelle Planung. "Das kleine Fenster zur Scheune muss wieder raus und ein größeres hinein. Sonst wird es hier drinnen zu dunkel sein. Das ist die Nordseite, und hinter dem Westfenster liegt nach ein paar Metern der Schweinestall. Der nimmt viel Licht weg."
"Ach, und der Boden", stöhnte Herta weiter. "Hier sieht man ja noch, wo die Kühe gestanden haben. Friedrich, sieh doch nur!"
"Eins nach dem anderen", lächelte Robin und übernahm nun die Führung. Deutete auf den Toilettentrakt. "Hier zwischen den Duschräumen muss die Wand wieder raus. Dahin kommt das Bad. Und der zweite Toilettenraum wird zu einer Abstellkammer umfunktioniert."
Herta war noch immer skeptisch. Die Drohung des Finanzmenschen im Nadelstreifen schien ihre Wirkung hinterlassen zu haben. Auch wenn sie nach außen Selbstbewusstsein und Abwehr signalisiert hatte.
"Gott, Kinder, bis das alles hier fertig ist - das kostet doch eine Menge Geld! Zusätzlich zum Kaufpreis. Und diese viele Arbeit. Schafft ihr das denn?"
Robin umfasste ihre Schulter und zog sie ein Stück zu sich heran. "Wir haben doch Zeit, Herta. Wir können im Grunde jedes Wochenende hochfahren und daran arbeiten, Schritt für Schritt. Außerdem haben wir Freunde. Von denen wird der eine oder andere uns helfen, da sorge dich mal nicht."
"Und was passiert während der Woche, wenn diese Auerbachs nicht mehr hier sind? Oder wenn ihr die Wohnung nicht gleich vermieten könnt?"
"Wir werden sie vermieten, da bin ich mir ganz sicher", lächelte Robin.
"Na", Herta wiegte ungläubig den Kopf, "und selbst wenn: Schafft euch bloß nicht gleich Viehzeug an. Bedenkt, dass ihr die Woche über nicht hier seid."
"Vielleicht macht ihr ab und zu 'Urlaub' hier?", schmunzelte ich sie an und nahm sie ebenfalls in den Arm. "Dann lebst du eine Weile wieder so, wie du von deiner Großmuttel erzählt hast. Weit draußen auf dem Lande mit Küken und Ferkeln in der Küche, die man sie unter dem Ofen warm halten kann."
Die Großmuttel, die Liebe, die Warme, die Gütige. Die mit der kleinen Landwirtschaft, bei der Herta als Kind so gern war. Die andere Großmutter - nicht die hochherrschaftliche mit der Konservenfabrik. Die Erinnerung an sie glättete Hertas Sorgenfalten. Ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht. Sie nahm meine Wange zwischen zwei Finger und drückte zu. "Das würde dir so gefallen, was?" Dann schob sie ihre Hand hinter Friedrichs Arm, zog ihn zu sich heran. "Aber wir werden sehen. Vermutlich wird es genauso kommen, was - Friedrich? Und jetzt zeigt uns den Rest, ihr Mutvögel."
Damals war der Sperrmüll noch eine wahre Fundgrube für Leute, die die ausrangierten Gegenstände der Wohlstandsgesellschaft noch mit ein wenig Fantasie betrachten konnten und wussten, dass man ein altes Stück sehr schön wieder herrichten konnte. Viele wunderbare Dinge haben wir aus diesen an die Straße gepackten Haufen herausgekramt, ein wenig mit Abbeize, Sandpapier und Bienenwachs gearbeitet und auf diese Weise einige Einzelstücke in die Wohnung geschafft, um die man uns heftig beneidete.
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