Ulrike Linnenbrink - Fühl mal, Schätzchen

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Es war einmal eine glückliche Ehe, aus der zwei Kinder hervorgingen. Doch seit Richard seinen Arbeitsplatz verlor und mehr und mehr dem Alkohol verfällt, wird Lisa von ihm seelisch und körperlich misshandelt. Als er sie schließlich brutal vergewaltigt, beschließt sie in ihrer Verzweiflung, ihn umzubringen. Der Versuch misslingt, und Lisa ist noch schlimmeren Gewalttätigkeiten ausgesetzt als zuvor.
Wird sie einen Weg finden, ein neues Leben zu beginnen?

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Ulrike Linnenbrink

Fühl mal, Schätzchen

Roman

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Inhaltsverzeichnis Titel Ulrike Linnenbrink Fühl mal Schätzchen Roman Dieses - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Ulrike Linnenbrink Fühl mal, Schätzchen Roman Dieses ebook wurde erstellt bei

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Epilog

Impressum neobooks

1

»Nie wieder«, schwöre ich meinem Spiegelbild, »nie wieder wird dieses Arschloch das mit mir machen!«

Wütend betupfe ich die Verletzungen in meinem Gesicht. Noch immer sickert Blut aus dem Riss unterm Nasenflügel, aus der geplatzten Oberlippe, die inzwischen heftig angeschwollen ist. Auch die Gegend um das rechte Auge scheint kräftig etwas abbekommen zu haben. Morgen werde ich mit einem herrlichen Veilchen durch die Gegend laufen. Was soll ich den Leuten bloß wieder erzählen? Mir fallen bald keine Ausreden mehr ein! Herrgott, ich bin so wütend, so verdammt wütend! Zum Kotzen, wie ich schon wieder aussehe. Zum Kotzen, wie er mich wieder zugerichtet hat. Zum Kotzen!

Der Toilettendeckel knallt gegen den Spülkasten. Ich muss würgen - wieder und wieder, bringe den ganzen Mist heraus. Dann lasse ich das Waschbecken mit kaltem Wasser voll laufen, tauche mein Gesicht hinein. Nie wieder, denke ich, nie wieder! Hätte Lust, nicht mehr da zu sein, mich in Luft aufzulösen, einfach zu sterben.

Bevor ich tatsächlich ersticke, tauche ich wieder auf, schnappe nach Luft. Einen Moment lasse ich das Wasser von den Haaren, von der Haut rinnen, vom Kinn tropfen, sehe mich an. Verachte sie, diese Frau mit den strähnigen, nassen Haaren, dieses fremde Wesen, das ausschaut, als sei es für einen Horrorstreifen in der Maske gewesen.

Angewidert tupfe ich meine Haut trocken, werfe das blutfleckige Handtuch in den Wäschekorb und tappe barfuß die Treppe hinab. Für den Augenblick habe ich Ruhe, Richard ist endlich eingeschlafen. Sein Schnarchen dringt aus der Mansarde zu mir herunter. Sicher weiß er morgen früh wieder von nichts. Wie so oft.

Unten in der Küche setze ich Teewasser auf und lasse mich auf einen der harten, schwarzen Stühle sacken. Sofort dieser Schmerz im Steißbein! Für einen Augenblick bleibt mir die Luft weg. Hab nicht an den Tritt gedacht, der mich dort mit voller Wucht getroffen hat, als ich am Boden lag. Nach ein paar tiefen Atemzügen geht es wieder einigermaßen.

Ich stütze meine Ellbogen auf die Tischplatte und vergrabe meinen Kopf in den Händen. So etwas passiert mir nicht noch einmal, mein Lieber! Ganz sicher nicht. Viel zu lange habe ich still gehalten und für dich gelogen. Habe dafür gesorgt, dass niemand erfährt, was für ein Arschloch du in Wahrheit bist, habe darauf geachtet, dass dein guter Ruf nicht beschädigt wird. Aber damit ist jetzt Schluss. Jeder Mensch hat irgendwo eine Schmerzgrenze, auch wenn meine viel zu lange einem ausgeleierten Gummiband glich. Jetzt ist es, als habe jemand daran gezogen und es gestrafft. Nur noch Wut und Hass sind da, und plötzlich keimt in mir der Wunsch nach Vergeltung.

Wie durch einen Filter nehme ich mein eigenes, bitteres Lachen wahr. Der Wasserkessel fährt mit seinem schrillen Pfeifen in meine Gedanken. Ich zucke zusammen, als habe man mich ertappt.

Auch beim Aufstehen, spüre ich den Schmerz in meinen Gliedern. Ich muss mir den Rücken stützen, schiebe mich sozusagen selbst hinüber zum Teeregal. Einen Moment konzentriere ich mich auf die Frage, welches Tütchen ich wählen soll. Entscheide mich für Melisse. Muss mich beruhigen.

Hoffentlich haben Britta und Jan nichts gehört. Sie schlafen direkt über dem Wohnzimmer. Hoffentlich haben sie das Theater nicht mitbekommen. Nicht schon wieder. Ich weiß, sie leiden unter der beschissenen Situation genauso wie ich. Nein, sicher mehr als ich. Ich bin erwachsen, könnte mich wehren, hätte mich längst wehren sollen. Doch die Kinder? Wie fühlt sich ein Kind, dem die Welt zerbricht, dem das Vertraute, Geliebte, das, was verdammt noch mal für Sicherheit und Geborgenheit zuständig wäre, wenn dieses Vertraute plötzlich zur Bedrohung, zur Gefahr wird? Ich müsste es doch wissen. Hab‘ ich‘s vergessen?

Der Tee hat genug gezogen. Ich gieße mir ein, löffele ein paar Stückchen Kandiszucker dazu und balanciere die Tasse nach oben in den ersten Stock. Komme kaum die Treppe hoch, und der Tee schwappt ein paar Mal heiß über meine Finger. Schmerzen auch an der Schulter. Mit dem Kerzenleuchter muss er mich dort erwischt haben.

Oben lausche ich kurz in die Zimmer der Kinder. Jan ist erkältet, und es rasselt ein wenig beim Atmen. Aber seine Atemzüge sind ruhig und regelmäßig, er scheint fest zu schlafen. Gott sei Dank. Britta liegt mit dem Gesicht zur Wand, hat die Decke über den Kopf gezogen, reagiert nicht. Wenn sie noch wach wäre, hätte sie sich jetzt zu mir umgedreht.

Vorsichtig ziehe ich die Türen wieder zu, gehe hinüber in mein Schlafzimmer. Im Bett nippe ich vom meinem Tee. Tut gut, die Wärme im Bauch.

Ich ziehe mir das Kopfkissen über die Ohren. Kann‘s nicht mehr hören, dieses Schnarchen. Seit er fast durchgängig betrunken ist, wird auch das immer lauter. Kann mich nicht erinnern, dass er früher so laut geschnarcht hat. Früher, als er noch einen Halt hatte. Früher? Wann war das? War das überhaupt ...?

Durch die Jalousiespalten greifen warme Lichtfinger in mein Schlafzimmer und zerschneiden meinen Kleiderschrank in kleine, übereinander gestapelte Abschnitte. Ehe ich vollends erwache, betrachte ich dieses Spiel eine Weile wie durch milchiges Glas, wie einen Traumfetzen. Dann, als ich mich bewege und ein Stück drehe, ist mein Körper wieder da. Ich fühle mich, als hätte ich gestern fassweise Weinbrand getrunken und wäre einmal durch den Wolf gedreht worden.

Unten in der Küche hat jemand mit Geschirr geklappert. Britta wahrscheinlich. Vermutlich wird sie mir gleich Kaffee ans Bett bringen.

Ich denke an gemeinsame Sonntagsfrühstücke im Bett. Ganz flüchtig nur. Denke ihn mir lächelnd, mit noch feuchten Haaren vom Duschen, dunkel glänzend und streng zurückgekämmt, ein Badetuch um die Hüften geschlungen. Nackt und muskulös der Oberkörper, ohne Behaarung. Teppiche auf Männerbrüsten fand ich immer widerlich. Ich denke mir die Rose zwischen seinen Zähnen, die er in die kleine Vase auf dem Tablett steckt, bevor er es mir auf die Beine stellt, dann das Handtuch aufknotet und fallen lässt, auf der anderen Seite des Bettes – geschmeidig wie ein Wiesel – unter die Decke schlüpft, mir einen Kuss auf die Wange drückt und nach der ersten Brötchenhälfte schnappt ...

Bin froh, dass ich ihn morgens kaum noch sehe. Obwohl ich morgens nicht befürchten muss, dass er gleich wieder durchdreht. Am Morgen scheint sich eine watteweiche Glocke über ihn gestülpt zu haben. Eine, die ihn zwischen Wach und Traum, zwischen Er- Leben und Er-Trunkensein gefangen hält.

Das Schnarchen aus der Mansarde ist leiser geworden. Morgens ist es immer leiser. Muss daran liegen, dass der Alkoholspiegel sich über Nacht abbaut. Säufer schnarchen besonders intensiv, und sie sind in hohem Maße vom Atemstillstand bedroht, hab ich irgendwo gelesen. Wie oft habe ich mir während der letzten Zeit gewünscht, dass Richard in einer seiner Schnarchpausen erstickt.

Mit einiger Mühe, wieder meinen Rücken stützend, zwinge ich mich hoch, schlurfe hinüber zum Fenster, ziehe die Jalousie nach oben und sehe einen Moment hinaus in den Garten. Ein wunderschöner, ein sonniger Tag. Der Kirschbaum steht voll in Blüte und sieht aus, als habe man ihn mit weißer Spitze überzogen.

Tessa muss das Geräusch gehört haben. Sie hockt unten auf der Wiese, wischt mit ihrem Schwanz über das Gras und hechelt angespannt zu mir hoch.

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