»Dann habe ich durch meinen Vater genug finanzielle Möglichkeiten. Ich habe nachgezählt, das ist unglaublich, wie viel er zusammengesammelt hat.«
»Schauen wir mal, was wir hier in Wien herausfinden und ob an der ganzen Geschichte wirklich was dran ist. Diese sogenannte rote Bruderschaft geht zwar davon aus, dass Dein Vater hinter etwas Großem her war, aber wir haben wohl schon gemerkt, wie verrückt die sind.«
»Wir wissen nur leider nicht, wie viel die wissen. Und wir können uns ja nicht ewig vor denen verstecken«, meinte Monja und blickte sich in der U-Bahn um. Niemand schien Notiz von ihnen zu nehmen. Trotzdem war sie nervös und fürchtete, dass bald wieder jemand von der Bruderschaft auftauchen würde.
»Nächste Station steigen wir aus. Hast Du die Postkarte mit?«, fragte Eric.
»Nein, die habe ich sicherheitshalber bei Ines und Sammy gelassen. Ich habe den Text für Dich abgeschrieben.«
Sie reichte ihm einen kleinen Zettel, auf dem die Zahlen aufgeschrieben waren.
Eric sah ihn sich an und bemerkte, wie Monja ein Handy hervorzog.
»Das Handy von meinem Vater. Ich habe es aufgeladen, vielleicht finden wir eine nützliche Nummer.«
»Zum Beispiel von diesem Miguel. Ich glaube … Ich hoffe, dass er uns weiterhelfen kann.«
Sie spazierten am Zaun des Schönbrunner Schlossparks entlang. Eric blickte sich unentwegt um, fand aber niemanden, der ihm verdächtig vorkam. Monja ging die Namensliste am Handy durch.
»Bingo. Hier ist seine Nummer: Miguel Notfall. Ich glaube, wir haben einen Notfall, oder?«
»Versuch es einfach. Schaden kann es nicht.«
Monja rief die Nummer an, dabei schaltete sie den Lautsprecher ein, um Eric mithören zu lassen. Es dauerte nicht lange, und eine männliche Stimme meldete sich.
»Hallo, wer spricht?« Eric erkannte sofort den spanischen Akzent.
»Guten Tag, spreche ich mit Miguel?«, fragte Monja leicht nervös nach.
Nach einer kurzen Pause reagierte der Angerufene.
»Wer sind Sie?«
»Monja Knoth, das Telefon gehörte meinem …«
»Monja, hallo. Wenn Du es wirklich bist, dann verrate mir die Zahlen von der Steintafel. Die Dir Dein Vater geschickt hat.«
Verwundert blickten sich Monja und Eric an.
»Woher wissen Sie davon?«, wollte sie wissen.
»Die Zahlen, bitte.«
»Die Zahlen sind 158318002. Warum …«
»Ich danke Dir, Monja. Walter hat mir erzählt, dass Du sicherlich schnell dahinter kommen würdest, was die Zeichen bedeuten und Dir die Zahlen leicht merken wirst.« Miguel klang nun viel freundlicher.
»Ich weiß nicht, wie weit Sie auf dem Laufenden sind, Herr Miguel, aber …«
»Nur Miguel. Ich weiß vom tragischen Tod Deines Vaters. Ebenso weiß ich mit Sicherheit, dass es kein Unfall war. Hattet ihr schon Besuch von der Bruderschaft? Habt ihr die Unterlagen von Walter?«
»Ja und ja. Können Sie uns irgendetwas sagen, was uns weiterhilft?«
»Ich werde mich umgehend auf den Weg zu Euch machen. Morgen im Laufe des Tages werde ich in Wien ankommen …«
»Ankommen? Wo sind Sie denn gerade?«, fragte Eric nach.
»Wer bist Du?«, wollte Miguel wissen.
»Eric, ein Freund, der Monja bei ihrer Suche unterstützt.«
»Okay. Hört mir bitte zu. Unternehmt nichts Riskantes. Ich werde Euch alles erklären und Euch helfen, aber bis dahin ist es am besten, ihr versteckt Euch.«
»Von wo kommen Sie denn?«, wiederholte Eric seine Frage.
»Ich bin gerade in Mexiko Stadt und werde mich sofort auf den Weg zu Euch machen.«
Das Telefonat half Monja und Eric auch nicht weiter, sondern warf nur noch mehr Fragen auf. In Gedanken vertieft gingen sie wortlos weiter. Neben dem Eingang zum Park blieben Sie stehen.
»Dort vorne ist das Denkmal vom Kaiser Maximilian«, sagte Monja und deutete zu dem kleinen Platz vor einer Kirche. Die Statue stand auf einem weißgrauen Sockel, umgeben von einer umzäunten, schneebedeckten Grünfläche. Die Holzbank vor dem Denkmal war leer. Niemand beachtete den Mann in Dunkelgrau, der auf den Sockel stand und von oben auf die Passanten herabblickte. Sein Gesicht war von seinem Vollbart fast zur Hälfte verdeckt, dafür fehlten die Haare auf seinem Kopf. Die Kleidung, mit der der ehemalige Kaiser dargestellt wurde, schien eine Offiziersuniform zu sein, wobei das Beinkleid eher wie ein großer Rock aussah.
Monja und Eric traten nahe heran.
»Ferdinand Maximilian, Erzherzog von Österreich, Kaiser von Mexiko«, las Eric vor, was auf der Steintafel stand, der am Sockel eingelassen wurde.
Sie studierten das Denkmal und gingen mehrmals um die Statue herum.
»Nichts zu finden«, meinte Monja entmutigt.
»Das wäre auch zu einfach gewesen. Andererseits, wo soll hier auch ein Stein versteckt sein, denn bislang noch niemand gefunden hat«, überlegte Eric laut.
Er nahm den Zettel mit den Zahlen heraus und blickte von den Zahlen zum Denkmal.
»Wir sollten heimfahren und auf Miguel warten. Wenn er wirklich mit meinem Vater befreundet war, weiß er unter Umständen …« Sie sah, dass Eric die Statue anblickte und angestrengt nachdachte.
»Was geht Dir durch den Kopf?«, wollte sie wissen.
»Hast Du einen Stift?«
Monja kramte in ihrer Handtasche und zückte einen Kugelschreiber.
»Hier, bitte. Verrätst Du mir, was los ist?«
»Wie war der Spruch auf der Karte, elf in einer Reihe?«
»Nein. Fünf Zeilen aus elf in einer Reihe«.
Eric schrieb etwas auf den Zettel und zeigte es ihr.
»Ich glaube, wir können das Rätsel lösen!«, meinte er enthusiastisch.
Monja sah ihn verständnislos an, blickte dann auf den Zettel und plötzlich verstand sie.
Eric hatte den Text der Steintafel abgeschrieben, nur in einer neuen Reihenfolge:
FERDINANDMA
XIMILIANERZ
HERZOGVOEST
ERREICHKAIS
ERVONMEXIKO
»Fünf Zeilen, jeweils mit elf Buchstaben. Jetzt bin ich gespannt …« Monja drückte sich an Eric und sah ihm zu, wie er die erste Zeile durchging.
»So, 3-10, die dritte Zeile und der zehnte Buchstabe. Ein S«
Sie gingen jedes Zahlenpaar in der ersten Reihe der Karte durch.
»Sarg. Also ich glaube, wir sind am richtigen Weg. Was kommt bei der nächsten Zeile heraus?«, meinte Monja aufgeregt. Eric zählte die Buchstaben wieder durch.
»Familie? Das mach wenig Sinn.«
Als Eric alle Zeilen durchhatte, standen auf dem Zettel die Worte: Sarg, Familie, Hand, Tot, Evvig
»Sind wir jetzt klüger?«
»Nicht wirklich.« Eric schüttelte den Kopf.
Schon im nächsten Moment stieß sie Eric mit dem Ellbogen an.
»Natürlich, Freundchen! Ich hab´s!«
»Aua! Das tat weh.«
»Sorry, Eric. Aber dafür habe ich die Lösung.«
»Darauf bin ich jetzt aber gespannt.«
»Das letzte Wort heißt ewig, zwei V´s für ein W. Und wo liegt man wohl ewig in einem Sarg?«
»Lass mich raten, jetzt kommt ein Vortrag über die Grabstätte von Kaiser Maximilian.«
Monja grinste ihn an.
»In der Inneren Stadt gibt es die Kaisergruft. Dort werden seit jeher die Habsburger begraben, darunter sicherlich auch Kaiser Maximilian. Überleg doch einmal: In der Familiengruft liegt er für immer und ewig tot im Sarg. Vielleicht hat er den Stein in der Hand.«
Eric überlegte kurz, was Monja gerade gesagt hatte.
»Das ist verrückt. Alleine der Gedanke ist so durchgeknallt. Das ist doch Irrsinn!«
»Und weiter? Was ist Deine Meinung dazu, Freundchen?«
Eric sah von Monja zum Denkmal und auf den Zettel. Dann blickte er Monja in die Augen und setzte einen breiten Grinser auf.
»Caramba! Wenn schon verrückt, dann aber richtig. Lass uns diese Kaisergruft besuchen«, meinte er entschlossen.
Es dauerte knapp eine halbe Stunde, bis sie vor dem Eingang zur Kaisergruft standen.
»Und nun, der nächste Punkt auf der Besichtigungstour, die Kaisergruft«, neckte Eric Monja.
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