»So, legen wir alles zusammen, was wir haben, vielleicht bringt es uns ja weiter«, schlug Eric vor.
Sammy zückte eine der Waffen.
»Die werde ich zuerst einmal sicher verstauen, ich glaube kaum, dass uns die weiterhilft.«
Ines nahm die zwei Gemälde und lehnte sie neben der Couch an die Wand.
»Auch die werden uns im Moment kaum etwas helfen können«, meinte sie und hielt Monja die Mappe hin.
Monja öffnete sie.
»Verdammt, einige Zettel sind in der Wohnung rausgefallen«, fluchte sie. Sie nahm ein Prospekt in die Hand und zeigte es den anderen.
»Eine Werbung für die Ausstellung des Penacho. Ich habe darüber gelesen.«
»Penacho? Du meinst diesen Federfächer?«, fragte Eric.
»Federfächer? Du hast keine Ahnung, was dieser Kopfschmuck für eine Bedeutung hat, stimmt´s?«
»Nein, aber ich bin mir sicher, Du wirst mir gleich einen klugen Vortrag darüber halten«, gab Eric ihr zur Antwort und lehnte sich provokant zurück.
Monja holte tief Luft.
»Der Penacho ist ein Kopfschmuck mit grünen Federn des, in Mexiko heimischen, Quetzal-Vogel. Er wurde von den aztekischen Priestern bei Ritualen getragen. Vermutungen gehen auch in die Richtung, dass dieser Kopfschmuck von Montezuma selbst getragen wurde, als Hernando Cortez und er zusammentrafen. Ob Montezuma wirklich Cortez den Kopfschmuck geschenkt hat, ist bis heute umstritten. Genauso wie man nicht genau erklären kann, wann und unter welchen Umständen der Kopfschmuck nach Europa gelangt ist.
In den Inventaraufzeichnungen, für die damals im Schloss Ambras befindliche Kuriositätensammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol scheint der Federschmuck auf. Von dort kann auch sein Weg bis nach Wien nachvollzogen werden.«
»Montezuma? Ich kenne nur Montezumas Rache und die hat wohl kaum etwas mit einem aztekischen …«, meinte Sammy ironisch.
Monja sah ihn mit ernster Miene an.
»Doch hat es. Bei der Eroberung durch die Spanier schleppten die Europäer Krankheiten mit nach Mexiko. Der Legende nach soll Montezuma kurz vor seinem Ableben einen Fluch ausgesprochen haben, dass alle Eindringlinge seine Rache zu spüren bekommen sollen. Daher kommt der Ausdruck.«
»Wer braucht schon Wikipedia, wenn man Monja hat, oder?«, war Erics Kommentar zu ihrem Vortrag. Monja legte den Kopf schief und sah Eric herausfordernd an. Sie schien zu überlegen, ob er sie auf den Arm nehmen wollte oder nicht.
»Aber da kommt wieder das Problem, dass mein Vater sich mehr mit den Maya beschäftigte. Zwischen der Kultur der Maya und der Azteken liegen einige Jahrhunderte.«
»Okay, soviel zur Geschichtsstunde, machen wir weiter«, empfahl Eric und nahm einen Brief aus der Mappe.
»Ich habe hier den Brief an Deinen Vater von diesem Salvatore Barbier-Mueller. Seine Visitenkarte hängt auch noch dran.«
»Wer ist dieser Franzose Victor Cuvier, der in dem Brief erwähnt wird?«, fragte Monja.
»Was fragst Du mich, bis vor ein paar Tagen kannte ich noch nicht einmal Dich und deinen Vater.«
Eric zog ein weiteres Blatt hervor.
»Eine E-Mail an Deinen Vater. Na die hilft uns ungemein weiter: Die Übersetzung des Textes lautet ›Drei Steine in einem Altar werden den Tempel erscheinen lassen. Frage nicht nach dem Wo, konzentriere Dich auf das Wann‹. Mit freundlichen Grüßen, Miguel. Schon wieder dieser Miguel.«
Sie schüttelte den Kopf und zog ein eine alte Postkarte hervor.
»Was soll das den, ist das eine Ansichtskarte aus Wien?«, wunderte sie sich. Sammy, der neben ihr stand, beugte sich zu ihr hinunter.
»Wien ist einmal richtig, aber der Rest? Interessanter Text. Sag einmal, kann es sein, dass dein Vater Rätsel liebte?« Er nahm die Karte aus ihrer Hand und zeigte sie den anderen.
»Ich nehme an, Du hast keine Ahnung, was das bedeuten soll, Süße?«, fragte Ines nach. »Nein«, meinte Monja leicht verzweifelt, »Und schön langsam frage ich mich, ob das alles überhaupt einen Sinn ergibt.« »Für unsere verkohlten Freunde jedenfalls genug um Euch zu töten«, stellte Sammy trocken fest. »Danke, mein Freund, Du bist uns eine große Hilfe«, meinte Eric und nahm sich das letzte Blatt Papier aus der Mappe. Auf einem kleinen Blatt war eine seltsame Zeichnung gemalt.
Der Text darunter war in Spanisch. »Wie sieht es mit Deinen Spanischkenntnissen aus, Freundchen?«, fragte Monja in Erics Richtung. Er nahm ihr das Blatt aus der Hand und blickt kurz darüber und übersetzte laut den Text: »Nachdem der gesamte Stamm mir nun vertraut, können wir gemeinsam die Verteidigung gegen Cortes aufbauen. Meine Aufgabe wird es sein, das Grab des großen Herrschers, der mit Hunab Ku gesprochen hatte, zu beschützen. Der Hohepriester hat erzählt, dass den Eindringlingen unter keinen Umständen verraten werden darf, wo sich der Schatz befindet. Der Tempel, der diesen heiligsten Ort aller Maya bewacht, wurde von den großen Herrschern versiegelt. Drei Herrscher, die je einen Schlüsselstein bei sich tragen. Als Zeichen seines Vertrauens hat mir der Hohepriester, wohl auch als Geschenk zur Vermählung mit seiner Tochter, eine Kugel aus Obsidian überreicht. Sie wirkt klein und unscheinbar, aber sie ist die Verbindung zu Hunab Ku, unserer Hochgottheit. Das gut versteckte Heiligtum, dieser Tempel mit dem sagenhaften Schatz, soll von den Göttern persönlich besucht worden sein. Egal, ob wir Cortes und seine Männer besiegen können oder nicht, diese Schlüssel dürfen ihm niemals in die Hände geraten. Auch wenn ich den Sinn nicht verstehe, aber die Übersetzung ist richtig, Princesa«. Sammy und Ines grinsten sie beide an. »Monja, was ist Dein Vortrag dazu?«, wollte Eric wissen und deutete auf das Zeichen über dem Text. »Die linke Zeichnung ist die Darstellung des Maya-Kalenders, das andere Symbol ist mir fremd.« »Und weiter?« »Ich weiß viel, aber nicht alles«, gab sie ihm schnippisch zurück. Sie legten die Postkarte von Paris in die Mappe und sahen sich gegenseitig ratlos an. »Und jetzt?«, fragte Eric in die Runde. Monja lehnte sich an ihn an. »Wenn wir jetzt zur Polizei gehen, dann werden wir viel zu erklären haben. Die zwei Toten, das ganze Geld. Ich bezweifle, dass man mir glauben wird, wenn ich denen die Geschichte erzähle.« Den restlichen Nachmittag musste Monja lange und breit erklären, was sie von ihrem Vater wusste und er ihr all die Jahre erzählt hatte. Während sie den anderen erzählte, was ihr Vater bei der Raumfahrtbehörde erlebte, saß Ines am Computer und surfte über diverse Internetseiten. Sie fand aber keine Informationen über die Bruderschaft und den Zusammenhang zum Mars. Entweder diese Vereinigung war wirklich derart geheim, oder nur eine Erfindung der zwei Verbrecher gewesen. Sie kopierte die Unterlagen von Monjas Vater und machte Kopien der beiden Gemälde. Die Anstecknadeln, die sie den beiden Männern abgenommen hatte, teilte sie zwischen Monja und sich auf. Erst am späten Abend verabschiedeten sich Eric und Monja. Die beiden Bilder ließ sie bei Ines und Sammy stehen. Eric brachte die inzwischen etwas gefasste junge Frau bis zu ihrer Wohnungstür. »Danke nochmals, für alles heute.« »Bist Du Dir sicher, dass Du alleine zurechtkommst?«, fragte er ehrlich fürsorglich nach. »Ja, das geht schon. Der Tag heute war wie eine Achterbahn, eine sehr gefährliche Achterbahn. Ich bin froh, wenn ich jetzt die Beine auf den Tisch legen kann und etwas abschalten kann. Diese Unterlagen werde ich morgen nochmals durchgehen. Wenn es Dich interessiert und Du Zeit hast, können wir uns alles gemeinsam durchsehen. Vielleicht fällt uns etwas zu diesem ganzen … Wahnsinn ein.« »Ich habe Zeit, ich muss ja im Moment nicht arbeiten. Dann komme ich einfach morgen Vormittag vorbei. Ich nehme Dir auch gerne ein Frühstück mit. Und sollte Dir heute noch die Decke auf den Kopf fallen, kannst Du Dich jederzeit melden, einverstanden?« Monja nickte, versicherte ihm aber, dass es ihr gut ging. Eric war sich da nicht sicher, immerhin war Monja heute zuerst auf der Beerdigung und dann in Lebensgefahr geraten. Auch er war ziemlich aufgewühlt. Solange sie bei seinen Freunden waren, konnte Eric es gut vor Monja überspielen. Aber als er daheim war, rasten seine Gedanken um die zwei Männer und die Nachforschungen von Monjas Vater. Eigentlich wussten sie nichts Genaueres, die Hinweise, die Walter Knoth im Safe deponiert hatte, waren ein einziges Rätsel. Mit einer Bierflasche setzte er sich vor den Fernseher und versuchte, auf andere Gedanken zu kommen. Die Aufregung des Tages half nicht wirklich beim Einschlafen.
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