»Gut, alles in Ordnung.«, sagte ich lahm.
Jede Begegnung von uns begann so. Auch wusste ich schon genau, wie sie weiterging.
Er zog mich abermals an seine Brust und atmete ein paar Mal tief ein. Er füllte seine Nase, seine Lungen mit meinem Duft.
»Mhm. Du riechst wieder so gut, meine Süße. Einfach zu gut.« Er seufzte tief und es hörte sich sehr alt an.
Normalerweise müsste ich wie jeder Vampir auch riechen, nach altem Papier, nach Staub, pergamentartig. Aber es war nicht so, ich roch eher nach Frühling, nach Butterblumen und Sonnenschein. Schon immer, und es änderte sich nicht. Ich wusste auch nicht, warum das so war, es interessierte mich aber auch nicht.
»Magst du was trinken?«, er lächelte mich mit leuchtenden Augen an.
»Ja, gerne. Was gibt’s denn? Was Blondes?«, ich grinste.
»Nein, wo soll ich die auf die Schnelle denn herbekommen? Aber«, er sah mich mit einem seltsamen Blick an, »gleich kommt noch eine Blondine, wenn ich es mir recht überlege. Die wird dir aber nicht schmecken.«
Ich sah Josh mit zusammengekniffenen Augen an und überlegte. Dass sie mir nicht schmecken sollte, konnte nur heißen, dass sie ein Vampir war.
Aber wer würde hier zu Josh kommen? Er hatte zwar enorm viele Bekannte und auch ein paar wirkliche Freunde, aber ihn besuchte eigentlich niemand von denen hier in seinem Hexenladen. Meistens traf er sich mit ihnen im Desmodus , unserer Stammkneipe, oder er ging zu ihnen. Noch nie hatte ich einen anderen Vampir hier bei Josh getroffen.
Er reichte mir ein Glas mit lauwarmem Blut.
»Jeanie wird noch vorbeikommen«, sagte er leise.
Jeanie, ausgerechnet. Meine Hand, die das Glas hielt, war kurz in seiner Bewegung eingefroren.
Ich stellte es geräuschvoll auf die Theke und blickte vor mich hin. Wirklich, wie konnte er nur. Er wusste doch, dass sie für die Obrigkeit arbeitete, und das die nicht gerade gut auf mich zu sprechen waren seit … seit den Ereignissen im letzten Sommer.
Immerhin hatte ich den Chef unseres Clans in das Reich der ewigen Verdammnis geschickt. Seit dem war auch der hohe Rat hinter mir her, er jagte mich zwar nicht direkt, aber wenn ich zufällig in seine Nähe geraten würde, wäre es wohl aus mit mir.
»Was soll das, Josh?«, ich war verärgert, wie konnte er mich nur so ausliefern.
»Keine Sorge, Natascha. Jeanie ist auf unserer Seite, sie ist nicht offiziell hier, nicht als Spionin, sie ist als Freundin hier. Wirklich, entspann dich.«
Als Freundin, dachte ich verächtlich, lieber wollte ich eine Spinne küssen, als die Freundin von Pestbeule Jeanie zu sein.
Ich holte gerade Luft, um Josh meine Verärgerung entgegen zuschleudern, da ging plötzlich die Tür auf.
Ich drehte mich um und da stand sie vor mir. Viel größer als ich, schier endlose Beine, lange blonde Haare, ein engelsgleiches perfekt modelliertes Gesicht, mit wasserhellen, blauen Augen, die mich freundlich anblickten.
»Hallo«, sie lächelte zögernd und streckte mir ihre Hand entgegen.
Ein Friedensangebot?
Ich blickte auf die ausgestreckte Hand und widerstand dem plötzlich auftretenden Wunsch ihr einfach darauf zu spucken.
Stattdessen ergriff ich ihre Hand und schüttelte sie kurz.
»Hallo Jeanie«. Meine Stimme war kratzig und ich hörte selbst die unterdrückte Wut darin.
Als ich Jeanie losließ, ergriff ich schnell mein Glas, damit ich nicht in Versuchung kam, meine Hand an meiner Hose abzuwischen, schließlich hatte ich gerade etwas Ekeliges angefasst.
Josh kam um die Theke herum und begrüßte sie, er umarmte sie und küsste Jeanie auf beide Wangen.
Dann drückte er ihr ein Glas mit frisch gewärmtem Blut in die Hand.
»Kommt, wir setzen uns nach draußen, es ist noch schön.«
Josh ging vor, durch seine Hintertür, in den Hof. Hier hatte er einen Tisch mit ein paar Stühlen hingestellt. Es brannte eine Kerze, die alles in ein seltsames, flackerndes Licht tauchte. Ich war froh, aus dem hellen Licht zu kommen, hinein in die Dunkelheit, dort fühlte ich mich sicherer.
Es war warm draußen, eine richtig schöne Nacht. Ich schloss meine Augen und atmete die Nachtluft ein. Außer dem Vampirgeruch stiegen mir auch noch andere Gerüche in die Nase. Bessere, köstlichere, der Geruch von Menschen, mir lief das Wasser im Mund zusammen, meine Zähne wollten ihr Eigenleben aufnehmen, ich konnte es gerade noch verhindern.
Immer noch hielt ich meine Augen geschlossen, sie waren wahrscheinlich zu gelben Raubtieraugen mutiert, wenn ich sie jetzt öffnete, könnte das zu Missverständnissen führen.
Ich hielt mir das Glas mit dem Konservenblut unter die Nase, und langsam beruhigte sich das Monster in mir.
Ich konnte meine Augen wieder öffnen und trank einen Schluck.
Jeanie und Josh unterhielten sich leise, ich hatte nicht mitbekommen, worüber.
Ich war ganz in meiner Blutwelt versunken.
Jetzt lauschte ich ihnen. Es ging wohl um einen gemeinsamen Bekannten. Ich wusste gar nicht, dass Josh überhaupt Kontakt mit Jeanie hatte.
Sie drehte ihren Kopf in meine Richtung und verzog die Lippen. Sollte das ein Lächeln sein? Ich konnte sie einfach nicht leiden. Um meine Gefühle zu verbergen, trank ich schnell noch einen Schluck Blut.
»Tascha«, begann sie gerade und ich fiel ihr sofort brüsk ins Wort.
»Natascha!«, etwas freundlicher setzte ich hinzu, »bitte.«
»Okay«, sie zuckte kurz mit den schmalen Schultern.
»Natascha. Wir waren in der Vergangenheit nicht gerade Freundinnen, eher ganz im Gegenteil. Aber, wie du vielleicht weißt, gehöre ich auch nicht mehr zum Clan.« Ich hob erstaunt meine Augenbrauen, das war das Erste, was ich hörte.
»Ach, und wieso nicht?«
»Das ist eine längere Geschichte und ehrlich gesagt, geht es dich nichts an«, sie presste die Lippen zusammen.
Da war sie wieder, die alte Jeanie, ekelig und arrogant, wie wir sie kannten und hassten. Ich bemerkte, wie Josh neben ihr kurz nach Luft schnappte.
Jeanie räusperte sich umständlich.
»Auf jeden Fall, bin ich auch nur gekommen, um dich zu warnen, Natascha«, sie blickte mich gespannt an.
Mich warnen? Wovor? Vor dem nächsten Schnee? Laut sagte ich zu ihr:
»Und was bitte ist so wichtig, dass du extra hergekommen bist?« Ich war leicht verärgert über so viel Arroganz.
Sie tauschte einen schnellen Blick mit Josh.
»Der hohe Rat sucht nach dir, sie wissen, wo du dich die meiste Zeit aufhältst.« Jeanie warf mir einen prüfenden Blick zu, dann blickte sie wieder auf ihr Glas, das sie in der Hand hielt.
»Sie werden jemanden schicken, der mit dir reden soll. Dich ausfragt«, erneut geriet sie ins Stocken.
»Ja? Und weiter?«, fragte ich.
»Es geht natürlich um … letzten Sommer. Um deinen Sohn und dieses Halbblut … ich meine den Vampir, Justin.«
Bei der Erwähnung seines Namens sah ich kurz wieder diese Augen vor mir. Seine schönen braunen Augen und wie sie sich langsam zu Raubtieraugen veränderten.
»Ja und?« meine Verärgerung war schon fast greifbar.
»Also, es geht darum, da Dennis nun mal dein Sohn war und Justin von dir verwandelt wurde, wollen sie wohl einen schicken, der dich … na ja, prüft.« Wieder tauschte sie einen schnellen Blick mit Josh aus. Dann seufzte sie und sah auf ihre Hände.
Josh wendete sich mir zu.
»Hör mal meine Süße, es ist im Prinzip ganz einfach. Der hohe Rat schickt einen Kerl, einen Abgesandten, vorbei, der soll prüfen, ob dein Blut wirklich so verseucht und … böse ist. Außerdem will er aus deinem Munde die Ereignisse hören, schließlich hast du auch einiges verloren. Und Franks Tod soll geprüft werden.« Josh atmete ein bisschen schneller als sonst.
»Und wer soll das sein?« fragte ich gespannt.
»Das wissen wir nicht, aber du kannst ihn wohl als deinen«, Josh schmunzelte kurz, »Rechtsbeistand betrachten. Er ist weder auf deiner Seite, noch auf der Seite des Rates. Er ist zwar einer von ihnen, aber man könnte ihn als … nun ja, als neutral betrachten. Vielleicht ist danach der Rat nicht mehr hinter dir her, betrachte es mal von dieser Seite.« Josh lächelte ein bisschen schief.
Читать дальше