»Aber bitte bedenke, von wem ich dieses verseuchte, dreckige Blut bekommen habe«, ich grinste frech, »der Spender muss wohl auch ein böser, verseuchter Dreckskerl sein, meinst du nicht?«
Während ich näher kam, zog sich Franks Gesicht immer düsterer zusammen, als ich endlich vor ihm stand, hatte er eine Mordswut auf mich.
Seine Augen sprühten vor Zorn, seine Hände waren zu Fäusten geballt, ein leises, warnendes Knurren kam aus den Tiefen seines Körpers.
»Pass auf, was du sagst«, knurrte er mich an.
Ich fasste den Spaten, hinter meinem Rücken, fester, blitzschnell beugte ich meinen Kopf vor, nahe an sein Gesicht.
»Ich passe immer auf, vor allem darauf, was ich tue.«
Das war wohl zu viel für ihn, seine Hand schnellte vor und er versetzte mir einen Schlag gegen die Brust, dass es mich von den Füßen hob und ein paar Meter zurück schleuderte.
Ich zerbrach beim Aufprall einen Grabstein und blieb keuchend darauf liegen. Den Spaten hatte ich verloren, da ich während des Fluges wild mit meinen Armen ruderte. Ich hob meinen Kopf und sah zwei Dinge fast gleichzeitig: Frank, der mit gesenktem Kopf und geballten Fäusten langsam auf mich zukam und meinen geliebten Spaten, der nur zwei Meter entfernt, etwas seitlich von mir auf dem geharkten Friedhofsboden lag. Ich spannte meinen Körper an, in einem ungeheuren Tempo, das ich selbst nie für möglich hielt, schnellte ich aus meiner liegenden Position auf den Spaten zu. Packte ihn mit beiden Händen und schlug damit in Franks Richtung. Er hatte nicht mit meiner schnellen Gegenwehr gerechnet. Er war wirklich vollkommen überrascht.
Der Spaten traf nicht seinen Hals, er traf ihn seitlich am Kopf, in der Eile hatte ich zu hoch gezielt. Auch hatte ich das Blatt nicht gerade gehalten, sondern hochkant. Ich erreichte nur, dass der Spaten Franks Kopf bis fast zur Mitte hin eindrückte. Seine linke Gesichtshälfte war verschwunden, zerquetscht, als hätte ihn sein eigener Jeep gerammt. Blut floss, aber nur wenig. Ich hob den Spaten an und schlug nochmals zu, auf die gleiche Seite. Es riss ihn herum, er taumelte. Ein erneuter Schlag von mir, diesmal zu seinem Hals schleuderte ihn zu Boden.
Da lag er nun vor mir, mein Erzeuger. Ich hatte ihm vertraut, mein Dasein anvertraut, wie konnte ich nur.
Ich stürzte auf ihn zu und stellte die Kante des Spatens genau auf seinen Adamsapfel. Frank war schwer angeschlagen. Seine linke Gesichtsseite war einfach weg. Sein rechtes Auge fixierte mich, aber es lag keine Drohung in seinem Blick.
»Du bist böse«, krächzte er.
»Ich weiß«, antwortete ich ihm und lächelte süffisant.
Sein Blick ging kurz zu meinem Spaten, auf dem ich gestützt lehnte.
»Tu es!«, er fixierte mich.
»Das habe ich auch vor. Du hast zu viel Schlechtes verbreitet, du hast jegliches Recht auf Gnade verwirkt. Du hast es verdient zu sterben.«
»Du traust dich ja doch nicht«, sein Lächeln war voller Arroganz.
Etwas in meinem Gesicht verriet meine Entschlossenheit, sein Auge wurde größer vor Erkenntnis, er zog die Luft scharf ein.
»Oh doch.« Damit stieß ich den Spaten herunter. Es gab ein knackendes und knirschendes Geräusch, als das Spatenblatt seinen Hals durchtrennte. Ich musste ihn wieder aus der Wunde ziehen und nochmals zustoßen, diesmal mit mehr Schwung. Dann war Frank seinen Kopf los.
Ich kickte ihn ein paar Meter weiter, man konnte ja nie wissen, wenn die beiden Körperteile nah genug beieinander waren, vielleicht wuchsen sie ja wieder zusammen.
Der Geruch von Franks Blut schwebte über mir, mein Monster, das bis dahin geschlafen hatte, war blitzartig wieder wach. Es kreischte und jaulte.
Es hatte recht, warum auch nicht.
Ich musste mich beeilen, sonst war nichts mehr da.
Ich nahm Franks schlaffen Arm und biss ihm kräftig in die Pulsadern. Sein Blut strömte mir entgegen, ich trank es gierig und schnell. Beinahe schnell genug, sodass ich kaum bemerkte, wie schlecht es schmeckte, wie scheußlich es sich in meinem Mund anfühlte.
Als es meine Kehle herunter floss breitete sich in meinem Körper ein warmes, wohliges Gefühl aus.
Ich hatte meine Beute gejagt und besiegt. Das war mein Lohn. Mein süßer Lohn. Ich hatte es mir verdient.
Plötzlich fühlte ich Feuer in der Hand und im Mund. Der unerwartete Feuerstoß versengte mir die feinen Haare im Gesicht. Ich verschloss rasch die Augen und ließ mich nach hinten fallen. Franks Körper brannte, sein Kopf ein paar Meter weiter hatte auch Feuer gefangen.
Ich starrte in die Flammen, sie zeichneten ein bizarres Muster auf die umliegenden Grabsteine und wahrscheinlich auch auf mein Gesicht.
Es war vollbracht, ich hatte ihn wirklich getötet. Über vierhundert Jahre Vampirdasein, getötet.
Meinen Erzeuger, getötet. Meinen ehemals Vertrauten, meinen Mentor, ermordet. Ich ließ mich rückwärts auf einen Grabstein fallen und blickte in den dunklen Himmel. Ich war erschöpft, total ausgelaugt. Todmüde aber glücklich. Ich hatte es geschafft.
Jetzt war ich nur noch gespannt darauf, was das Blut in mir anstellen würde.
Es war so ziemlich das Erste, was man als Vampirneuling lernte. Beiße niemals einen anderen Vampir und trinke sein Blut, egal wie durstig du bist. Dass es einfach scheußlich schmeckte, hatte ich gerade erfahren, was es aber noch mit mir machen konnte, das wusste ich nicht. Das wurde mir nie erzählt.
Vielleicht war es in der Lage mich zu töten. Vielleicht machte mich sein verunreinigtes, böses Blut aber auch nur noch stärker. Vielleicht passierte gar nichts. Wahrscheinlich war es nur eine Legende, ein Mythos, damit die Vampire nicht gegenseitig übereinander herfielen.
Ein Geräusch ließ mich hochfahren und zu meinem Todesspaten greifen. Das Feuer glimmte nur noch vor sich hin, bald war nichts mehr übrig von Frank.
Ich sah Dennis und Justin um die Ecke eines Mausoleums biegen. Sie erstarrten beide in der Bewegung, als sie mich und die glimmenden Überreste erblickten. Ich hockte noch auf dem Grabstein, der Spaten lag auf dem Boden vor mir. Meine Hände waren um den Stiel gekrallt. Ich war zum Schlag bereit.
Dennis fand wohl als Erster aus seiner Erstarrung. Mit einem Löwengebrüll rannte er auf mich zu. Mitten in seinem Angriff bekam er meine Waffe zu spüren. Er klappte mit einem seltsamen Geräusch einfach zusammen, krümmte sich auf dem Boden liegend. Ich hob meinen Spaten und stellte ihn meinem Vampirsohn auf den Hals. In Dennis’ Blick flammte Panik auf, er blickte fieberhaft zwischen dem Blatt und meinem Gesicht hin und her. Ich wollte mich gerade fester auf den Stiel stützen, da wurde ich von Justin weggefegt. Er hatte mich mit seinem Körper gerammt und ich flog im hohen Bogen durch die Luft. Diesmal landete ich auf dem weichen Weg.
Ich sah, wie Justin Dennis aufhalf, sie standen mir jetzt gegenüber. Zwei Vampire, zwei mordsmäßig wütende Vampire. Justins Augen sprühten vor Hass und Wut.
Diesmal hatte ich meinen Spaten bei dem Flug nicht verloren, ich hielt ihn noch in meiner Hand, hob ihn an und sagte:
»Er hatte es verdient.«
Ein leises Knurren war die Antwort.
Ich blickte zu Justin, meinem lieben, netten Justin. Sein Monster schien nicht mehr weichen zu wollen. Sein Gesicht war eine einzige verzerrte Fratze, die Zähne lang und spitz die Augen gelb und kalt.
»Was hat er dir erzählt?«, fragte ich ihn.
»Das geht dich gar nichts an«, seine Stimme war eisig, »nichts, was mich betrifft, geht dich noch etwas an.«
Ich zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte meinen Kopf, ich konnte es einfach nicht verstehen.
»Justin … ich …«, war alles, was ich herausbrachte.
Dennis fasste Justin am Arm und zog ihn weg.
»Komm, wir haben noch etwas zu erledigen. Es gibt noch ein wenig Rache zu üben, die ich auskosten möchte.«
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