1 ...7 8 9 11 12 13 ...42 diese Worte sehr erschrocken; sie merkte wohl, daß
jene sie verraten hatten und daß sie in ihr Netz gegangen
war, und vor Schmerz wurde sie ohnmächtig.
Margiste ging nun fort und ließ die Königin in den
Händen Tyberts. Sie begab sich in das Gemach des
Königs, und als sie ihre Tochter erblickte, fiel sie vor
ihr auf die Knie: »Gnade, Herrin,« flehte sie, »um
Gottes willen. Wenn Ihr wüßtet, wie ich meine Tochter
zugerichtet habe, würdet Ihr nicht sagen, daß ich
mitschuldig wäre.« – »Schweigt, alte Vettel,« sagte
der König, »Eure Untreue ist erwiesen. Ihr wolltet
insgeheim Bertha, meine Gemahlin, ermorden. Eure
Tochter wird ohne Erbarmen verbrannt.« »Herr,«
sagte Aliste, »glaubt nicht, daß diese Alte jemals
einen Verrat begangen hätte, es gibt keine tüchtigere
Frau auf der weiten Welt. Aber ihre Tochter hat stets
für etwas beschränkt gegolten und gleichsam für irrsinnig.
Herr, ich bitte Euch um eine Gnade, um die
erste, seit ich Euer Weib bin und Krone trage: ich
bitte Euch bei der Treue, die Ihr mir geschworen habt,
daß diese Angelegenheit verschwiegen und verheimlicht
werde. Kein Mensch soll etwas davon erfahren,
weil ich doch die Magd mitgebracht habe. Laßt vielmehr
drei Diener die Magd fortbringen, sie sollen sie
in ein fernes Land führen und dort eingraben oder erwürgen
oder was sie wollen, jedenfalls soll sie sterben.
« »Herrin,« stimmte die Alte bei, »Euer Rat ist
gut. Auch ich wünschte, sie würde enthauptet oder ertränkt
oder sonstwie zum Teufel geschickt.« Der
König bewilligte die Bitte, und die Alte wurde beauftragt,
die Sache zu Ende zu führen. Der König erhob
sich, denn er wünschte, daß die Angelegenheit schnell
erledigt werde; er rief drei Diener und sandte sie, ohne
ihnen die näheren Umstände darzulegen, zu Margiste
mit dem Auftrage, alles auszuführen, was ihnen diese
befehlen würde. Die Alte zeigte ihnen das Zimmer,
wo Bertha lag: »Kommt alsbald wieder, die Sache
eilt.« Dann wandte sie sich seufzend und weinend
zum König: »Nun ruht aus, Herr. Ich versichere Euch,
daß Ihr nie wieder von der Dirne sollt reden hören,
ich erkenne sie nicht mehr als meine Tochter an, das
schwöre ich Euch, weil sie meine Herrin ermorden
wollte.« Auch die Magd, ihre Tochter, begann zu weinen,
und der König suchte sie zu trösten: »Weinet
nicht um die Mörderin und laßt sie gehen, sie könnte
Euch nochmals töten oder vergiften wollen. Seid Ihr
schwer verwundet, Liebste? Sagt es mir offen!«
»Nein,« sagte sie, »es ist nicht so schlimm, nur als ich
das Blut sah, erschrak ich. Ich will Euch die Wunde
zeigen, geht und sperrt die Türe zu!«
Tybert und die Alte luden indessen Bertha auf
einen alten Klepper, und die drei Männer führten sie
gleich nach Tagesanbruch davon, Tybert begleitete sie
als vierter. Das Weib ersuchte Tybert, der ihr Vetter
war, er möge ihr das Herz Berthas zurückbringen,
und dieser versprach, es nicht zu vergessen. Bertha
weinte und betete, denn sie wußte nicht, wohin man
sie führte. Fünf Tage lang reisten sie, bis sie in einen
großen Wald gelangten, es war der von Le Mans.
Hier machten sie unter einem Olivenbaum halt: »Ihr
Herren,« sagte Tybert, »wir brauchen nicht weiter zu
gehen.« Dann stiegen sie von den Rossen. Einer der
drei Begleiter hieß Moraut, er war ein tüchtiger Ritter.
Sie hoben die Königin vom Pferd; es war das erste
Mal, daß sie sie mit ihren Händen berührten, denn
Tybert hatte niemanden sich ihr nähern lassen. Als sie
sahen, wie schön sie war, klagten sie um sie, aber Tybert,
der Schurke, zog sein Schwert und sprach:
»Zieht euch zurück, ihr Herren, mit einem Schlage
werde ich ihr jetzt den Kopf abtrennen.« Als Bertha
das Schwert sah, streckte sie ihre Arme mit flehender
Gebärde aus, denn reden konnte sie nicht wegen des
Knebels. »Tybert,« rief Moraut, »schlage nicht zu,
denn, beim allmächtigen Gott, ich würde dir Haupt
und Glieder abhauen oder nie nach Frankreich zurückkehren.
« Tybert zürnte sehr, als es ihm nicht gestattet
wurde, Bertha zu töten. Aber kaum hatte er
sein Schwert gezogen, so packten ihn die drei Männer
von der Seite und zwangen ihn auf die Knie. Sie rissen
ihre Schwerter heraus, und während die beiden
andern den Schurken Tybert festhielten, band Moraut
mitleidig die Königin los und nahm ihr den Knebel
aus dem Munde. »Flieht, schöne Frau, und der Herr
geleite Euch!« Bertha eilte in den Wald und dankte
Gott, als sie in Sicherheit war. Als Tybert ihre Flucht
bemerkte, sagte er zornig: »Schlecht habt ihr gehandelt,
ihr Herren; ich werde euch alle hängen lassen,
wenn wir daheim sind.« »Herr,« sagte Moraut, »wißt
Ihr, was wir tun? Ich rate, daß wir das Herz eines
Frischlings mitnehmen und es Frau Margiste zeigen,
auf diese Weise werden wir uns vor Tadel wahren,
denn Ihr wißt, daß wir versprochen haben, das Herz
jener Frau heimzubringen. Wenn Ihr nicht einverstanden
seid, Tybert, so töten wir Euch auf der Stelle.«
»Der Rat ist gut,« sagte Tybert, »da sie entflohen ist,
müssen wir sehen, uns vor Vorwurf zu wahren.«
Sie taten, wie Moraut geraten hatte. Die Alte hatte
eine große Freude, als sie ihren Bericht hörte. »Ihr
Herren,« sagte sie, »ich will euch reich belohnen. Jene
war das schlechteste Weib, seit die Welt steht.«
Bertha hatte indessen den Wald durchschritten und
gelangte nach mannigfachen Gefahren in das Haus
eines biederen Mannes Namens Simon, der ihr bereitwillig
Unterkunft gewährte. Sie ernährte sich mit
Handarbeiten und blieb neun Jahre lang im Hause Simons
wohnen. Um diese Zeit brach die Königin Blancheflur
von Ungarn auf, um ihre Tochter zu besuchen.
Auf ihrer Reise traf sie einen Bauern und befragte ihn
über die Königin, von deren Herrschaft sie nichts
Gutes gehört hatte. »Frau,« erwiderte jener, »ich muß
mich über Eure Tochter beklagen! Ich hatte ein einziges
Pferd, mit dem ich für mich, meine Frau und
meine kleinen Kinder mein Brot verdiente. Sechzig
Groschen hat es mich gekostet, und ich brachte auf
ihm meine Waren in die Stadt. Das hat sie mir wegnehmen
lassen. Gott strafe sie dafür!« Die Königin
hatte Mitleid mit dem Bauern und ließ ihm hundert
Groschen in die Hand drücken, wofür er ihr dankbar
den Steigbügel küßte.
An einem Montage ritt die alte Königin in Paris
ein. Pippin hörte es und brachte voll Freude seiner
Gattin selbst die Nachricht. Als die Magd diese Botschaft
hörte, wurde sie sehr bestürzt, doch stellte sie
sich, als ob sie lache. Sogleich rief sie ihre Mutter und
Tybert und fragte sie um Rat. »Ich rate,« sagte die
Alte, »daß meine Tochter sich krank stellt. Um nichts
in der Welt darf sie ihr Bett verlassen. Können wir
den Betrug solange durchführen, bis die alte Königin
heimkehrt, so brauchen wir fürderhin nichts mehr zu
fürchten.« Der Rat wurde befolgt; sogleich wurde ein
Lager hergerichtet, und die Magd legte sich nieder
und stellte sich krank. Der König, den die angebliche
Krankheit seiner Frau sehr bekümmerte, ging allein
der alten Königin entgegen. »Was macht Bertha,
meine Tochter?« war ihre erste Frage. »Ach, Herrin,
sobald sie erfuhr, daß Ihr kämet, wurde ihr Herz von
Freude so bewegt, daß sie sich niederlegen mußte,
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