Ich sehe mich um und Leutnant Backes erklärt mir kurz und bündig was ich gerade vor mir habe.
Die Reaktorkontrollen, die Trimmung um das Boot um Gleichgewicht zu halten, diverse Hilfssysteme und natürlich die Bordcomputer. Das „Kleinhirn der Avignon“, wie mein Begleiter lächelnd erklärt.
„Captain DuPont hört es nicht gerne wenn man Ihn als Kleinhirn tituliert. Er ist schließlich der Chef!“
„Kann ich verstehen. Ich würde mir auch nicht von Maschinen erzählen lassen was ich machen muss!“
Die Tour geht weiter bis zu dem achter Torpedoraum und wieder Retour. Wie erwartet nimmt uns die Wache in Empfang als wir auftauchen. Wir kommen durch die Messe und die Offiziersquartiere, dann begeben wir uns in den vorderen Bereich des Bootes.
Backes öffnet ein Schott und wir stehen im Leitstand Bravo, ebenfalls bewacht von zwei Aufpassern. Hier befinden sind die Waffenkontrollsysteme, die Sonar-Spezialisten und eine „Karte“ an der Wand. Es ist ein großer Flachbildschirm etwa 100 cm Diagonale und mit sehr guter Auflösung. Die Avignon ist darauf zu sehen und der I Offizier vergrößert sie auf maximalen Zoom. Ich sehe zu ihm rüber und er winkt mir. Ich winke zurück. Keiner spricht hier.
Sehr diszipliniertes Personal, muss ich schon sagen. Plötzlich fällt einem der Männer etwas hin. Ein
Schüssel oder sowas. Der I Offizier sieht ihn an und spreizt alle Finger seiner rechten Hand zweimal.
Der Delinquent beginnt daraufhin wortlos mit seinen Liegestützen. 100 Stück. Er ist am Schluss ganz rot im Gesicht, sagt aber nichts und verkneift sich das schnaufen. Er atmet schwer aber nicht besonders laut. Von den anderen nimmt keiner bewusst davon Notiz. Wahrscheinlich müsste jemand der darüber lacht oder faxen macht direkt 200 pumpen oder sonst was machen.
Ich stelle mich neben den I Offizier und gebe ihm die Hand. Er und Backes deuten mit Fingern und im Flüsterton auf die einzelnen Sektionen. Auf dem Sonardisplay zeigen sie mir den Ausschlag, den der Mann eben mit seiner Unvorsichtigkeit verursacht hat. Der Begriff „Tarnen und Täuschen“ hat hier ganz andere Dimensionen. Dann zeigt man mir die Steuerung für die Torpedos und die Palette an Abwehrmaßnahmen. An Bord des Schiffs befinden sich zwei verschiedene Sorten von Torpedos wie ich erfahre. Einmal 21 „normale“ und dann noch mal 20 K-Torpedos. Wohl aus praktischen Erwägungen hat man hier auch noch ein Standard Waffensysteme vorgesehen.
Die Sonargeräte sind an über 40 Stellen entlang des Schiffskörpers angebracht umso jedes Geräusch zu lokalisieren und zuzuordnen. Dazu auch noch Kameras, Infrarotsensoren und Magnetfeld Messgeräte. Diese Sensoren erkennen jede Art von Magnetfeld, das sich nähert. Sowohl die Feldänderungen die ein Lebewesen verursacht, als auch ein Schiff das sich nähert. An alles wurde gedacht. Auf einem Bildschirm zeigt mir der I Offizier den Ausschlag, den ich durch meine Anwesenheit verursache. Es ist nur eine kleine Linie auf einem Bildschirm.....
Backes gibt mir ein Zeichen und wir gehen weiter. Das hier ist schlimmer als das Funkverbot von Roland, damals in Baumholder. Damals?? es kommt mir vor als wären Jahre vergangen und dabei sind es gerade mal drei Monate. Wie die Zeit vergeht wenn man zurückblickt.
Wir passieren das Schott und sind im Gang für die Mannschaftsquartiere. Auch hier ist es etwas rustikaler, ein schöner Anblick für das Auge. Am Ende des Gangs befindet sich die Kapitänskajüte.
An der linken Seite der Tür befinden sich zwei Lampen. Die Rote leuchtete und signalisiert eine eindeutige Botschaft. Wir gehen weiter und kommen an den Leitstand Alpha.
Leutnant Backes klopft per Knopfdruck an und wie von Zauberhand öffnet sich die Tür. Ich komme in einen Raum der sich völlig von den vorherigen unterscheidet. Keine Konsolen, keine Bildschirme nichts was man vermuten würde. Ich sehe mich um und finde nichts was ich als Indiz für eine wichtige Kommandozentrale halten würde.
Ich sehe drei Männer mit Helmen und heruntergelassenem Visier. An der goldenen Farbe erkenne ich den Captain. Die beiden silbernen scheinen „Gehilfen“ zu sein.
Backes zieht die Augenbrauen hoch, was ich als Geste des „Beeindrucken wollen’s“ interpretiere.
Captain DuPont dreht sich in meine Richtung und winkt. „Kann er mich denn sehen“: denke ich und winke verstört zurück. Ich gehe auf ihn zu und blicke ungläubig auf dieses Trio.
Nach einigen Sekunden setzt er den Helm ab und ich sehe sein Gesicht. Er winkt mich zu sich und deute mit einer Geste an, mir den Helm aufzusetzen. Es ist etwas ungewohnt, weil der Helm an die Kopfform seines Besitzers angepasst ist. Aber es geht. Ich sehe jetzt was sonst nur der Captain sieht.
Eine Rundumsicht um das Schiff. Es ist allerdings hell und ich kann sogar auf den Meeresboden unter dem Boot blicken. Ich kann einen Schwarm Fische erkennen. Ich drehe mich einmal im Kreis und sehe alles um die Avignon herum. Nach einer Minute setze ich den Helm wieder ab und gebe ihn an seinen Besitzer zurück. Er sieht an meinem Gesichtsausdruck, dass ich beeindruckt bin. Ich dachte das Periskop System beim Wiesel III wäre eine Innovation, aber gegen das hier verblasst es zum Highlight der Cebit ...1992. Der Captain sieht zu seinem II Offizier und nickt. Dann zieht DuPont den Helm kurz wieder an. Ich sehe wie er mit seiner rechten Hand anfängt in der Luft zu tippen. Dann ertönt ein leises Pfeifsignal. Der Captain klingt seinen Helm aus und Backes nimmt einen anderen aus einem Fach an der Wand. Anscheinend war das sowas wie ein Wachwechsel. Backes übernimmt den Ausguck des Captains und DuPont baut seine Kontrollteile ab. Der Leutnant klingt seinen Datenhandschuh und den Helm in die Glasfaserleitungen, die von der Decke herabhängen und begibt sich dann in die virtuelle Welt des Meeres.
„Wir können jetzt in normalen Ton miteinander reden. Mr. Schneider“: sagt DuPont lächelnd.
„Wow, ich bin schwer beeindruckt Captain. Sowas habe ich nicht erwartet. Als ich hörte, dass es einem französischen U-Boot gelungen ist sich zu uns durchzuschlagen, dachte ich natürlich nicht an sowas“.
„Ging mir beim ersten Mal auch so. Ich habe ihnen nicht Zuviel versprochen. Dieses Boot ist das modernste Kriegsschiff auf diesem Planeten. Unser Kampfkraft übersteigt die von allen bisher gebauten Klassen um mindestens zwei Zehnerpotenzen. Abgesehen von den atomaren Waffensystemen. Da mussten wir Abstriche machen wegen des Gewichts!“
„Ich weiß. Der Leutnant hat mit alles erzählt“.
„Kommen sie ich zeige ihnen den Rest der Bugsektion!“
Wir verlassen den Leitstand Alpha und ich werde vom Chef persönlich durch das Boot geführt. Hier und da höre ich jetzt auch mal das ein oder andere Gespräch.
„Sagen sie Captain, warum haben wir vorhin so still sein müssen? Erwarten sie etwa ein feindliches U-Boot,... in diesen Gewässern?“
„Marschieren sie laut trampelnd durch den Wald, wenn sie in eine Übung gehen oder einen Einsatz?“
„Nein,.. natürlich nicht? Hab verstanden!“
„Ich habe meinen Männern in mehreren Monaten beigebracht fast völlig lautlos zu operieren, dass lasse ich jetzt jeden Tag für drei bis fünf Stunden üben. Dann brauche ich mir im Einsatz keine Gedanken machen, dass einer durch sein Geschwätz oder Fingertippen auf der Konsole unnötigen Lärm verursacht. Sie müssen bedenken, für ein U-Boot ist es die wichtigste Eigenschaft unauffällig zu sein. Wenn man uns entdeckt können wir uns zwar verstecken oder weglaufen, aber dann könnten wir unseren Auftrag eventuell nicht mehr erfüllen!“
„Ja ich verstehe, das ist an Land nicht anders!“
„Es gilt für alle Ebenen des Kriegs. Unter Wasser, auf dem Wasser, an Land und in der Luft!“.
Ich nicke und verinnerliche was man mir sagt. Der Captain führt mich dann noch bis in den Bugtorpedoraum und erklärt mir einige Details über die Reichweite der Waffen und deren Schlagkraft.
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