„Susan Taylor willst Du mich heiraten?“, fragte er mich mit leicht zitternder Stimme und holte einen schönen, schlichten, aber vermutlich auch sehr teuren Ring aus der Brusttasche seines Hemdes.
Ich schluckte erneut und war plötzlich sehr nervös. Doch als ich in seine Augen sah und ein Funkeln voller Gefühl entdeckte, antwortete ich schnell. „Ja, Scott. Ich will Deine Ehefrau werden.“
Augenblicklich fiel die Anspannung von ihm ab und er strahlte über das ganze Gesicht. Mit zittrigen Fingern steckte er mir seinen Verlobungsring an den linken Ringfinger und küsste mich dann sehr zärtlich.
Ich erwiderte seinen Kuss und drückte meinen Körper danach innig an ihn. Ich war in diesem Moment so überglücklich, dass der Mann mit dem ich leben wollte, dies auch mit mir wollte.
Als ich seine Eltern dann das erste Mal traf, war ich sehr aufgeregt. Doch die Tatsache, dass ich nun offiziell Scotts Verlobte war, gab mir Kraft seinen strengen Eltern zu begegnen.
Vor der Tür zu seinem Elternhaus verließ mich jedoch plötzlich mein Mut und ich blieb abrupt stehen. Scott ahnte, dass ich Angst hatte vor diesem Zusammentreffen und munterte mich wieder auf. „Susan, egal was meine Eltern sagen oder tun. Bitte vergiss nie, dass ich Dich liebe so wie Du bist.“ Er lächelte mich liebevoll an und gab mir einen Kuss.
Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür und seine Mutter schaute uns überrascht an. „Aber Scott“, ermahnte sie ihn mit harter, kühler Stimme, „heb Dir die Küsserei für die Flitterwochen auf und konzentriere Dich jetzt lieber auf Dein Studium.“
Beide erschraken wir und zuckten zusammen. Scott fand zuerst seine Stimme wieder und begrüßte seine Mutter mit einem fröhlichen: „Hallo Mutter, darf ich Dir meine Verlobte Susan Taylor vorstellen?“ Doch ich sah und spürte wie respektvoll er ihr begegnete.
Seine Mutter nickte und reichte mir förmlich ihre Hand. Ich ergriff sie und begrüßte sie meinerseits.
„Frau Vandbuild, wie schön dass ich Sie kennenlerne“, sagte ich höflich zu ihr und lächelte so freundlich wie es mir möglich war. Sie nickte höflich und musterte mich scharf. Scott hatte damit gerechnet und mir vorsorglich von seinem Studentengeld ein paar neue Kleidungsstücke gekauft, extra für den Besuch bei seinen Eltern.
Entsprechend positiv fiel der erste Eindruck von mir bei seinen Eltern aus. Denn auch sein Vater legte viel Wert auf gute Kleidung und vor allem gute Manieren. Ich war daher froh, viel von meiner Mutter gelernt zu haben, die zwar kein Geld, dafür aber gute Manieren hatte.
Seine Eltern strahlten eine unangenehme Kühle aus, die mich frieren ließ. Sie schienen nett und freundlich, doch das war nur Fassade. Ich schaute in ihre Gesichter und bemerkte dabei, dass Scott die Gesichtszüge seiner Mutter hatte und die Augen und die Nase seines Vaters, aber woher er seine menschliche Wärme und seine Sensibilität hatte, blieb mir ein Rätsel.
Ich lernte auch Scotts Geschwister kennen. Seinen älteren Bruder Brad mochte ich gar nicht. Er wirkte sehr arrogant und stimmte seinen Eltern, im Gegensatz zu Scott, in allem zu. Seine jüngere Schwester Lisa hingegen war sehr nett und machte mir, neben Scott, dieses Wochenende bei seiner Familie ertragbar.
Denn ich wurde von seinen Eltern geprüft wie bei einem mündlichen Examen an der Uni. Nur wusste ich vorher nicht um welche Themen es ging und musste daher, schnell und möglichst knapp ihre Fragen beantworten. Lisa und Scott unterstützten mich dabei.
Obwohl Scott und ich verlobt waren, durften wir nicht im selber Zimmer, geschweige denn im selben Bett schlafen. Ich übernachtete daher im Gästezimmer und Scott in seinem ehemaligen Jugendzimmer. Uns beiden viel es schwer ohne den jeweils anderen zu schlafen, doch es waren nur drei Nächte. Außerdem konnten wir uns tagsüber immer mal wieder kurz weg schleichen und dann Zärtlichkeiten austauschen.
Ich hatte seine Eltern und seine Geschwister zwar kennenlernen wollen, doch hatte ich nicht damit gerechnet, dass diese Familienzusammenkunft in einer derartig unangenehmen Form stattfinden würde. Denn alles war genau organisiert. Das Essen wurde zu festen Zeiten eingenommen und selbst ein Spaziergang durch die nahen Wälder war auf die Minute getimt, da sein Vater zwischendurch noch Geschäfte abwinkeln wollte.
Schnell stellte ich fest, dass Reichtum auch seine Schattenseiten hatte. Zumindest dann, wenn man so verschroben war wie die Eltern von Scott, denen die Meinung der Nachbarn und die Wirkung gegenüber der Köchin, dem Gärtner oder dem Fahrer wichtiger war, als das eigene Privatleben.
Erleichtert atmete ich daher auf, als wir wieder zur Universität fuhren.
Ein paar Wochen später besuchten wir dann meine Mum und meine Geschwister zu Weihnachten. Scott wollte für alle zumindest ein kleines Geschenk kaufen, doch ich hielt ihn erfolgreich davon ab.
„Scott, es ist sehr lieb von Dir, wenn Du allen ein Geschenk machen möchtest. Doch die Wirkung, die Du damit erzielst, ist nicht die, die Du Dir davon erhoffst.“ Er sah mich irritiert an und legte seine Stirn in Falten.
Traurig lächelnd erklärte ich ihm was ich meinte. „Meine Familie ist arm. Wir können uns gerade einmal genug zu essen kaufen und ordentliche Kleidung. Wenn Du nun kommst und jedem etwas schenkst, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist, dann freuen sie sich zwar, aber sie sind auch beschämt, weil sie wahrscheinlich nie so großzügig sein werden können wie Du.“ Betroffen nickte er.
„Du hast Recht. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.“ Seufzend fragte er. „Aber wir können doch auch nicht mit leeren Händen kommen, oder?“ Ich nickte. „Stimmt und deshalb habe ich mit meiner Mum abgesprochen, welche Lebensmittel und sonstige Dinge für den Haushalt sie braucht. Das werden wir besorgen. Auf diese Weise beschämen wir niemanden und meine Mum braucht sich keine Sorgen wegen des Weihnachtsessens zu machen.“ Lächelnd schaute ich ihn nun an.
Grinsend und verständnisvoll, nahm er mich in den Arm und sagte freudig. „Schön, dass Du mir das erklärt hast. So werde ich als Sohn, reicher Eltern, nicht sofort in ein Fettnäpfchen treten.“ Wir lachten beide und zumindest ich freute mich sehr meine Mum und meine Geschwister nach längerer Zeit wiederzusehen.
Den Weihnachtseinkauf packten wir nicht in die Corvette von Scott, sondern in einen gemieteten weniger teuer wirkenden Wagen. Erleichtert hatte ich meinen Verlobten davon überzeugen können, dass es besser war, auch mit dem Auto nicht zu viel Reichtum auszustrahlen. Zwar war es mir auch ein wenig peinlich, dass Scott so viel Rücksicht auf meine Familie nehmen musste, doch es war mir sehr wichtig, dass es ein schönes Weihnachtsfest für alle wurde.
Das Navigationssystem von Scotts Mietwagen führte uns zwar an den Ort an dem meine Familie wohnte, doch die letzten Kilometer musste ich ihn selber lotsen. Unsere Straße war aus irgendeinem Grund nicht im Computer des Navis.
Meine Mum freute sich riesig mich zu sehen. Auch das Wiedersehen mit meiner Schwester und meinen Brüdern war eine gefühlvolle Angelegenheit. Scott wurde von allen mit so viel Freude und Herzlichkeit aufgenommen, dass er es kaum fassen konnte.
Beim Vorbereiten des Weihnachtsessens sagte mir meine Mutter: „Kindchen, ich weiß nicht wie Du das geschafft hast. Aber Dein Verlobter ist ein echt großzügiger Mensch. Hast Du gesehen, was alles in diesen Tüten steckt.“ Ich schüttelte meinen Kopf, obwohl ich genau wusste was wir eingekauft hatten.
„Dieser junge Mann verpflegt uns für mehr als eine Woche. Das ist so großzügig…“ Ihr kamen die Tränen der Rührung. Schnell nahm ich sie in meine Arme. „Mum, wir bleiben hier doch auch ein paar Tage und essen mit Euch, da mussten wir doch vorher einkaufen gehen.“ Sie nickte und wischte sich die Tränen der Freude von den Wangen.
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