Abends im Bett ließ Andrea der Plan von Peter und Alice keine Ruhe.
“Du, Klaus, wir fahren doch jetzt schon so viele Jahre hier runter und fühlen uns immer so wohl. Und den Kindern gefällt es doch auch, und außerdem könnten meine Eltern uns besuchen und wir meine Eltern in Fortuna. Es wäre doch schön, wenn wir hier auch eine Ferienwohnung hätten.“ “Naja schon, aber wer soll das bezahlen. Nerja ist zwar wirklich schön, aber auch ziemlich teuer“, seufzte Klaus. “Schatz, denk doch mal an die zwei Lebensversicherungen, die nächstes Jahr fällig werden. Davon könnten wir uns doch ein kleines Schmuckstück leisten“, versuchte Andrea Klaus zu überzeugen. “Also gut, wir werden uns die nächsten Tage mal die Maklerangebote ansehen. Aber nur, um erst mal einen Überblick zu kriegen“, versuchte Klaus Zeit zu schinden.
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Am nächsten Tag wollte Andrea aber zuerst nach Frigiliana, einer wunderschönen kleinen Ortschaft 15 Minuten Autofahrt oberhalb von Nerja. Die Kinder maulten, denn sie fanden das langweilig und wären lieber wieder zum Pool gegangen. Vor allem Anton, denn Marcs und Patricias Urlaub neigte sich dem Ende.
Also versprachen Thalers den Kindern, nur vormittags in das idyllische Bergdorf zu fahren, um nachmittags wieder Zeit zum Schwimmen zu haben.
Für Emma gab das Versprechen den Ausschlag mitzufahren, dass Andrea mit ihr in die kleinen Schmuckgeschäfte und Boutiquen in Frigiliana gehen würde. Denn Emma interessierte sich sehr für Modeschmuck und probierte mit ihrer Mutter furchtbar gerne Ringe, Ketten, Spangen und Armreifen aus.
Klaus, der es immer wieder vollkommen unpassend fand, wenn Andrea bei einer Fahrt in die Berge eine Handtasche mitnahm, bat Andrea, doch diesmal auf ihre Handtasche zu verzichten. Um des lieben Friedens willen stimmte Andrea letztlich zu. Emmas kleinen rosa Rucksack akzeptierte Klaus aber als passend für das Bergdorf.
Die beiden Jungs ließen sich dann auch gern überreden mitzufahren, weil Klaus ihnen versprach, dass die Familie in Acebuchal essen würde. Das hörte sich spannend an.
Denn Acebuchal war ein vergessenes Dorf in einer einsamen Schlucht, ungefähr 5 km hinter Frigiliana in den Bergen der Sierra Tejada Almijara. Benannt war der 50 Seelen Ort nach den wilden Olivenbäumen, die hier wuchsen. Eben den Acebuche.
Das Dorf war Ende der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts von den wenigen armen Menschen, die hier lebten und hart arbeiteten, aufgegeben worden. Denn die Bewohner wurden regelmäßig von der Guardia Civil, der Polizei, und den Soldaten des Diktators Franco verfolgt und eingesperrt, weil sich in dem Dorf Widerstandskämpfer gegen das Franco Regime versteckt hielten. Die Häuser verfielen und das einsame Dorf in der entlegenen Schlucht wurde vergessen.
Aber Ende der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts fanden sich die Erben der früheren Hausbesitzer zusammen und beschlossen, die verlassenen und zerstörten Häuser wieder aufzubauen und zu renovieren.
Zwei schmale, rot geklinkerte Gassen mit Treppen verbinden die ungefähr 20 Häuser. Es gibt eine kleine Kapelle, einen gemeinschaftlichen Swimmingpool und ein gemeinschaftliches altes Backhaus, das wieder funktioniert.
Jedes Haus ist auf seine Weise ein liebenswertes Unikat.
Für die Instandsetzung wurden alte Holzbalken, alte Steine und historische Türen verwendet. Jedes der weiß gekalkten Häuser hat Pflanzbecken mit Blumen vor der Tür und große Sonnenterrassen erlauben einen schönen Blick über das Tal zum Wald.
Die denkmalgeschützten Häuser werden jetzt an Wanderer und ruhesuchende Naturliebhaber, die dem Trubel der Küste entfliehen wollen, als Feriendomizil vermietet.
Unterhalb des Ortes verläuft ein kleiner Bach, an dem Esel und Mulis grasen. Und am Ortseingang wurde eine kleine Bar ausgebaut, auf deren zwei Terrassen die Besucher selbst gemachtes Brot mit einheimischen Spezialitäten und leckeren Salaten genießen können.
Die Zufahrt nach Acebuchal ist schon etwas abenteuerlich. Die Abzweigung von der Landstraße nach Torrox ist nur unscheinbar ausgeschildert. Dann schlängelt sich die enge Straße in Serpentinen zwischen hübschen Fincas den Berg hoch, nur um dann als Schotterweg immer enger werdend durch einen Kiefer- und Pinienwald in das Tal zu führen.
Emil und Anton fanden die Wanderwege, das Flussbett und die Höhlen, die es in der Nähe gibt, aufregend.
Und Andrea und Klaus liebten es, auf der Terrasse der kleinen Bar zu sitzen und in absoluter Ruhe ihre Canas, die kleinen Bierchen, samt den Tapas zu genießen. Andrea kaufte hier auch gern den selbst gemachten Honig, den sie mit nach Deutschland nahm. Zwei Gläser mit Wildhonig wollte Andrea ihrer Schwiegermutter Alma und Fräulein Saurbier als Dankeschön für das Blumengießen mitbringen.
Der denkmalgeschützte Ort Frigiliana stand ebenfalls in jedem Urlaub auf dem Programm.
Frigiliana wurde zu Recht als das schönste Dorf von Spanien ausgezeichnet. Der kleine Ort mit ungefähr 2500 Einwohnern liegt ca. 6 km oberhalb von Nerja, angeschmiegt an hohe Bergausläufer auf einem Südhang mit herrlichem Blick bis zum Meer.
Der vordere, neuere Teil ist weniger interessant.
Die Familie parkte unterhalb des neuen Ortsteils und Andrea und Emma gingen zu Fuß in den historischen Ortskern mit der Fußgängerzone und den vielen kleinen Geschäften. Vor dem Eingang zum historischen Kern befindet sich ein gepflasterter Platz mit den Resten einer alten Zuckerrohrfabrik. Darin ist das erste von vielen Kunstgewerbegeschäften untergebracht. Die dann folgenden, gepflasterten Gassen sind eng, steil und erschließen die weiß geschlämmten alten Häuser.
Viele der aneinander gebauten Gebäude haben nur einen kleinen Innenhof und eine Dachterrasse. Fast alle, der im maurischen Mudejar Stil errichteten kubischen Flachdachhäuser haben bunte Holztüren, Blumentöpfe mit Geranien an den Fenstern und Bougainville, Jasmin, Lavendel und andere mediterrane Pflanzen in Terrakottatöpfen vor oder hinter dem Haus. Die kleinen geschützten Innenhöfe heißen Carmenes.
Zwölf Keramikschilder sind im alten Ortskern an den Häusern und Mauern angebracht und weisen auf die Geschichte des Dorfes hin.
Vor der alten Kirche aus dem 16. Jahrhundert, die auf den Resten einer Moschee erbaut wurde, lädt ein kleiner Platz mit einem geschützten Café zum Verweilen ein. Überall gibt es kleine Geschäfte mit Kunstgewerbe aus der Axarquia, dem Gebiet auf der Südseite der Sierra Nevada.
Viele alte Brunnen, eine liebevoll gepflegte Pflanzenvielfalt, Galerien von Malern, Bildhauern, Goldschmieden und Fotografen sowie steile Treppen, die in das obere Labyrinth der engen Gassen führen, prägen den pittoresken Eindruck dieses idyllischen Ortes.
Im oberen Teil gibt es mehrere Restaurants und Bars, von deren Terrassen der Besucher einen atemberaubenden Blick über den Campo, den unterhalb von Frigiliana gelegenen Grüngürtel, bis nach Nerja und das blaue Mittelmeer hat. Die Luft ist etwas frischer, denn der Ort liegt über 400 Meter hoch.
Andrea machte mit Emma einen Bummel durch die Gassen um sich die Auslagen der Geschäfte anzusehen. Und Klaus verschwand mit Mila und den beiden Jungs mit Badesachen im Pozo Batan Alberca, einem angestauten Arm des Rio Higueron, um zu baden.
Emil und Anton sprangen von den 3 Meter hohen Felsen in das angenehm kühle Naturbad und Mila hopste ebenfalls mit Klaus vom Ufer ins Wasser.
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