Vatter- es heißt donde
Ein Haustraum(a) in
Andalusien
Hans-Jürgen Kampe
Für die Beste aller Ehefrauen und für die Besten aller Kinder. Sie kennen die meisten Geschichten ganz gut
Impressum
Texte: © Copyright by Hans-Jürgen Kampe
Umschlag: © Copyright by Hans-Jürgen Kampe
Verlag: Hans-Jürgen Kampe
Schanzenstraße 95a
34130 Kassel
Druck: epubli, ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
DIE FAMILIE 7
DIE FAHRT 41
FORTUNA-LA VINA 65
ENDLICH IN SPANIEN 80
BESUCH BEI DEN GLÜCKLICHEN GROßELTERN 90
URLAUB IN NERJA 107
EINE INTENSIVE HAUSSUCHE 144
DER HAUSBAU, DER KAUFVERTRAG UND DIE ÜBERGABE 171
DER ERSTE URLAUB IM NEUEN FERIENHAUS 180
ERSTER URLAUB ÜBER DEN JAHRESWECHSEL 219
SEMANA SANTA – EIN OSTERURLAUB IN SÜDSPANIEN 317
EIN GOLDENER HERBST IN ANDALUSIEN 407
WEIHNACHTEN + SILVESTER MIT DER GANZEN FAMILIE 511
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„Vatter, lass uns doch nochmal über das Zimmer sprechen“. „Junge, es ist doch gar kein richtiges Zimmer, nur ein ausgebauter Kellerraum“. „Aber das würde mir ja reichen, da würde ich mich sauwohl fühlen, das wäre total krass“. „Das Dumme ist nur, dass ich mich da auch sauwohl fühle“. Anton schaute frustriert nach unten und Klaus war total genervt.
Anton fand seinen Vater gerade mal wieder hochgradig intolerant und derzeit als peinlichsten aller Väter. Und Klaus spürte seinen Reflux wieder heftig klopfen und die aufsteigende Wärme in seinem Gesicht führte zu einem aparten Zinnoberrot seiner sonst so blassen Wangen.
Seit fast einem Jahr gab es bei Thalers regelmäßig den fruchtlosen Streit um den Hobbyraum im Keller.
Klaus, sonst ein harmloser und meist zufriedener Familienvater, hatte sich vor 12 Jahren, als Andrea und er das alte Haus gekauft hatten, den Kellerraum mit Hilfe seines Schwiegervaters ausgebaut. Wobei sich die Leistung von Klaus aber nur in sehr leichten Handreichungen oder der Suche nach einem Flaschenöffner erschöpfte.
Der Raum hatte jetzt Heizung, ein Fenster, Fußbodenisolierung und vor allem eine Schallisolierung. Denn neben einer alten Märklin Eisenbahn hatte sich Klaus eine Bassanlage aufgebaut und übte dreimal in der Woche mit seiner Bassguitarre.
Anton, der älteste Sohn war mittlerweile dreizehn Jahre alt und hatte in dem alten Haus von Thalers ein gemütliches Zimmer im Dachgeschoß. Neben seinem jüngeren Bruder Emil. Und das störte beide Jungs gleichermaßen. Denn Anton hörte gern Rammstein und zwar laut und Eminen, und zwar laut und AC-DC, The Clash, The Sonics, The Ramones und zwar laut und, und, und - alles laut. Eigentlich hörte er Musik immer nur gerne sehr laut. Für Anton bedeutete „Zimmerlautstärke“, dass seine Musik in jedem Zimmer des Hauses gut zu hören war.
Sein elfjähriger Bruder Emil ärgerte sich über Anton, denn sein Musikgeschmack war ganz anders. Emil liebte Oldies, aber leise oder mit Kopfhörern. Außerdem spielte er Klavier im Wohnzimmer und hörte auch ganz gern klassische Musik. Etwas peinlich, und dafür schämte er sich auch ein bisschen und behielt das besser nur für sich.
Beide Jungs waren sehr unterschiedlich. Anton war spontan, manchmal laut, emotional und sehr kontaktfreudig. Er traf sich oft mit Freunden zum BMX - Bike oder Skateboard fahren, Musik hören und suchte immer wieder seine Freiheit. Er gab aus Prinzip gern Widerworte, wollte abends regelmäßig lange weggehen und probierte immer wieder aus, die gesetzten Grenzen zu überschreiten. Was in der Blüte der Pubertät aber normal war.
Zurzeit waren Antons Hosen neben dem Umzugswunsch häufiges Streitthema, denn Anton liebte es, in alten, verwaschenen Jeans mit Rissen rumzulaufen. Die Risse hatte sich Anton selber in Kniehöhe in die Jeans geschnitten. Was vor allem Klaus störte, wenn Anton die zerrissenen Hosen in der Schule anhatte. Aber angeblich trugen das ja alle Jungen in seiner Klasse, und Klaus war laut Anton der einzige, spießige Vater, der das nicht gut fand. Und Andrea, die verständnisvolle Mutter, fiel Klaus dann auch noch in den Rücken, weil sie meinte, ein farbiges Tattoo wäre eigentlich viel auffallender. Oder sogar ein Zungenpiercing. Oder vielleicht lila Rasta- Locken. Klar, schlimmer geht immer.
Klaus konnte sich bei der pubertären Entwicklung von Anton in ganz abenteuerliche Phantasien reinsteigern und wachte manchmal schweißgebadet auf. Sofern er überhaupt einschlafen konnte. Häufig spürte er sein Herzchakra kraftvoll flimmern, während er sich durch autogenes Training beruhigen wollte. Seine mantraartige Zusatzformel: Unordnung ist schön, Chaos ist kreativ, war aber nicht wirklich entspannend.
Aber weitere Diskussionen mit Anton über die kreative Gestaltung seines Körpers und seines Zimmers würden in der Zukunft garantiert noch kommen.
Emma, die kleine Schwester, die das Ganze natürlich neugierig verfolgte, kommentierte den schwelenden Konflikt einmal so: „Mama, nur böse Jungs kommen doch in die Pubertät, oder?“
Zu Mädchen suchte Anton sehr gern Kontakt, hatte aber noch keine feste Freundin.
Und sein Zimmer sah ständig aus, „als hätte eine Bombe eingeschlagen“, so Klaus. Überall lag etwas rum. Gebrauchte Kleidung, dreckige Unterwäsche - mit und ohne Bremsspuren in den Unterhosen, Müffelsocken, Essensreste, benutztes Geschirr, Papier oder Bettwäsche, sodass der Fußboden nur noch zu ahnen war, was regelmäßig zum Streit mit den Eltern führte. Also die klassische Pubertäts-Höhle.
Denn wie fast alle Eltern erwarteten Thalers, dass Anton sein Zimmer halbwegs ordentlich und sauber hielt. Vor allem Klaus, der Ordnung liebte, und Angst hatte, in Antons Zimmer über diverse Ladekabel, ein iPhone oder ein Tablet zu stolpern, ärgerte sich über den Zustand von Antons Zimmer. Und Andrea war der Meinung, dass ab und zu ein frisches Sauerstoffmolekül Anton ganz guttun würde.
Obwohl er für die Schule wenig lernte, waren seine Ergebnisse trotzdem ganz gut. Kurz vor den Klassenarbeiten setzte sich Anton eine Nacht hin, paukte intensiv und brachte dann eine noch akzeptable Note nach Hause. Außer Französisch - aber das lag laut Anton nur an der Lehrerin, die ihn mit Sicherheit nicht leiden konnte. Genauso wie deren Ehemann, den Anton ausgerechnet in Mathe und Physik hatte. Laut Anton waren die beiden Lehrer auch bei all´ seinen Freunden so beliebt wie eine Kollonie Borkenkäfer. So was braucht man nicht. War einfach ein beschissenes Karma, diese saublöde Lehrerkombination.
Emils Leistungen waren besser. Er lernte regelmäßig, hatte sich einen Holzkasten mit Karteikärtchen und Stichworten angelegt, traf sich mit seinen Freunden zum Lernen und hielt sein Zimmer alleine in Ordnung. Und er lüftete von allein, gern und viel. Was Klaus und Andrea aber schon fast wieder unheimlich war. Emil verbrachte seine Zeit gern mit einem Science-Fiction Roman oder einem seiner geliebten Harry Potter Bücher, die er schon mehrfach gelesen hatte. Er fuhr auch sehr gern sein BMX Rad im nahen Wald, liebte Judo und im Winter Snowboard fahren.
Emil war viel ruhiger als Anton, überlegter und kompromissbereiter. Obwohl er sich mit seinem Bruder auch bestens streiten konnte. Zum Beispiel wenn Anton mal wieder ohne zu fragen Emils Klamotten oder Sportgeräte benutzt hatte.
Wenn Anton seinen jüngeren Bruder zu etwas zwingen wollte, zog sich Emil diplomatisch in sein Schneckenhaus zurück und antwortete vorsichtig:
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