Auch das Thermalbad wurde komplett umgebaut und erneuert.
Umkleidekabinen, Massage- und Physiotherapieräume, ein verglaster Ruheraum mit Zugang in eine Schleuse zum Becken und auch das Becken selbst wurden neu eingebaut.
Es gab jetzt zwei getrennte Becken mit vollkommen neuer Filtertechnik, sodass das Wasser die ganze Woche über sauber und hygienisch einwandfrei blieb.
Auch die Straßen und der Parkplatz wurden neu gepflastert. Alles in allem hatte Fortuna enorm gewonnen und Kesselmanns genossen das Winterhalbjahr immer mehr.
Der Besuch der Kinder war für Herbert und Gisela immer eine willkommene Abwechslung und Unterbrechung. Sie freuten sich sehr auf Andrea, Klaus und vor allem auf die Enkel, die sie durch den langen Spanienaufenthalt nicht allzu oft sahen. Und jedes Mal waren sie aufs Neue fasziniert, wie sich die Kinder in dem halben Jahr weiterentwickelt hatten.
Herbert besorgte neuen Wein bei Winzern, die er mittlerweile gut kannte. Der trockene, rote Rioja wäre bei Kennern nicht sonderlich gut bewertet worden. Trotzdem holte Herbert regelmäßig selbst abgefüllte Plastikkanister, sodass beide zu jedem Essen ihr Glas Roten trinken konnten. Und der Besuch der Kinder war immer ein guter Anlass, die Vorräte wieder aufzufrischen. Einen Tag vor der erwarteten Ankunft von Thalers fuhren Kesselmanns auf den Markt nach Abanilla und kauften ein frisch geschlachtetes, fettes Huhn. Alles Bio aus Freilandhaltung.
Daraus kochte Gisela ihr beliebtes Hühnerfrikassee für ihre Gäste. Mit Reis und selbst gezogenem Salat ein gesundes Essen.
Für den Nachtisch hatten sich die Kinder Omas phantastische Möhrentorte gewünscht. Im Prinzip eine leckere Schokoladentorte mit ganz klein geraspelten Möhrenstückchen.
Während Gisela in der offenen Küche arbeitete, musste Herbert die Betten neu beziehen und alles so herrichten, dass jeder in dem kleinen Haus einen Schlafplatz hatte. Abends tranken beide erschöpft ihren Roten auf der Terrasse und freuten sich auf den Besuch am nächsten Tag.
Der Wecker riss Klaus aus einem tiefen Traum. Hektisch tastete er mit der Hand auf dem kleinen Nachttisch herum, bis er endlich den Ausknopf fand. Denn heute wollte er als erster ins Bad.
Die Erfahrung von gestern Abend hatte ihm gezeigt, dass er mit seiner Familie und dem kleinen Bad sehr strategisch umgehen musste. Auf Rasieren verzichtete er, damit es schneller ging, und außerdem fand Andrea einen 3 Tagesbart bei ihm ganz reizvoll. Nach einer ausgiebigen heißen Dusche weckte er Andrea, die auch versuchte, möglichst leise ins Bad zu huschen.
Jetzt kam der schwierigste Teil - die Kinder. Andrea weckte sanft Emma, die überhaupt keine Lust hatte, aufzustehen und sich knörend zur Seite wälzte. Aber es musste sein, bevor der übliche Streit zwischen den beiden Jungs begann. Dann kam Emil dran und dann am Schluss Anton, sodass Thalers tatsächlich kurz nach 6:30 Uhr am Frühstückstisch saßen.
Das Frühstück war Französisch und eher etwas karg.
Jeweils ein Croissant, etwas Weißbrot, Margarine und ein wenig Marmelade. Die Eltern tranken Milchkaffee um endlich wach zu werden und die Kinder Kakao. C`est ca. Andrea hatte für jeden noch eine Banane eingepackt, damit die Familie wenigstens ein paar Ballaststoffe bekam.
Gegen 7:00 Uhr durfte die beleidigte Mila mit Emil und Anton noch einen kleinen Gang um die vier Ecken machen. Denn der Hund stand bereits unter 8 Atü Druck und hätte wenig später sein Geschäft im Auto erledigt.
Um 7:30 Uhr starteten Thalers tatsächlich zu ihrer zweiten Tagesetappe. Nach den gestrigen 1100 km jetzt noch mal fast 1000 km nach Süden. Und das bei steigenden Temperaturen.
Orange hat den Vorteil, dass es an der Autobahngabelung der A7 Richtung Marseille und der A9 nach Nimes, Montpellier, Narbonne, Perpignon und der spanischen Grenze liegt.
Diese Autobahn mussten Thalers jetzt fahren. Die Kinder waren halbwegs zufrieden und wetteten, wer als erster das Mittelmeer sehen würde. Klaus liebte die Wärme und die sich ändernde südliche Landschaft mit ihrem mediterranen Flair. Andrea ärgerte sich allerdings stillschweigend über die immer wieder auftauchenden Kühltürme der Atomkraftwerke, deren dicke Wasserdampfsäulen steil in den blauen Himmel stiegen.
Die Autobahn war wenig befahren und nach einer knappen Stunde hatte Emil hinter Montpellier als erster das Mittelmeer entdeckt. Emma wollte auch einen Preis gewinnen und sah als erstes die Berge - die Pyrenäen. Wie eine Wand erhoben sie sich gegen den blauen Himmel. Eine natürliche Mauer, die Frankreich und Spanien trennt.
Die Autobahn wurde kurviger und stieg jetzt deutlich an. Kurz vor der Grenze leuchteten die Rücklichter von vielen PKW und Lkw auf. Stau. Keiner wusste den Grund.
Nur ganz langsam ruckte es und nach einer halben Stunde hatten sie die spanische Grenze erreicht.
Links thronte ein großes Denkmal; die aus rötlichen Natursteinen erbaute Pyramide von Le Perthus, einem lang gestreckten Dorf an der Grenze. Die Pyramide war über steile Stufen begehbar und sollte die Einheit von Katalonien symbolisieren. So hatte es der Architekt Ricardo Bofill 1976 ausdrücken wollen.
Aber darauf achteten Thalers jetzt nicht, denn es kamen zwei mit MP`s bewaffnete spanische Grenzpolizisten ans Auto. Mürrischer Blick, grüne Uniform, schwarze Gürtel, schwarze Springerstiefel und schwarze Baskenmützen.
“Papiere bitte!“ bellte der Ältere. Klaus wagte einzuwenden, dass doch in Europa freie Fahrt garantiert sei. Darauf mussten Thalers rechts auf einen Parkplatz fahren und aussteigen.
“Freie Fahrt haben sie auch, Senor. Aber erst wenn wir unsere Drogenkontrolle durchgeführt haben. Es gibt Gründe, dass wir zur Zeit Stichproben Untersuchungen durchführen müssen. Bitte öffnen Sie die Skibox!“
Also musste Klaus die Box aufschließen, und ein Grenzpolizist begann das Gepäck zu durchsuchen. Nach kurzer Zeit entdeckte er eine dubiose braune Tüte.
“Was ist das, Senor?“ Der ältere zeigte auf den kräuterartigen Inhalt. “ Weidenröschen“, antwortete Klaus, der seit einigen Jahren morgens regelmäßig diesen Kräutertee trank. Sein 90-jähriger Onkel hatte ihm irgendwann mal erzählt, es gäbe nichts Besseres für die Prostata, die Klaus auch mit Mitte 40 bereits hegen und pflegen wollte.
Aber mit Weidenröschen konnte der spanische Grenzer auch in gebrochenem Englisch überhaupt nichts anfangen. Und so versuchte Klaus das Ganze zu erklären.“ Weidenröschen - das ist wie, ja wie Gras irgendwie.“
Gras, ja das verstanden die beiden Grenzer besser und sofort verfinsterten sich ihre Minen noch mehr.
“Wir holen Frodo. Sie bleiben am Auto stehen und geben ihre Pässe ab!“
Frodo war ein ausgebildeter Drogenhund, ein schwarz brauner Rottweiler Rüde, der geifernd und knurrend herangeführt wurde und mit dem kleinen, freundlichen Hobbit nichts gemein hatte. Außer, dass er auch sehr große Füße besaß. Auf jeden Fall war der Hund größer und schlechter gelaunt als der kleine Hobbit.
“Heckklappe auf, Koffer raus!“ blaffte der ältere Grenzpolizist deutlich unfreundlicher. Klaus öffnete die Heckklappe und holte die Koffer raus.
“Öffnen, und der Hund muss aus der Box raus!“ Der Hundeführer zeigte auf Mila. Also öffnete Klaus die Koffer, die Frodo sofort beschnüffelte. Und dann holte er Mila aus der Box.
Und das war nach dem Grasvergleich sein zweiter schwerer Fehler. Denn Mila war gerade heiß, sogar super heiß. Auf dem Höhepunkt ihrer Hitze. Sie kochte. Jeder Rüde war herzlich willkommen.
Das roch auch die empfindliche Nase von Frodo sofort und er ließ spontan die Koffer Koffer sein. Denn wie Klaus normalerweise gern sagte: So ein Hund ist eben auch nur ein Mensch!
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