Neben das Haus sollte eine große Garage gebaut werden mit rückwärtiger Abstellkammer und Werkstatt, denn Herbert bastelte sehr gern. Außerdem wünschte sich Gisela aus Sicherheitsgründen eine 2 m hohe Mauer um das Haus mit einem schmiedeeisernen Tor.
Das Gebäude lag etwas höher, sodass von dem Haus, der vorgelagerten Terrasse und der geplanten, weiteren separaten Terrasse mit Pergola der herrliche Panoramablick erhalten blieb.
Und so wurde es dann im nächsten Jahr in Angriff genommen. Die spanischen Handwerker waren sehr billig und konnten fast alles. Maurern, Estrich legen Fliesenarbeiten, Dacharbeiten, Innen- und Außenputz, alles durch dieselben Handwerker. Eine Spezialausbildung hatte keiner.
Bis auf die Fenster und die Elektroarbeiten wurde alles von Enrico mit zwei Hilfskräften bestens erledigt. Allerdings half Herbert auch kräftig mit und kontrollierte die Arbeiten genau.
Mittlerweile war Kesselmanns Spanisch deutlich besser geworden, und durch die monatelange Zusammenarbeit mit den Handwerkern hatten sie eine kostenlose Sprachschule.
Im Haus wurden rote Terrakottafliesen auf dem Boden verlegt, das Bad und die Küche bekamen weiße Fliesen mit farbigen Bordüren.
Die Fenster waren aus hellem Olivenholz, schon mit Isolierverglasung und teilweise schwarzen Fenstergittern und stilvollen weißen Klappläden. Auch die Haustür und die Innentüren waren aus massivem Holz gefertigt mit eingelegten Kassetten.
In den Schlafzimmern wurden praktische Einbauschränke eingebaut. Griffe und Beschläge waren aus schwarzem, handgeschmiedeten Metall.
Vom Wintergarten führten zwei Schiebetüren auf die Terrasse und auf den rückwärtigen kleinen Hof mit einem Brunnen, der aus Regenwasser gespeist wurde. Hier stand auch unter einem kleinen Vordach die Waschmaschine. Bei Sonne trocknete die Wäsche auf den Leinen, die von Wand zu Wand gespannt waren.
Das Haus wurde weiß verputzt, hatte ein flach geneigtes Satteldach mit spanischen Ziegeln und einen Sockel aus Natursteinen. Die Mauer um das Grundstück war weiß gekalkt. Oben drauf hatte Herbert Glasscherben einsetzen lassen, als Schutz vor ungebetenen Gästen.
Hinter dem schmiedeeisernen Doppeltor begann eine bekieste Einfahrt bis zur Garage, die das Grundstück nach hinten abgrenzte. Alle Wege im Grundstück waren aus Kies oder aus Bruchstücken von Natursteinen gefertigt.
Die Bruchstücke für die Wege und Terrassen konnte Enrico ganz billig aus dem nahe gelegenen Steinbruch besorgen.
Herbert und Gisela ließen zwei große Dattelpalmen einpflanzen und mit Beleuchtungskörpern versehen, sodass die Palmen bei Dunkelheit wunderbar von unten angestrahlt werden konnten.
Gisela verwirklichte sich ihren Traum von einem kleinen Garten mit einem Oliven - und einem Mandelbäumchen, einem Orangen - und einem Zitronenbaum, einem Feigen - und einem Granatapfelbaum. In dem kleinen Kräuterbeet, welches mit Buchsbaum umrandet war, hatte sie Rosmarin, Salbei, Thymian, Schnittlauch und Brunnenkresse wegen der gesunden Bitterstoffe gepflanzt.
Aloe Vera, Oleander und vor allem rote und lila Bougainville, die sich am Haus hochrankten, bildeten einen reizvollen Kontrast zu dem weißen Haus.
Den Saft der Aloe Vera presste Gisela jeden Morgen frisch aus den Blättern und rieb ihn sich ins Gesicht. Ihr Geheimnis für wenig Falten, trotz der Sonne.
Kurzum, es wurde ein kleines Paradies, in dem Gisela und Herbert von Oktober bis Mai des nächsten Jahres überwinterten.
Aber Herbert wurde mit dem Haus nie ganz fertig. Jedes Jahr hatte er neue Ideen für Erweiterungen und Verbesserungen.
Im Wohnzimmer ließ er einen Kamin mit Glaskassette einbauen, in dem Olivenholz verbrannt wurde, welches Herbert vorher in einem von ihm konstruierten Holzunterstand getrocknet hatte. So hatten sie in den durchaus kalten Winterabenden, wenn die Sonne verschwunden war, eine gemütliche Wärme. Denn ansonsten hatte das Haus keine Heizung. Nur Gasbrenner über Propangasflaschen, die bei sehr niedrigen Temperaturen angezündet wurden.
Der Wintergarten wurde um eine gemauerte, sehr praktische Sitzbank unter den Fenstern ergänzt. Die Pergola über der etwas unterhalb liegenden Terrasse, erhielt ein Strohdach mit einem selbst gebauten Wetterhahn, der sich je nach Windrichtung drehte. Daneben mauerte Herbert einen kleinen Grill aus handgeformten, braunen Ziegeln.
Vor der Mauer außerhalb des Grundstücks pflanzte Herbert Stechpalmen als weiteren Schutz, und links und rechts neben dem schwarzen Eingangstor ließ er 2 Zypressen setzen.
Neben der Klingel prangte eine schwarze Glocke aus Metall, die ein Besucher läuten konnte. Unterhalb der kleinen Glocke stand in handbemalter Fliesenschrift: La Vina = der Weinberg, der Name des Hauses.
Nach einigen Jahren wurde die steile Zufahrt zum Grundstück von Kesselmanns neu befestigt, denn der bisherige Schotterbelag war durch tiefe Spurrillen vollkommen ausgefahren. In diesem Zusammenhang wurde dann auch endlich ein Kanal verlegt. Vorher hatte das kleine Haus nur eine Sickergrube, die regelmäßig geleert werden musste.
Ein Problem blieb der Strom. Der Anschluss war zu schwach. Es gab häufig starke Stromschwankungen oder sogar komplette Stromausfälle, sodass weder Licht, der Fernseher, noch der Herd oder der Kühlschrank ständig funktionierten. Aber mit der Zeit entwickelten Herbert und Gisela eine spanische Gelassenheit, weil sie wussten, alles regelt sich irgendwann von allein in Spanien.
Die Krönung von Herberts unermüdlichem Schaffenstrieb war aber der lang ersehnte Anbau eines viereckigen Turms mit Ausgang auf die neu geschaffene Terrasse auf dem bisherigen Hausdach.
Gisela hatte sich bis zuletzt dagegen gesträubt, weil sie nach den ständigen Verbesserungen und Änderungen endlich ihre Ruhe haben wollte.
Aber Herbert setzte auch diese Idee durch, indem er versprach, im oberen, neuen Turmzimmer zu schlafen, wo Gisela ihn nicht schnarchen hörte. Denn die Wände des Hauses waren sehr dünn, gerade das mindeste an Dicke, was die Statik erforderte. Also etwas dicker als japanische Papierwände. Und die Innenwände garantierten nur, dass man sich nicht sehen konnte, während jedes Geräusch gnadenlos im ganzen Haus zu hören war.
Herberts Idee mit dem Turm hatte auch den Zweck, dass er nachts, ohne zu stören, in seinem Turmzimmer aufstehen, lesen, etwas essen oder fernsehen konnte.
Oder aber, diese Idee entwickelte Herbert etwas später, dass er mit seinem Teleskop Fernrohr den sternklaren Nachthimmel beobachten konnte und das Licht von Sternen bewunderte, die es schon viele tausend Jahre nicht mehr gab, deren Strahlen aber immer noch zur Erde unterwegs waren.
Im Laufe der Jahre änderte sich auch das Erscheinungsbild von Fortuna und Banos de Fortuna.
Der neue, junge Bürgermeister verschönerte die Ortseinfahrt durch Bäume und Oleanderbüsche. Ein Paseo und ein Spielplatz wurden angelegt. Und in Banos de Fortuna wurden die alten, heruntergekommenen Gebäude an Investoren verkauft. Die Häuser wurden denkmalgerecht renoviert, hell gelb und ockerfarben verputzt.
Und das alte Hotel, mit dem Charme des frühen letzten Jahrhunderts wurde technisch auf den neuesten Stand gebracht.
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