1 ...7 8 9 11 12 13 ...23 Und zum anderen das Hinweisschild an der Wand des Gebäudes mit der darüber befindlichen Videokamera.
Klaus trug bequeme Jogging Schuhe mit einer stark strukturierten Gummisohle und einem groben Muster, welches sich passgenau in den Hinterlassenschaften der Dogge abzeichnete. Jede Spurensicherung der Kripo hätte ihre helle Freude gehabt. Klaus merkte allerdings vor lauter Erleichterung nichts.
Die Hände reinigte er sich an einem Außenwasserhahn und dann ging‘s zurück zum Auto, wo die Familie schon wartete.
Nach dem Einsteigen meldete sich Emma mit ihrer empfindlichen Trüffelschwein-Nase:“Emil hast du wieder deine Brötchenbox auf?“ “Nö, die Brötchen sind alle“ „Stimmt“, meinte Andrea, „irgendetwas riecht hier sehr unangenehm. Ist jemand von euch in irgendwas reingetreten?“ “ Kann nicht sein, wir sind hier mit Dir zum Rasthaus gegangen. Aber der Vater war alleine in der Natur unterwegs.“ Anton kombinierte blitzschnell vollkommen richtig. “Jeder kontrolliert nochmals seine Schuhsohlen, Du bitte auch, Klaus.“ Andrea schaute Klaus erwartungsvoll an, der seine Füße etwas neigte. Und dabei wurde das ganze Elend deutlich sichtbar.
“Iiiiih, Papi.“ “Pfui Teufel, Papa.“ „Full house, Vatter, präziser kann man garnicht reintreten, mach ruhig weiter so.““ Klaus, bitte sofort die Schuhe wechseln!“
Klaus stolperte sichtlich verlegen zur Heckklappe des Autos, wo in einem Koffer Ersatzschuhe lagen. Andrea reinigte die Fußmatte so gut es ging, und Klaus musste mit den Joggingsschuhen noch mal zum Wasserhahn, um die Schuhe halbwegs zu reinigen und dann in einen Plastikbeutel zu verstauen.
Als er nun endlich wieder im Auto Platz genommen hatte und losfahren wollte, klopfte es an die Scheibe.
Klaus ließ die Scheibe runter. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ fragte er leicht gereizt den Herrn, der auf seinem Hemd eine Aussatzstickerei mit dem Logo der Raststätte hatte.
„Sicher können Sie das“, entgegnete der Mann, “sie können beispielsweise die 50 € zahlen, die bei Wildpinkeln fällig sind.“ Die Kinder grinsten und Andrea schaute verlegen nach unten.
“Wieso 50 €? Das muss doch sichtbar ausgeschildert sein“, konterte Klaus schwach. “Ist es auch. Direkt unter der Videokamera, die Sie gefilmt hat. Die ist ziemlich neu, und die Bilder von ihnen sind gestochen scharf“. Klaus schluckte und wurde jetzt etwas blasser.
“Also passen Sie auf. Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine lautet: Sie zahlen die plakatierte Strafe, und die andere besteht darin, dass ich verpflichtet bin, eine Anzeige zu erstatten. Ihre Autonummer habe ich ja jetzt.“ „Ist ja gut. Ich zahle.“ Klaus suchte zermürbt und peinlich berührt aus seiner Geldbörse 50 €, die er dem Herrn überreichte und forderte aber geistesgegenwärtig eine Quittung.
Nachdem der Mann gegangen war prusteten die Kinder los. “Vatter, dafür hättest du ungefähr 70-mal pieseln können“, lachte Anton und Andrea presste zwischen den Zähnen hervor:“ Wir sparen, koste es was es wolle. Typisch!“
3
Klaus startete wortlos den Motor und fuhr Richtung Rheinbrücke. Der breite Strom faszinierte die Familie und lenkte von Klaus Missgeschick etwas ab. Die große Grenzanlage zu Frankreich war verwaist, sodass Thalers ohne Stopp durchfahren konnten. Aber ab jetzt galt Tempo 120. Klaus musste deutlich runter mit der Geschwindigkeit und stellte den Tempomat auf 135.“ So viel Toleranz muss schon sein“, war sein Motto, und außerdem drängte die Zeit jetzt wirklich.
Andrea hatte sich viel Kleingeld eingesteckt, um die regelmäßig fällig werdende Maut passend und schnell bezahlen zu können.
Die Jungs staunten, als sie an dem riesigen Lager von Peugeot vorbekamen. Tausende von Autos standen auf einem großen Platz an der Autobahn. In den Montagnes du Lomont Richtung Besancon wurde es bergiger, und es kamen mehr Kurven, sodass Klaus doch auf die 120 km/h untergehen musste.
Klaus liebte es, mit dem Auto in den Süden zu fahren. Der langsame Übergang von steigender Temperatur, mehr Sonnenschein, anderer Landschaft, anderen Pflanzen sowie einer sich ändernden Architektur der Häuser mit anderen Farben, anderen Dachformen und Ziegeln, faszinierte ihn immer wieder und verstärkte die Vorfreude auf den Urlaub.
Endlich kamen sie südlich von Dijon auf die A6 Richtung Lyon. Die gut ausgebaute Autobahn nach Süden war bequem und schnell zu befahren. Klaus stellte den Tempomat auf 140.
Andrea döste wieder etwas. Die Kinder hörten Musik. Alles war friedlich.
“Papi.“ “Ja, mein Schatz.“ “Papi, was ist ein Radar?“ Klaus fühlte sich geschmeichelt, wenn er den Kindern etwas erklären konnte.“ „Ein Radar haben zum Beispiel Schiffe, aber auch Flugzeuge. Dann können Sie erkennen, wo sie sich befinden und ob andere Schiffe oder Flugzeuge ihnen zu nahekommen.“ “ Aber hier auf der Autobahn gibt es doch gar keine Schiffe oder Flugzeuge.“ “Na, Emma, hier gibt es ja auch kein Radar“, meinte Klaus schmunzelnd. “Doch Papi, eben war ein großes Schild an der Seite, da stand drauf: Radar. Ganz ehrlich.“
Klaus sträubten sich die Nackenhaare und seine Synapsen übersäuerten spontan. Im gleichen Moment glitt sein rechter Fuß reflexhaft vom Gaspedal auf die Bremse und drückte das Pedal heftig nach unten. Die Kinder und die dösende Andrea wurden heftig nach vorne gedrückt. “Was soll das denn, hier ist doch kein Stau“, wunderte sich Andrea. “Nein, aber der Vatter hat gerade die nächsten 50 € verbraten“, verkündete Anton triumphierend.
Klaus sagte lieber nichts. Sie fuhren jetzt parallel zur Saune, einem Fluss, der bei Lyon in die Rhone mündet.
Klaus konzentrierte sich auf den stärker werdenden Verkehr vor Lyon und auf die richtige Abfahrt auf die Autobahnumgehung der Großstadt. Denn er hatte schon einmal den Fehler gemacht und war auf der A 6 geblieben. Mit dem Resultat, dass er sich durch die ganze Riesenstadt mit vielen Staus quälen musste.
Ein solcher Zeitverlust wäre heute nicht mehr drin. Also half Andrea, die richtige Abfahrt zu finden, sodass sie nach einer guten dreiviertel Stunde endlich auf der Route du Soleil, der A7, fuhren. Jetzt durfte nichts mehr schief gehen. Klaus fuhr wieder schneller, sodass sie nach einer weiteren kurzen Pause tatsächlich 10 Minuten vor Schließung des Hotels in Orange ankamen.
Es handelte sich um ein einfaches, zweigeschossiges Familienhotel, mit standardisierter Ausstattung und nur einem Portier, ansonsten kein Personal.
Klaus hatte das Hotel im Internet gefunden und Andrea mit den Worten “Billig, aber nur etwas geschmacklos“, präsentiert. Andrea hatte letztlich seufzend zugestimmt. Auch weil das Hotel von der Autobahnabfahrt nicht weit entfernt lag und unkompliziert zu finden war. Was Andrea nicht wusste war, dass Klaus in seinem ausgeprägten Hang zur Sparsamkeit nur ein Familienzimmer für alle reserviert hatte.
Ein enges Doppelbett für die Eltern, ein Stockbett für die zwei Brüder, und einen ausziehbaren Schlafsessel für Emma. Die Krönung war aber das sehr kleine Duschbad für die gesamte Familie.
Andrea war sauer. Die Jungs waren auch eingeschnappt und wollten weder mit den Eltern noch mit ihrer Schwester in einem Zimmer schlafen. Emma war es egal. Sie hatte ihre Stoffmaus Mimi schon im Bett platziert und fühlte sich wohl. Und es war kein anderes Zimmer mehr frei. Der Portier bestätigte Andrea, dass das Hotel bereits ausgebucht wäre.
“Papa, das das kostet dich aber heute Abend eine Runde Pizza“ forderte Emil. “ O. k., die habt ihr euch auch wirklich verdient“, beruhigte Klaus die Jungs. “ Und wir zwei trinken einen schönen Rotwein zusammen“, zwinkerte Klaus Andrea zu.
Klaus und Andrea gefiel Orange immer wieder. Die angenehme Temperatur auch abends, die schon mediterran beeinflussten Pflanzen mit einer Vielzahl von Blüten, die alten, liebevoll restaurierten Häuser mit den Pastellfarben und den charmanten Holzklappläden, eine gut erhaltene Altstadt mit engen, romantischen Gassen, die Mönch und Nonne genannte Tonziegeleindeckung der flach geneigten Satteldächer und vor allem, die gut erhaltenen Reste der römischen Kultur zeigten Ihnen, dass sie sich schon in einer ganz anderen Welt befanden. Jetzt begann der Urlaub.
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