Hans Gerd Scholz - Sucht Ho Ki Su

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Ho Ki Su, Offizier der Atomwaffe Nordkoreas, wird ins Straflager verbannt, da er sich unerlaubt Zugang zum Internet verschafft hat. Die letzte verbliebene stalinistische Diktatur muss um ihre Existenz fürchten, falls junge Menschen die Wahrheit über die Situation im Land erfahren. Die ist geprägt von Hunger und Entbehrungen der Bevölkerung. Lediglich die gottgleichen Führer leben in Saus und Braus. Sie stützen ihre Macht auf den Besitz von Atomwaffen, mit denen sie weite Teile des westlich orientierten Asiens bedrohen. Ho Ki Su, im Besitz der Standortkoordinaten der Atomraketen, gelingt die Flucht. Falls sein Wissen in ausländische Hände gelangt, droht der mächtigsten Waffe des Regimes die Vernichtung. Der Geheimdienst jagt daher mit allen Mitteln den Flüchtenden.
Die Romanhandlung spielt in der Gegenwart vor dem Hintergrund der latenten Spannungen zwischen Nordkorea und seinen Nachbarländern. Sie ist frei erfunden, basiert jedoch auf der realen Situation in diesem Teil der Welt. So oder so ähnlich könnte sie sich jederzeit zutragen.

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Hans Gerd Scholz

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Sucht Ho Ki Su

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Impressum neobooks

Sucht Ho Ki Su

Ho Ki Su fror. Fror erbärmlich. Die dünne graue Drillichjacke konnte ihn vor dem beißenden Wind in den eisigen Bergen nicht schützen. Selbst die isolierende Schicht aus Wellpapperesten, die er sich um den nackten Leib gebunden hatte, half nur wenig. Zum Glück besaß er noch die dicke wollene Unterhose, die man ihm bislang nicht genommen hatte. Auf dem Kopf trug er eine Mütze aus grauem Segeltuch, deren Klappen links und rechts die Ohren bedeckten.

Er schuftete. Schuftete sich die Seele aus dem Leib mit der schweren Kreuzhacke, die er immer und immer wieder in den harten, unnachgiebigen Fels trieb.

Verurteilt zur Zwangsarbeit. Aus dem abgebauten Gestein wurde Magnesiumoxid gewonnen zur Innenbeschichtung von Hochöfen. Der Stoff war kostbar. Ein Teil wurde auf dem Weltmarkt verkauft und bescherte dem Land die dringend benötigten Devisen.

Aber das interessierte ihn nicht. Völlig egal, wozu er sich die Seele aus dem Leib schuftete. Er hatte keinen Einfluss darauf. Wusste nur, dass die Arbeit seinen Körper auffraß. Und dass er nicht mehr lange durchhalten würde. Die Hölle des Lagers würde ihn ermatten, zerstören. Vernichten durch Arbeit.

An eine noch so kurze Pause war nicht zu denken. Er wusste, was passieren würde, sollten ihn die Aufseher erwischen bei dem geringsten Versuch, zu verschnaufen. Nein, er wollte keine Prügel mit dem dicken Stock aus dem harten Holz des Bergahorns. Das kannte er schon. Er kannte die mörderischen Schmerzen der aufplatzenden Haut, der Knochen, die noch nach Wochen zu spüren waren. Eine angeknackte Rippe schmerzte noch immer so stark, dass er sich nachts nicht bewegen, seine Lage auf der harten Pritsche nicht verändern konnte, und dass es ihm kaum noch möglich war, längere Zeit auf der gleichen Seite zu liegen. Er war kein Held, das wusste er. Er wollte leben, so lange wie möglich überleben. Nicht auffallen, bloß nicht auffallen und sich dem Unmut der Wächter aussetzen.

Das war erst vor einer Woche passiert. Tau Wang, der größte, stärkste, brutalste und gefürchtetste unter den Gefangenen war am Abend in der Baracke auf ihn zugekommen. Schon lange hatte er ihm finstere Blicke zugeworfen. Ho Ki Su glaubte auf Grund der äußeren Erscheinung des Mannes nicht daran, einen politischen gefangenen vor sich zu haben. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Kriminellen.

„Mach dich aus dem Weg“, raunzte er Ki Su an, als er ihm auf dem Mittelgang begegnete.

Schweigend trat dieser einen Schritt zur Seite.

„Weißt du, wer ich bin?!“

Der Ton war drohend. Er sollte dem Neuen klar machen, dass der sich an die Hierarchie unter den Gefangenen zu halten hatte. Und die besagte, dass Tau Wang ganz oben stand. Ho Ki Su war klar, was jetzt folgen würde. Entweder, er gab klein bei und ordnete sich unter. Dann war ein Kampf zu vermeiden. Das würde jedoch bedeuten, dass er für immer verloren hätte. Und dem Willen und den Launen dieses Kerls, der ihn um mehr als einen Kopf überragte, ausgeliefert war.

Er hatte gehört, dass er einem Teil der Männer sexuelle Avancen gemacht habe und einige dazu gezwungen, ihm zu Willen zu sein. Das würde Ho Ki Su keinesfalls akzeptieren. Ihm schauderte bei dem Gedanken, unter der Dusche die Seife aufheben zu müssen.

Also musste er sich dem Kampf stellen.

„Ein Schwachkopf mit dicken Muskeln, habe ich gehört!“

Sofort sprang ihn der Kerl an. Ki Su gelang es, mit einer Körpertäuschung auszuweichen. Er nutzte den Schwung des Angreifers, machte sich klein, drehte sich blitzschnell, schob seinen rechten Arm unter die Achsel und schleuderte seinen Gegner über die Schulter.

Alle Männer im Saal, die gespannt die Auseinandersetzung verfolgten, grölten laut. Das hatten sie diesem widerlichen Arschloch schon lange gewünscht. Dass jemand kam, der ihm seine Grenzen aufzeigte.

Ho Ki Su stürzte sich auf den benommenen Gegner und schlang seinen linken Ellbogen um dessen Hals, so dass die Beuge um dessen Kehlkopf lag. Er verschränkte seinen rechten Arm um den linken und drückte zu. Unbarmherzig würgte er Tau Wang, bis er kaum noch Lebenszeichen von sich gab. Dann lockerte er den griff, ließ den Mann los und erhob sich.

Durch seine Judotechnik, die er schon als kleiner Junge gelernt hatte und später während seiner Militärzeit vervollkommnete, gelang es ihm, den Mann außer Gefecht zu setzen, ohne bei ihm bleibende Schäden zu hinterlassen.

Der Kerl hatte auch seine Lektion gelernt und würde nie wieder versuchen, ihn blöd anzumachen.

Als die Wächter hereinstürmten und sich auf ihn stürzten, ließ er es willenlos mit sich geschehen. Sie wollten wissen, was los gewesen war. Alle Männer in der Baracke erklärten, dass Tau Wang Streit gesucht habe. Daraufhin ließen sie Ho Ki Su los.

„Das nächste Mal, wenn du Ärger machst, geht es nicht so glimpflich ab“, verwarnten sie ihn. Ho Ki Su wusste, dass er diesen Männern hilflos ausgeliefert war.

Die hatten alle Freiheiten im Umgang mit den Lagerinsassen. Sie durften quälen, foltern, töten, ganz nach Belieben und ohne jeden Grund. Die politische Führung hatte sie sogar ausdrücklich dazu ermuntert.

„Macht von euren Rechten, euren Möglichkeiten Gebrauch. Diese Verbrecher haben nichts anderes verdient. Um keinen von ihnen ist es schade. Sie haben sich gegen unseren geliebten Hon Kai Cheng gestellt. Haben Kritik geübt“. Und Kritik üben war das schlimmste, was einem vorgeworfen werden konnte. Nichts vertrug das Regime Nordkoreas weniger als Kritik am geliebten Hon Kai Cheng Kim Jong Il, dem Gottgleichen. Ihm waren sie ergeben, linientreu bis auf Blut. Für ihn würden sie quälen, töten und morden.

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