Nein, die haben sich nicht mehr bewegt. Ich habe gedacht, entweder schlafen die beiden, oder sie sind tot.
Nein, ich habe auch kein Stöhnen gehört.
Ich bin nicht auf den Parkplatz gefahren. Kurz danach kam ja schon der erste Streifenwagen.
Ich habe auch keine Schüsse gehört und niemanden gesehen.
Natürlich können Sie mich jederzeit erreichen. Ich habe auch immer Zeit. Tag und Nacht. Allzeit bereit, wie wir alten Pfadfinder sagen.
Ute Kuhn (23), Prostituierte
Logo, ich habe den Streifenwagen gesehen. Es ist ein beruhigendes Gefühl, wenn wir wissen, dass die Polizisten ein Auge auf uns werfen. Wir haben ja nichts zu verbergen.
Kostenloser Personenschutz ist nicht zu verachten. Ich gehe regelmäßig zum Gesundheitsamt und hab keinen Bock auf Stress.
Nein, das war keiner von unseren Kunden. Die meisten, die auf junge Mädchen stehen, sind verklemmte Typen. Die können dir nicht mal in die Augen schauen. Sie schieben ihre Nummer. Und das war’s denn. Wollen Sachen, die ihre Alte ihnen nicht erlaubt. Wenn sie einen mal kurz anschauen, dann blicken sie verschämt wie kleine Jungs, als wären sie soeben von ihrer Religionslehrerin beim Onanieren erwischt worden.
Ich habe keine Ahnung, wer das getan haben könnte. Hören Sie! Kurzer Rock, hohe Schuhe und kleiner Verstand. Warum soll ich mir denn meinen Kopf darüber zerbrechen? Jeden Tag werden in Deutschland Leute ermordet . Auch Prostituierte. Würden Sie dann auch so einen Fackelzug machen? Menschen sind Menschen. Denken Sie ans Brigittche, die im Alten Graben angeschafft hat. War bei allen beliebt und gehörte zum Stadtbild. Gestern hat man sie tot in der Wohnung gefunden. Aber das interessiert die Polizei nicht! War ja nur ne Nutte.
Ach so, das war ein natürlicher Tod. Sind Sie da sicher?
Nein, ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen. Ich habe nur die Schüsse gehört, und dann sind Janine und ich vor lauter Schiss weggelaufen. Konnten doch nicht ahnen, dass jemand auf die Polizei feuert. Dachte, es sei ein durchgeknallter Zuhälter. Aber auf die Polizei schießen. Das kenne ich nur aus dem Fernsehen. Ich weiß nicht, wie viele Schüsse ich gehört habe.
Janine Lander (19), Verkäuferin
Ich gehe mit der Ute nur manchmal abends auf den Strich, um mir mein Gehalt ein bisschen aufzubessern. Mir tut es leid. Das mit der Polizistin, meine ich. Ziemlich oft hat uns eine junge
Frau kontrolliert. So ne Blonde. Sah richtig gut aus. Fast wie ein Model. Hätte sie mal gerne im kleinen Schwarzen gesehen, anstatt in diesem komischen Trachtenanzug. Mich hat sie beim ersten Mal genau überprüft, weil ich noch so jung aussehe. Darauf stehen die Alten halt, und ich sage auch nie mein richtiges Alter. Das würde sie abtörnen. Unsere Freier brauchen irgendwie diesen Schulmädchensex. Aus dem Grund trage ich auch diese komischen Klamotten. Mit denen würde ich noch nicht einmal auf Feldwegen spazieren gehen. Arme Menschen! Aber besser, sie reagieren sich bei uns ab, als jemanden umzubringen.
Was haben Sie gesagt?
Ja, das ist richtig. Als wir die Schüsse hörten sind wir in Richtung Riesenfürstenhof gelaufen. Wie Ute schon sagte.
Nein, wirklich nicht. Kein Auto. Keine Typen. Keine Menschenseele. Ehrlich! Und ich kann mich auch nicht an die Anzahl der Schüsse erinnern.
Wenn Sie noch Fragen haben, stehe ich natürlich zur Verfügung, aber bitte rufen Sie mich nicht in meiner Firma und auch nicht zu Hause an. Mein Chef würde mich rausschmeißen, und für meine Eltern würde eine Welt zusammenbrechen.
Kann ich mich darauf verlassen?
Danke, dass Sie dafür Verständnis haben.
Ja, das stimmt. Bei mir waren auch schon Männer aus unserer Nachbarschaft. Und als wir uns erkannt haben, waren beide schockiert aber es ist nun mal so, jeder hat was zu verbergen, und deshalb wird keiner was sagen. Manchmal kommen die, von denen man es am wenigsten gedacht hätte. Die jeden Sonntag in die Kirche rennen. Einmal war ein Mann bei mir, den wir in unserem Dorf Kathedralenstürmer nennen und der die neuen Ministranten betreut. Solange er sich an denen nicht vergeht, ist es doch egal, was er macht. Jedem sein Ding, oder?
Manfred Müller (45), Auslieferungsfahrer
Ja, wir haben mit unserem Sprinter auf dem Parkplatz gestanden. Der Streifenwagen parkte neben den Müllcontainern. Als ein Polizist ausstieg, dachte ich schon, die wollten uns kontrollieren. Irgendwie hat man immer ein komisches Gefühl, wenn man so ne grüne Minna sieht.
Ach, es war ein neuer Streifenwagen in Blau? Die Farbe konnte ich nicht erkennen, nur die Beschriftung. Aber egal, welche Farbe, Streifenwagen sieht man lieber aus der Ferne. Ich jedenfalls. Obwohl ich nichts zu verbergen habe, aber ich glaube, jeder hat dieses Gefühl.
Ehrlich, selbst Sie als Polizeibeamter, wenn Sie privat unterwegs sind? Sehen Sie, das stimmt also.
Nein, ich habe nicht erkannt, dass eine Frau im Auto saß. Die sehen in Uniformen für mich immer wie Männer aus. Sind irgendwie auch richtige Mannsbilder.
Entschuldigung, ich habe Ihre Frage nicht verstanden. Muss ich das wirklich sagen?
Wissen Sie, ich habe eine Frau und zwei Kinder, und ich möchte nicht. Na ja, sie haben keine Ahnung.
Was?
Also bitte, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir etwas mit dem Mord zu tun haben? Hätte ich Ihnen dann die Wahrheit gesagt? Wir haben den Lieferwagen nur zum Umsteigen verlassen.
Sie müssen mich nicht so verächtlich anschauen. Es gibt Schlimmeres im Leben. Oder?
Versprechen Sie mir, dass Sie meiner Frau nichts verraten?
Darf ich wirklich mit Ihrer Diskretion rechnen?
Danke! Sehr lieb. Aber ich kann Ihnen wirklich nicht weiterhelfen. Wir haben nichts gesehen. Wir waren zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Mir ist wirklich nichts Verdächtiges aufgefallen. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, rufen Sie mich bitte nicht zu Hause, sondern in der Firma oder auf meinem Handy an. Hier mein Kärtchen!
Ja, wieso soll ich Sie denn zur Dienststelle begleiten? Mein Freund? Den habe ich eben nach Hause gefahren. Warum wollen Sie denn seine Adresse? Da gibt nur Ärger.
Gertrud Munsch (79), Rentnerin
Der Streifenwagen mit der hübschen jungen Polizistin stand hinter der Kastorkirche. nicht direkt hinter der Kirche, eher Richtung Ludwig-Museum, direkt neben den Altglas-Containern. Ich habe mich gefragt, ob die zwei sich keinen besseren Platz aussuchen konnten und was sie dort eigentlich wollten.
Wieso ich weiß, dass sie hübsch war?
Ja, das denke ich doch, oder? Sie sind doch auch hübsch, Fräuleinchen. Schade um das junge Ding. Der Herr sei ihrer Seele gnädig. Ich habe meinem Mann, Gott hab ihn selig, immer gesagt, dass ich es gut finde, dass Frauen bei der Polizei sind. Und nun habe ich nur noch hier meinen kleinen Maxi mit dem ich jeden Abend Gassi gehe. Wissen Sie, was er gesagt hat?
Wer? Na, mein verstorbener Mann. Frauen gehören an den Herd, hat er gesagt. Ist schlimm! So eine Einstellung. So war er halt. Mein Verblichener war auch bei der Polizei. Bei der Mot.
Sie wissen nicht, was das bedeutet? Das hieß damals: Motorisierte Gendarmerie. Das waren schon stramme Kerle. Alle über eins achtzig groß. Lederjacke, breite Gürtel, enge Hosen und hohe Stiefel. Die haben allen Frauen den Kopf verdreht. Aber Frauen bei der Polizei, das war für ihn unmöglich. Haben Sie ihn gekannt, den Gendarmeriehauptmeister Munsch?
Klar, er war ja auch schon lange pensioniert, als er gestorben ist. Na ja, etwas mehr Zeit in seinem Ruhestand hätte ich ihm noch gegönnt, aber wenn der Herr oben ruft, muss man gehen. Das ist unser aller Schicksal. Jeder muss den Weg antreten und seinem Schöpfer in die Augen schauen. Wir kennen weder den Tag noch die Stunde. Was glauben Sie, wie viele Menschen aus meinem Bekanntenkreis ich zwischenzeitlich schon unter die Erde gebracht habe?
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