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Foto Umschlagseite 1: imago
Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medienproduktion GmbH
ISBN 978-3-7307-0589-6
Inhalt
Prolog – Der schlimmste Anruf meines Lebens
Kindermund – Mein Leben als wandelndes Fragezeichen
Gabi Mester: „Es ist das Normalste der Welt“
Ich bin nicht behindert. Ich bin nur klein!
Sechzehn neunzig – Immer diese Scheiß-Toleranz
„Wir“ sind nicht alle gleich
Einmal Karneval als Zwerg gehen
Die kleine Nähmaschine
Klein anfangen …
Fabian Thier: „Sein T-Shirt-Helikopter ist Kult“
Gnaden-Vieren und Schiss vor einer 1 in Sport
Faule Socke und ehrgeiziger Sportler
Die lieben Frauen – Teil I
Der kleine, große Bruder
Freud und Leid mit dem Sport
Niko Kappel: „Zwei Halbe ergeben doch ein Ganzes“
Trash-Talk und ein Kopfballtor für die Ewigkeit
Das Problem mit dem Sichtfeld
Packt uns bloß nicht in Watte
Stellt Fragen!
Wieso ist Großwuchs keine Behinderung?
Die kleinen Nachteile
Spiderman und Minions: Das Kreuz mit den Klamotten
Das Kreuz mit dem Kreuz
Lächeln statt Ohrfeige: Der Zwiespalt mit dem Klaps auf den Hintern
Der Arbeitsmarkt: Scheinheiligkeit und Hürden statt Hilfe
Autofahren
Ist denn alles bei dir so klein?
Detlef Steves: „Wer ihn nicht kennt, hat etwas verpasst“
Die lieben Frauen – Teil II
Eine Kleinwüchsige? Steh ich nicht drauf!
Die lieben Schwiegereltern: Erst Freunde, dann Angstgegner
„Sei still, Kleiner!“: Wenn du mit 12 vom Kind überholt wirst
Zwischen Disco und Wichteln: Darum komm ich billig weg
Mit Matze sicher durch die Stadt
Beim Fußball für den Speerwurf entdeckt
Steffi Nerius: „Manchmal musste ich ihm den Kopf waschen“
„Am blauen Schild rechts ab“: Mein blindes Navi
20-mal der gleiche Artikel – und Papa stolz wie Bolle
Die nie gekannte Angst: Jetzt nicht mehr wachsen
Keine Silbe beim Casting – Das herrliche Leben in WGs
Wir sind Paralympier, wir jammern nicht
Ein kleiner Kuchen: Neid und Missgunst im Para-Sport
Der erste 40-Meter-Wurf
Auf dem Rasen mit Stefan Kuntz: Lautern als sportliche Heimat
Mehr wert als jede Medaille
Eröffnungsfeiern: Wie ich mit Trick 17 ins Fernsehen kam
Friedhelm Julius Beucher: „Er war die Stimmungskanone im Deutschen Haus“
Einst Spötter, heute Fan
Drei Wege zu schummeln: Der Behindertensport und Doping
Verarsche und Pech bei den Paralympics
Der „Silberpfeil“ und die Tränen meines Opas
Bundeskanzlerin, Bundespräsident und Co.
Kein Foto mit Smudo
Mats Hummels: „Über seine Beiträge lache ich mich regelmäßig völlig kaputt“
Sechs Kilo zu schwer für Handgepäck: Wie der Hype um ein Bild mein Leben veränderte
Phil Laude, Y-Titty, Pumuckl und der Hobbit
Wie alles begann: Jugendsünden, fünf Likes und kein Kommentar
Corona und ein Mester Abstand: Die Parantänischen Spiele
Über Instagram und Tinder: Süchtig nach sozialen Netzwerken
Zu groß als Dinklage-Double: Schauspiel und Comedy als Hobby
Unterwegs in der TV-Welt
Wie ich als Porno-Darsteller angeworben werden sollte
Ist Deutschland reif für einen kleinwüchsigen Bachelor?
Holger Schmidt: „Gewinnt. Und seid dabei ein bisschen wie Matze“
Wie sag ich’s meinen Eltern?
Normen und Schmerzen: Deshalb habe ich aufgehört
Eine Eingebung im Auto. Und die Erkenntnis: Das war’s
Zuspruch und Verschwörungstheorien
Kein Blick zurück
Danke, Sport! Du hast mir alles gegeben
Der Sport nach dem Sport
Epilog
Kurz-Stenogramm Mathias Mester
Dank
Prolog– Der schlimmste Anruf meines Lebens
2019 gab es mal eine ganz kurze Zeit, in der ich grübelte, ob ich mir nicht doch etwas vormache. Ob ich tief innendrin doch gar nicht so normal bin, wie ich immer glaubte. Ob ich das nicht immer nur mir und der ganzen Welt erzählte. Und ob meine fröhliche und lustige Art, die mir angeboren schien, nicht das typische Verhalten eines Clowns war. Des Clowns, der hinter seiner Maske ein trauriges Ich verbirgt. Und dessen Lustigsein eine Kompensation ist. Ein Verstecken des wahren Ichs. Oder sogar ein Bekämpfen innerer Dämonen.
Es ging mir damals über Wochen und Monate schlecht. Seelisch. Tatsächlich übermannten mich des Öfteren eine Traurigkeit, eine Dunkelheit und eine Hilflosigkeit, die ich nicht kannte. Ich war in passender Gesellschaft und in passenden Momenten durchaus gut drauf. Aber sobald ich alleine war, schien es, als habe jemand einen Stecker gezogen. Als werfe mir jemand eine schwarze Decke über den Kopf. Oder als rufe jemand lauthals: „Jetzt ist aber Schluss mit lustig.“
Und weil ich das alles nicht kannte, warf es mich zwischenzeitlich fast aus der Bahn. Mein Leben lang war ich immer nur dann traurig gewesen, wenn es in dieser Sekunde einen konkreten Grund gab. Ein verlorenes Fußballspiel oder eine andere sportliche Enttäuschung. Eine geplatzte Liebe. Eine schlechte Note. Sorgen um einen geliebten Menschen. Ja, und manchmal eben auch Zurückweisungen. Aber mit alledem bin ich immer gut fertiggeworden, die Probleme haben sich schnell in Luft aufgelöst und ich war der fröhliche alte Matze.
Diesmal hatte ich das Gefühl, in einer Abwärtsspirale zu sein, und ich kam da irgendwie nicht raus. Und in ganz schlimmen Momenten überfiel mich schon während des Fröhlichseins die Angst, dass nachher alles wieder anders sein wird. Dass die Traurigkeit mich wieder hinterrücks übermannen wird.
Heute weiß ich, dass ich eigentlich noch an gar keinem dramatischen Punkt war. Aber weil es mich so unvorbereitet traf und weil es so komplett wider mein Naturell war, zog es mir beinahe die Füße weg. Es überfiel mich im Schlaf, hielt mich fest im Schwitzkasten und hinterließ mich ratlos und hilflos. Weil ich nicht einmal genau wusste, was das eigentlich war. Also kamen kurzzeitig eben auch diese Gedanken: War ich also doch gar nicht so normal? War die Phase die Quittung für über 30 Jahre des unbewussten Selbstbelügens? Des Irrglaubens, ich sei normal und mein Kleinwuchs nun wirklich das geringste Problem? Auch diese Gedanken sorgten sicher dafür, dass ich mir schneller Hilfe suchte, als es die meisten anderen getan hätten. Dass ich das Problem schon im frühen Stadium viel größer machte, als es eigentlich war. Was im Nachhinein mein Glück war.
Ich hatte das Gefühl, ich rauschte mit einem Flugzeug aus 10.000 Metern auf den Abgrund zu und der harte Aufschlag sei nicht mehr allzu fern. Heute weiß ich – um im Bild zu bleiben –, dass ich wohl noch ein paar Tausend Meter Höhe hatte, als ich mir eingestand, Hilfe zu brauchen. Aber wie gesagt: Genau das war mein Glück. Denn heute geht es mir wieder richtig gut.
Ich suchte mir also Hilfe. Erst bei einem Sportpsychologen, dann bald bei einer Psychologin. Ich erzählte, erzählte und erzählte. Erst etwas zögerlich, bald sprudelte es wie ein Wasserfall aus mir heraus. Die Dame hörte geduldig zu, nickte zwischendurch immer wieder wissend und machte sich Notizen. Und wie es bei alledem wohl üblich ist, blickten wir auch zurück in meine Kindheit. Irgendwann stellte sich dann auch die Frage: Hat das alles vielleicht doch mit meiner Größe zu tun? Habe ich mir über 30 Jahre etwas vorgemacht? Habe ich mich selbst belogen? Holt mich nun alles ein? Nein, sagte meine Psychologin. „Nein, Herr Mester, ganz sicher nicht.“
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