1 ...6 7 8 10 11 12 ...28 ‚Google Maps – Routenplaner‘. Er setzte sich wieder an den Computer. Monika blickte ihm über die Schulter und legte ihre Hände auf seine Brust. Ihr warmer Körper war weich und anschmiegsam. Der Duft ihrer schwarzen Haarpracht hüllte ihn ein. Zärtlich strich er ihr über den Hals.
"Die Strecke ist verdammt lang." Er lehnte sich etwas zurück, schmiegte seinen Kopf an ihre weichen Brüste, folgte der blauen Linie auf der Karte. Verliebt legte sie ihre Wange an sein Ohr und schaute auf den Bildschirm. Ihre warmen Hände machten sich an zwei Knöpfen zu schaffen und verschwanden unter seinem geöffneten Hemd.
"Bregenz, Memmingen, Heidenheim und hoch nach Würzburg." Er setzte den Zeigefinder an das Display und folgte der Linie nordwärts. Vorbei an Fulda, Kassel, Göttingen und durch Hannover bis Hamburg. Nach dem Elbtunnel folgten Itzehoe und Husum.
"Hier in Dagebüll ist Endstation. Wie es aussieht, geht es dann weiter mit der Fähre." Gespannt klickte er auf die Webseite der ‚Wyker Dampfschiffs-Reederei‘. ‚Natürlich können Sie auf den Inseln Föhr und Amrum auch ohne Auto unterwegs sein – falls Sie Ihren Wagen nicht auf die Insel mitnehmen möchten, können Sie ihn ganz bequem auf dem Inselparkplatz abstellen‘, versprach das ‚Tor zu den Inseln‘ virtuell. ‚Im Parkcenter können Sie Ihre Fährfahrkarten erwerben. Außerdem gibt es hier ein Café, ein Bistro und einen Kiosk. Am Ende Ihrer Reise können Sie hier auch die Parkgebühren bezahlen‘, las Julian beruhigt die Informationen. ‚Natürlich können Sie auf den Inseln Föhr und Amrum auch ohne Auto unterwegs sein – falls Sie Ihren Wagen nicht auf die Insel mitnehmen möchten, können Sie ihn ganz bequem auf dem Inselparkplatz abstellen. Inselparkplatz.de, musterte er aufmerksam die Bilder.
"Okay, aber wie kann ich die Überfahrt buchen?" Suchend klickte er sich durch die Webseite der Reederei. Monikas warme Finger kreisten auf seiner Haut.
‚Wie geht’s überhaupt zurück, wenn ich den Wagen auf die Insel nehme?" Akribisch sammelte er die Informationen zusammen. ‚Auch ohne Reservierung werden nach Möglichkeit alle Fahrzeuge im Laufe des Tages befördert, die bis spätestens 14 Uhr bei der W.D.R. zur Verschiffung angemeldet werden. Mit etwas Glück geschieht das sogar zur gewünschten Abfahrtszeit‘, liess das Unternehmen seine Bedenken schwinden. Julian war schnell entschlossen, das Fahrzeug auf dem Festland zurück zu lassen – Inselparkplatz.
"Also Dagebüll. Das ändert einiges." Er aktualisierte den Routenplaner. Somit nur noch 1036 Kilometer bis zum Fähranleger. Das heisst zehn Stunden und vier Minuten Autofahrt." Umgehend hatte er die neuen Daten aufgeschrieben. Die Planung stand. Mehr Informationen waren nicht nötig. Einfach mal losfahren und nehmen wie es kommt. Zufrieden stellte er den Computer aus. Monikas Absichten für diese letzte Nacht an seiner Seite waren klar. Ihre Hände und ihre roten Lippen sprachen mit deutlichen Worten und liessen keine Zweifel offen.
Die leise Musik erklang auf sanften Wellen aus seinem Wecker. Die goldene Ziffer auf schwarzem Untergrund der Armbanduhr wechselte auf kurz vor Neun. Das Sonnenlicht spiegelte sich im Glas.
"Es war schön, mein Liebster. Freue mich auf das nächste Mal - Monika!" Ein kleines Herz war neben den Text gezeichnet. Das Kissen duftete noch immer nach ihr. Giorgio Beverly Hills, blumig, in einer Mischung von Pfirsich, Aprikose, Bergamotte und Orangenblüten. Ein schwarzes, langes Haar war von ihr zurück geblieben. Er war verzückt von ihrem Wesen, von ihrer liebevollen Leidenschaft und der weiblichen Sinnlichkeit. Drei lange Wochen würde er die beiden nun nicht sehen – mit Sicherheit sogar vermissen. Dienstag, der Tag der Abfahrt war erwacht. Verschlafen zog Julian die warme Decke beiseite, rieb sich das Gesicht und erhob sich wie gewohnt von seinem Bett. Reisefiebrig schritt er durch die kleine Wohnung. Seine Gefühle schwankten zwischen einem Hochgefühl der Freude für eine unerwartete und neue Freiheit und den Bedenken einer langen und ungewohnten Fahrt. Dennoch überwog die entdeckerische Lebensfreude, die Neugier und der Forscherdrang. Mit jeder Minute drängte es ihn danach, das Alte und Gewohnte zu verlassen, neue Horizonte zu entdecken und ungeahnte Höhen zu erklimmen. Der Tag dümpelte dahin. Ganz langsam waren die Stunden in den Nachmittag geschritten. Es drängte ihn danach endlich loszufahren. Vor 21.00h wurde dies von den Verkehrsdiensten nicht empfohlen. Die deutschen Autobahnen sind in der Regel übervoll. Von Ost nach West, von Süd nach Nord, Staus und Kolonnen sind an der Tagesordnung – eine nächtliche Reise daher äusserst sinnvoll.
‚Das Mail an Frau Behlendörp‘, schoss es Julian plötzlich durch den Kopf. In seiner Aufregung hatte er es versäumt die Anwältin über die Abreise zu informieren. Das schlechte Gewissen quälte. Er hasste Unpässlichkeit und leere Worte. Fast hätte er ihr gegenüber das Versprechen gebrochen.
‚ ... auf Wiedersehen. Ich werde mich auf jeden Fall bei Ihnen melden‘, hatte er ihr vor drei Tagen ausdrücklich versprochen.
Nachdenklich schloss er die scheppernden Fensterflügel und begann zu tippen; ‚Sehr geehrte Frau Behlendörp. Wie versprochen informiere ich Sie gerne darüber, dass ich die Reise nach Nieblum, heute, Dienstagabend gegen 21.00h antrete. Ich werde also am frühen Mittwochmorgen um 7.20h in Dagebüll mit der Fähre nach Föhr übersetzen und im Laufe des Morgens in Wyk eintreffen‘. Er machte eine kurze Pause mit dem Schreiben und begann nach Nieblum zu ‚googeln‘.
‚Altes friesisches Teehaus‘, ‚Friesendom‘, ‚Dörpshus‘, ‚Lütt Puck‘ oder vom Geburtshaus eines Jens Jacob Eschels, einem berühmten Walfänger und Kapitän, liess er sich von den farbenprächtigen Bildern des preisgekrönten Ortes, Nieblum inspirieren.
‚Gerne nehme ich bezüglich einer Unterkunft Ihr Angebot in Anspruch und danke Ihnen bestens. Mit freundlichen Grüssen Julian Sutter‘, fuhr er weiter mit der Nachricht, schickte sie los und klappte den Deckel des Computers zu.
Tollkühne Pläne und verwegene Visionen jagten ihm plötzlich durch den Kopf. Das Land im Norden begann ihn unerwartet zu faszinieren. Deichkieker, Deichschafe wurden für ihr Fleisch und für die feste Wolle angepriesen. Das Ostfriesische Milchschaf für seine wertvolle Milch und dessen medizinische Wirkung hoch gelobt. Hochwertige Schafmilch und schweizerische Käsetraditionen, liessen sich mitunter gut verbinden. Dieser Gedanke öffnete ihm plötzlich neue Horizonte und visionäre Perspektiven. Mit jeder neuen Überlegung wurde Julian etwas wagemutiger. Kreative Ideen und interessante Einfälle gewannen Überhand gegen die wilden Dämonen der blockierenden Bedenken. Der Hader war Julian stets ein Dorn im Auge.
Gedankenverloren zappte er durch das TV-Programm. Unentschlossen surfte er zwischen amerikanischen Action Filmen, Dokus und Kommissario Brunetti. NDR: Nordseereport. Von blauen Meeren, weissen Wolken, Seehunden und Wattenmeer.
"NDR? Seit wann habe ich diesen Sender?" Beeindruckt blieb er hängen in dem Bericht. Vor kaum drei Tagen, hätte er Robben, Krabben und Nordseestrände schlicht und einfach übersehen. Sie waren ihm bis anhin so egal, wie der berühmte Beutel Reis, der in China zu Boden fällt. Interessiert verfolgte er die spannenden Geschichten, liess sich entführen in sagenhafte Welten von versunkenen Schätzen, verheerenden Mandränken, Petri Flut und tosenden Flutwellen. Erstmals hörte er von dem gesunkenen deutschen Atlantis ‚Rungholt‘, von Leuchtturmabenteuer und mittelalterlichen Strandpiraten. Beeindruckt griff er nach seinem Handy und schrieb eine SMS.
‚Liebe Annemarie. Bin echt beeindruckt von der Nordsee. Habe grade eine Doku gesehen. Kann Deinen Vater irgendwie verstehen. Fahre heute Abend gegen 21.00h los nach Dagebüll. Werde wohl zwei, drei Wochen auf der Insel bleiben. Ich melde mich. Lieber Gruss und Küsse, Julian.‘ Wehmütig legte er das Handy wieder beiseite. Obschon in klarer Unverbindlichkeit, war er den beiden Frauen zugeneigt mit tiefen Gefühlen der Verbundenheit. Aus der wunderbaren Blüte der Verliebtheit, vermochte jedoch bis anhin keine wahre Liebe zu erwachsen – weder für die eine noch für die andere. Tosende Wellen stürmischer Gefühle brachen daher oftmals über ihn herein und quälten seine Brust.
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