Wenn deine Mutter sie will, dann soll sie die Alte heiraten, heute ist das kein Problem.
Kümmere dich um das Kind, aber triff nie eine Entscheidung, die dir jemand anderer einreden will.
Merk dir das, Bub!“
Brunhilde hatte immer zu ihm gehalten.
Damals, als er mit dreizehn Jahren am Silvesterabend mit einigen Freunden Kracher warf. Nicht nur im nahe gelegenen Park und am Gehsteig.
Irgendwann erspähte er das offene Klofenster der bissigen Hausbesorgerin. Er warf zwei Kracher hinein.
Blöderweise als diese gerade in Begleitung ihrer Lieblingslektüre, in Ruhe eine Sitzung am stillen Örtchen starten wollte.
Als guten Einstieg für das Neue Jahr gab es eine Anzeige bei der Polizei.
„Mit dem Bankert werden sie noch eine Freude haben, Frau Professor!“ prophezeite hämisch die Hausmeisterin.
„Der hat eine kriminelle Energie!“
Mama Klein war am Boden zerstört.
Die Schande!
Die Nachbarn!
Als Brunhilde davon erfuhr, lachte sie lauthals und riet ihrer Schwester sich nicht ins Hemd zu machen.
Sie drückte ihm ein ordentliches Taschengeld in die Hand und sagte: „Schieß der alten Hyäne noch eine Ladung ins Häusl, aber lass dich nicht erwischen!“
So ab sechszehn Jahren wurden die Mädchen immer interessanter für Walter.
Außer dem Ausrutscher mit den Krachern war Walter bis dato ein ‚Braver’.
Gymnasiast, der Vater Professor für Deutsch und Geschichte, also beste Familie. Hervorragende Manieren, daher auch von den Eltern diverser Mädchen als Partygast gerne gesehen.
Den Mädchen wiederum war die Wohlerzogenheit eher egal, ihnen gefiel der fesche, große Blonde mit den blauen Augen.
Es gab nicht nur eine Interessentin.
An einem Freitag, einem dreizehnten (!), war er zur Geburtstagsparty der begehrten Manuela eingeladen.
Seit damals war er etwas abergläubisch.
Er war in der Blüte seiner Pubertät.
Er hatte die fesche Manuela im Arm und Iggy Popp auf dem Plattenteller, der „I’m a real wild one and I like the wild fun“ grölte.
„Weg mit dem Musterknabenimage!“, schwor er sich an diesem Abend.
Außerdem wollte er die Schöne endlich küssen.
So ganz traute er sich aber noch nicht.
Wie gut, dass es Alex als Mitschüler und Freund gab.
Der hatte zwei Flaschen Bacardi eingeschmuggelt.
Walter kippte auf die Schnelle einige Bacardi Cola.
Das Zeug wirkte super.
Alles war easy, alles war roger in Kambodscha.
Manuela kicherte erwartungsvoll, als er immer mutiger wurde.
Vielleicht war es auch an der Zeit einen Schritt weiter zu gehen?
Iggy Popp und sein Song gaben den zusätzlichen Kick.
Auf seinen Wunsch ertönte nochmals das Lied vom wirklich Wilden, der den wilden Spaß mochte.
Bevor es mit Manu zur Sache gehen sollte, gab er noch rasch ein Solo auf der Luftgitarre und er röhrte mit Iggy Popp gemeinsam.
Irgendwie verlor er dann das Gleichgewicht und er knallte mit dem Hinterkopf auf die Steinfliesen.
Dann wurde es dunkel.
Als es wieder hell war, lag er mit verbundenem Kopf und ausgepumptem Magen in einem Krankenhausbett.
Das Nachspiel war nicht ohne.
Manuelas Liebe war erloschen.
Besser gesagt ersoffen.
Im Aufwaschkübel, gemeinsam mit den Bacardi Colas und dem Cheeseburger, die er vor seinem Aufprall noch von sich gegeben hatte.
Vielleicht hätte er damals doch nicht im Bad mit dem After Shave von Manuelas Vater, zwecks besseren Mundgeruchs, gurgeln sollen.
Das hatte ihm anscheinend die Eingeweide rausgefetzt.
Alex hatte er natürlich nicht verraten, er nahm den Alkoholschmuggel auf seine Kappe, was bei seinem entsetzlichen Brummschädel auch schon egal war.
Es folgte ein lebenslanges Hausverbot von Manuelas Eltern.
Die Schande!
Die Nachbarn!
Seine Mutter erlitt einen Weinkrampf, der nahtlos in einen Nervenzusammenbruch überging.
Bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr ging es dann eher ruhig dahin.
Dann starb sein Vater.
Brunhilde kam und bot ihre Hilfe an.
Seiner Mutter gab sie den Rat: „Klammere dich jetzt nicht an den Buben!“
Aber genau das tat die dann.
Über Walter schwebte ein Damoklesschwert in Form von Herztropfen, wenn er nicht so funktionierte, wie Margarethe sich das vorstellte.
Sein hervorragendes Maturazeugnis zwei Jahre später, versöhnte seine Mutter mit ihrer Leidensgeschichte ein wenig.
Brunhilde war auch stolz auf den tüchtigen Neffen und spendierte Führerschein und erstes Auto.
Walter wusste noch immer nicht so genau, was er studieren sollte.
Archäologie hätte ihn brennend interessiert.
Brunhilde zeigte sich ob seiner Überlegung begeistert und wusste sogar für ihn einen Platz, an dem er ein Jahr an Ausgrabungen teilnehmen konnte.
Wenn ihm das zusagte, dann sollte er sein Studium beginnen.
„Das kann ich mir nicht leisten!“, schmetterte Margarethe diese Überlegung ab.
„Ich werde ihm das Jahr finanzieren“, beruhigte sie die Schwester.
Walter war außer sich vor Freude.
Allerdings nur wenige Stunden.
Am Abend holte ein Krankenwagen seine Mutter. Das Herz!
Zwar fanden die Ärzte absolut nichts Besorgniserregendes, aber für Walter war es dann trotzdem vorbei mit der Archäologie.
Im beginnenden Wintersemester belegte Walter an der Universität die Fächer Deutsch und Geschichte für Lehramt.
Margarethe war so glücklich.
Die Familientradition war so fortgesetzt.
Professor für Deutsch und Geschichte an einem Gymnasium, so wie ihr Mann, dessen Vater und wie ihr Vater und Großvater.
Ihr Sohn sollte aber noch einen drauf setzen und an der Uni unterrichten.
Das war ihr Ziel!
Walter radelte das Studium mehr oder weniger lustlos herunter.
Es gab natürlich auch Treffen mit Studienkolleginnen.
Entweder schaffte es seine Mutter, seine Bekanntschaften so schnell wie möglich zu vergraulen oder es waren ohnehin nicht besonders tiefgehende Begegnungen.
Irgendwie war damals alles grau in grau.
Dann kam endlich Farbe in sein Leben.
Sofia!
Lange schwarze Haare, Traumfigur, bildhübsch und völlig ausgeflippt.
Damals wechselte sie zum fünften Mal das Studium, hatte gerade Indogermanistik inskribiert und war Walter in der Mensa über den Weg gelaufen.
Bei ihm war es Liebe auf den ersten Blick gewesen.
Ihr exotisches Flair hatte ihn sofort in ihren Bann gezogen.
Hier in Wien, fernab der elterlichen Obhut lebte sie sich allerdings erst einmal so richtig aus.
Sofias Vater war ein Fan der Loren gewesen, daher der Name Sofia.
Zu der gesamten Erscheinung passte allerdings der Background nicht so ganz.
Sofia Hinterhauser, Bäckermeistertochter aus dem kleinen idyllischen niederösterreichischen Örtchen Unterstinkenbrunn.
Alles im Leben hat eben zwei Seiten.
Sofia hatte ihre besonders ausgeprägt.
Einmal liebes, unschuldiges Mädchen aus der Provinz.
Dann wieder femme fatale der Großstadt.
Mit der Provinzversion kam Walter perfekt zurecht.
Die Großstadtvariante machte ihm mitunter schwer zu schaffen.
Sofia feierte gerne und tanzte dann auch auf den Tischen.
Sie kippte gerne ein Gläschen oder mehr.
Wenn sie in Fahrt war, dann eher mehr.
Ihren Modestil änderte sie mindestens zweimal am Tag, ebenso die Länge ihrer Röcke.
Ihr Make-up machte sie zu einer Mischung aus Punkerin und Bordsteinschwalbe.
Aber er war verrückt nach ihr.
Sie war eben auch nicht nur in Sachen Mode äußerst experimentierfreudig.
Seine Mutter hatte Sofia noch nicht zu Gesicht bekommen.
Das vermied er tunlichst.
Margarethe witterte allerdings schon bald eine unbekannte Gefahr und hatte ihre Antennen ausgefahren.
Immerhin blieb Walter auch über Nacht weg.
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