»Der strahlende, einzigartige, von Satan über alles verehrte, großartige Suriel! Er kommt jetzt! Gleich ist er da! Ja, da ist er schon!«, quäkte der Diener. Zaphiel verdrehte die Augen und sagte: »Ja, ja! Ist ja gut, und jetzt verpiss dich, du Arsch!«
Und nun rauschte Suriel ins Büro. Verdammt aber auch, er sieht einfach fantastisch aus! Grandios gekleidet in Samt und Seide. Und er hat eine Nase!, musste sich Zaphiel eingestehen. Und Suriel war nicht nur bekannt für sein überaus einnehmendes Wesen, sondern auch für seinen ausgesprochen nervigen Hygiene-Fimmel. Damals war er der Hygienebeauftragte Jahwes. Ehe die Engel stürzten, versteht sich.
»Zaphiel, du ließest mich rufen?«, fragte der Gutaussehende mit wohlklingend sonorer Stimme und reichte Zaphiel eine behandschuhte Hand. Erst nachdem er Zaphiel die Hand geschüttelt hatte, zog er die feinen Menschenleder-Handschuhe aus und verbrannte sie auf dem steinernen Boden. Danach sah er das Aschehäufchen missmutig an, weil sein Diener aus dem Zimmer geschickt worden war und es damit nicht für ihn wegfegen konnte.
»Äh, ja! Natürlich ließ ich dich rufen, Suriel, sonst wärst du ja nicht hier!«, bemerkte Zaphiel schlechtgelaunt. »Hör zu, es geht um Folgendes: Ich sendete Nelchael aus, um dort oben die Lage zu peilen. Du weißt schon, es geht im Grunde um das Barbiel-Problem, aber dazu hat sich noch ein weiteres gesellt. Jetzt ist es ein Ragnor- und Barbiel-Problem«, knirschte er hervor. Suriel nickte und Zaphiel fuhr fort. »Ich denke Nelchael hat sich dabei zu weit aus dem Fenster gelehnt, hat es vermasselt und wurde meines Erachtens vom Vampir Ragnor vernichtet. Mit Ragnor ist nicht zu spaßen, ein wahrer Wüterich. Davon können sich unsere Jungs noch eine Scheibe abschneiden. Also sollte ein Profi sich jetzt der Sache annehmen. Aber nur auskundschaften, nicht eingreifen. Erst wenn Barbiel wieder auf der Bildfläche erscheint, schnappen wir sie uns beide - und das war´s dann.«
»Gut, gut, dann werde ich ihn observieren, das dürfte ein Leichtes für mich sein, es heißt nicht umsonst, ich sei Satans bester Mann«, antwortete der Lobhudler. »Und wenn ich wiederkomme, um Bericht zu erstatten, habe ich sicherlich einen schönen Tannenzapfen für dich in der Tasche. Ich weiß, es heißt ja immer ›Pariser Chic‹, aber das Ding in deinem Gesicht – es ist alles andere als en vogue - und steht dir nicht zu Gesicht.«
Obwohl Zaphiel diesem eitlen Fatzke am liebsten einen Tritt ins Gemächt zu verpassen beabsichtigte, machte er gute Miene zum bösen Spiel. Um ihm seinerseits zu demütigen, reichte er ihm gönnerhaft die Hand.
»Sehr schön, dann erwarte ich umgehend deinen Lagebericht. Ach ja, noch etwas. Wenn du scheitern solltest, weißt du was dich erwartet. Klangfolter mit dem Gesang eines Knabenchors, der die Matthäus-Passion deklamiert, und Sissi-Filme in einer Endlosschleife. Das war es von mir, adieu, mein Freund!«
Es wurden noch weitere, scheinheilige und nicht wirklich ernstgemeinte Komplimente ausgetauscht, während Suriel mit angewiderter Miene ein Hygiene-Tuch aus der Brokat-Weste nestelte und sich die Hand sorgfältig säuberte. Dann rauschte er wieder hinaus. Entnervt verdrehte Zaphiel die Augen. »Wo sind wir hier eigentlich? Langsam habe ich echt die Schnauze voll! Bin ich denn nur von Deppen und Gecken umgeben?«
Als Antwort erklang nur das Wimmern und Klagen verlorener Seelen aus dem Fegefeuer.
»Ach, verdammt! Wer hat euch denn gefragt? Haltet gefälligst euer blödes Maul!«
***
Die Tage und Wochen vergingen wie im Fluge. Aus einem warmen Spätsommer wurde ein heiterer, goldener Oktober, und die Tage merklich kürzer. Weder erreichte mich eine Nachricht von meinen Teamkollegen, noch erfuhr ich vom Verbleib meines Blutsbruders. Und des bescheuerten Katers konnte ich auch nicht habhaft werden. Nur seine kleinen Präsente hinterließ mir dieses Vieh, worüber er sich bestimmt königlich amüsierte. So blieb mir nichts anderes übrig, als mit stoischer Geduld meine mir auferlegten Therapiestunden zu ertragen. Die kleine Spionin Diemal, klebte mir dabei an der Hacke wie Hundescheiße. Wirklich besser fühlte ich mich durch diese Meditations-Zeug nicht, doch gab es meinem Dasein zumindest den Anstrich eines geregelten Ablaufs. Zum Andenken an meine erste Frau Edda, meinem ersten Sohn Gungnir und das ungeborene Kind, dessen Namen und Geschlecht ich niemals erfahren sollte, pflanzte ich ein paar rote Rosensträucher in meinen Garten. Für meine Tochter Jule pflanzte ich gelbe Rosen, für meine Tochter Mara ein paar orangefarbige. Für meine Ex-Frau wollte ich erst einen Apfelbaum einsetzen, doch nach reiflicher Überlegung, benannte ich nach ihr lediglich meine Mülltonne. In der kostbaren Freizeit, die mir nach dem Unterricht noch übrig blieb, sicherte ich das Terrain um meinen Wohnsitz herum. Bestückt mit Infrarot-Bewegungsmeldern, Flutlicht und gut verborgenen Kameras, fühlte ich mich ausreichend gut gewappnet. Auch hatte ich für die Abend- und Nachtstunden ein neues, Zeit füllendes Hobby gefunden, das mich weitestgehend vom übermäßigen Trinken ablenkte. Ohnehin gab es auch noch die Welt der motorisierten Fahrzeuge. Inzwischen konnte ich nicht nur einen Jeep mein Eigen nennen, sondern war obendrein noch der stolze Besitzer einer fast museumsreifen Harley Davidson, die ich so aufrüstete, damit sie nicht die gesamte Ortschaft mit ihrem Knattern in Alarmbereitschaft versetzte. Als ich eines Tages den Jeep in meiner Garage parken wollte, bemerkte ich einen weiteren Wagen, der unter einer Abdeckplane verborgen war. Aus Platzmangel wurde er einfach so bei mir abgestellt. Nach weiterer Befragung erfuhr ich, der Wagen sei nicht mehr fahrtüchtig und niemand fand sich bereit, ihn zu reparieren. Sofort meldete ich mich dafür, aber nur unter der Bedingung, das Gefährt anschließend in meinen Besitz übergehen zu lassen. Den Jungs aus dem Fuhrpark war es total egal, was mit dem schönen und eleganten Mercedes passierte. In ihren Augen war er nicht mehr, als ein Haufen Schrott und längst abgeschrieben. Ein Jeep mag ja ein Fun-Mobil für den Sommer sein, doch im Winter war er reichlich zugig. Obendrein machte ein Mercedes SEC 500 schon ganz schön was her. Okay, Baujahr 1984, dazu ein echter Bonzen-Wagen, aber bestens in Schuss und nur wenige Kilometer gefahren.
Amandas Aufforderungen zur Untersuchung kam ich nicht nach. Wenn es schon sein musste, dann unter meinen Bedingungen. Das Kriegsbeil, das zwischen uns noch immer nicht begraben war, hing über meinem Schädel, wie das Schwert des Damokles. Selbstredend ging es mir nicht gut. Die Kopfschmerzen waren die pure Hölle und das Nasenbluten wurde auch nicht besser. Doch ehe ich mich in die Krallen der Kanaille begab, behandelte ich mein Unwohlsein lieber selbst mit Paracetamol und Ibuprofen. Ich machte es mir zur Gewohnheit, die vielen Schmerztabletten, ohne die ich kaum einen Tag überstehen konnte, weiträumig in verschiedenen Apotheken zu kaufen, damit der Verdacht eines Schmerzmittelmissbrauchs erst gar nicht aufkeimte. Manchmal erwachte ich irgendwo und wusste nicht, wie ich überhaupt dort hingekommen war. Einmal sogar in meiner Badewanne, unter Wasser. Und das Wasser war schon lange nicht mehr warm. Obwohl das alles ein wenig beunruhigend war, ignorierte ich es geflissentlich und tat, als ginge es mir gut und ansonsten sei nichts gewesen.
Weiterhin ging ich brav zu Dr. Dr. Gütigers Gesprächstherapie, wobei es sich nicht umgehen ließ, dabei immer wieder Molly über den Weg zu laufen.
Gerade als ich abends das Haus verlassen wollte, um meinem neuen Hobby zu frönen, ging der Monitor mit Signalton an und zeigte eine entschlossen wirkende Molly, die schnurstracks auf meine Haustür zu marschierte. Sie hatte wieder ihre unheimliche Handtasche dabei, von der man nur unschwer sagen konnte, welche Überraschung sie diesmal wieder beherbergte. Nach kurzer Bedenkzeit beschloss ich nicht die Flucht über den Balkon anzutreten, sondern mich der Konfrontation zu stellen. Ständig vertröstete ich Molly auf ein andermal und konnte ein wenig verstehen, warum sie nun äußerst angefressen war. Nur der Zeitpunkt schmeckte mir gar nicht. Sie schellte an der Tür. Unschuld vortäuschend fragte ich: »Ja? Wer dort?«
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