1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 »Nein, überhaupt nicht. Ich dachte nur, dass sich die Leute in deinen Kreisen dieses Zeug reinstopfen wie andere Leute Pizza.«
Arthur lachte. Es war ein überraschend jungenhaftes, fröhliches Lachen, das ihn zu einem völlig anderen Menschen machte. »Ich verrate dir ein Geheimnis: Es gibt in meinen Kreisen auch Leute, die sich nicht an die Spielregeln halten. Ich zum Beispiel. Ich hasse alles, was mit Fisch zu tun hat.«
Er ließ sie vor sich die Treppe hinaufgehen. Mia sah sich in seiner nagelneuen Küche um, in der es an nichts fehlte.
»Benutzt du das auch alles?«, fragte sie mit einem Blick auf blitzende Messer, Töpfe und Pfannen.
Zu ihrer Verblüffung antwortete Arthur: »Ja, gewiss, ich koche oft.«
Mia hatte Mühe, sich Arthur am Herd vorzustellen, diesen Mann, der wahrscheinlich sogar in seinen Maßanzügen schlief und den Eindruck erweckte, als würde er sich nicht nur beim Sex ständig von Frauen bedienen lassen.
Vor dem Küchenfenster entdeckte sie eine große Dachterrasse, auf deren Holzplanken der Regen niederprasselte.
»Du meine Güte, die Terrasse ist ja der Hammer!«, rief Mia begeistert.
»Stimmt«, räumte Arthur ein, der einen Topf auf den Herd stellte. »Das ist ein schönes Plätzchen da draußen.«
»Warum sind wir denn da noch nie rausgegangen?«
Mia dachte an laue Frühlingsabende, die sie im Wohnzimmer statt oben auf dieser herrlichen Terrasse verbracht hatten. Aber sie war natürlich immer schnell wieder heimgegangen. Arthur hatte ihr nie angeboten, länger zu bleiben. Das fiel ihm offenbar auch gerade auf. Während er betont konzentriert in seinen Topf starrte, murmelte er:
»Hat sich halt nie ergeben.«
»Was gibts denn jetzt eigentlich?«, fragte Mia rasch, um ihre Unsicherheit zu überspielen.
»Wie wär’s mit Spaghetti und Pesto? Ich habe mir sagen lassen, dass das in deinen Kreisen ein recht beliebtes Gericht sein soll.«
Mia gefiel der freundliche Spott in Arthurs Stimme. »Klingt super!«
Sie setzte sich an den Esstisch, ließ sich von Arthur ein Glas Wein einschenken und schaute ihm beim Kochen zu. Bewundernd musterte sie seinen durchtrainierten Körper – die breiten Schultern, den knackigen Hintern, der sich deutlich unter der Hose abzeichnete, die langen Beine und den Nacken, der sich dunkel vom weißen Hemdkragen abhob. Plötzlich überkam sie das überwältigende Verlangen, diesen schmalen Streifen zwischen Kragen und Haar zu berühren, jene ungeschützte Stelle mit der weichen Haut, unter der die Muskeln spielten. Hastig nahm Mia einen Schluck Wein und zwang sich, Arthur ganz sachlich beim Kochen zu beobachten. Das war ohnehin aufregend genug.
Dies war ein ganz anderer Arthur als der, den Mia bisher kannte. Er passte weder zu ihrem Bild des kalten, berechnenden Geschäftsmannes noch zu dem Mann mit den recht einseitigen sexuellen Obsessionen. Dieser Arthur war überraschend normal. Souverän bewegte er sich zwischen Herd und Kühlschrank und routiniert bereitete er das Essen zu. Das Basilikumpesto machte er selbst, der Parmesan kam frisch vom Stück. Zumindest in einem Punkt hatte Mia sich nicht getäuscht: Es gab nichts, wovon Arthur keine Ahnung hatte und das er nicht perfekt beherrschte.
Das Essen war schlicht und doch vollkommen, es schmeckte fantastisch. Der Wein versetzte Mia in eine entspannte, leicht melancholische Stimmung. Dazu trug auch die Musik bei, die Arthur aufgelegt hatte. Suchende Klavierakkorde traten in Dialog mit einer Trompete, ihre klagenden Töne erfüllten den Raum.
»Was ist das für Musik?«, fragte Mia.
»Miles Davis«, erklärte Arthur freundlich. » Kind of Blue zählt zu den größten Alben der Jazzgeschichte. Aber man muss diese Musik mögen, Jazz ist nicht jedermanns Sache.«
Mia hörte normalerweise keinen Jazz. Zunächst schien ihr auch diese Musik anstrengend und schwer zugänglich zu sein, doch bei genauerem Hinhören war ihr so, als würden die Instrumente Geschichten erzählen. Die dunkle, melancholische Stimmung dieser Geschichten berührte sie.
»Ich mag das«, sagte sie nach einer Weile.
Arthur nickte zufrieden und Mia lauschte weiter der Trompete von Miles Davis. Auch Arthur schien ganz in der Musik versunken zu sein. Er starrte vor sich hin und hatte Mia offenbar vollkommen vergessen.
Verstohlen musterte sie ihn. Wer war dieser Mann? Sie trafen sich seit Monaten, aber sie wusste nichts über ihn. Was dachte er? Was fühlte er? Anfangs hatte sie geglaubt, er sei ein kranker Spinner, ein reicher Idiot, der Gefallen daran fand, Frauen zu erniedrigen. Inzwischen hatte sie ihre Meinung ein wenig geändert. Die Sache war kniffliger, aber Mia kam nicht dahinter. Arthur war barsch und kalt, gleichzeitig aber auch sensibel und klug. Er behandelte Mia meistens höflich und zuvorkommend. Manchmal lag in seinen Augen eine Sehnsucht, die Mia anrührte. Dann wieder fand sie darin nur eine geradezu schockierende Dunkelheit. Sie hätte gerne mehr darüber erfahren.
Arthur hob den Kopf, er fühlte ihren Blick auf sich ruhen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er leise.
»Ja.« Der Wein ließ ihre Glieder schwer werden und verwirrte ihre Gedanken. »Wir haben schon ein merkwürdiges Verhältnis, findest du nicht?«, sagte sie.
»Kommt drauf an, was du unter merkwürdig verstehst.« Er war wieder ganz da und sah sie aufmerksam an.
»Na ja, das ist doch eine recht einseitige Angelegenheit. Du kriegst von mir Befriedigung, aber was kriege ich?«
»Du kriegst Geld.«
» Geld .« Sie schnaubte verächtlich. »Als ob es darauf ankäme. Wir haben eine Geschäftsbeziehung, sagst du, aber profitieren tust nur du davon. Ich gehe immer leer aus.«
»Moment mal!« Arthurs Blick wurde finster. »Du gehst ganz gewiss nicht leer aus. Sechzig Euro für jedes Treffen, richtig? Habe ich auch nur ein einziges Mal nicht gezahlt? Also, was willst du?«
Die friedliche Stimmung war zerstört. Mia ärgerte sich, dass sie das Thema angefangen und es dann auch noch so ungeschickt in die völlig falsche Richtung gelenkt hatte. Aber der Wein war ihr zu Kopf gestiegen, sie konnte ihre Gedanken nur mühsam sortieren.
»Geld ist doch nicht immer das Wichtigste«, brachte sie hervor. Sie konnte Arthur unmöglich von ihrem heimlichen Verlangen, ihren lustvollen Fantasien erzählen.
»Nein«, entgegnete Arthur kalt, »Geld ist wahrhaftig nicht das Wichtigste. Aber es erleichtert das Leben ungemein. Oder genießt du es etwa nicht, dass du dir diesen schicken, roten Mantel kaufen konntest?«
»Du hast gemerkt, dass ich einen neuen Mantel habe?« Mia war verblüfft. Den viel zu teuren Designermantel hatte sie sich tatsächlich erst kürzlich von Arthurs Geld geleistet.
»Natürlich habe ich das gemerkt«, erwiderte er ärgerlich. »Ich merke auch, dass du heute ein neues Kleid trägst. Und ich merke, dass du dich gerade auf einen gefährlichen Pfad begibst. Sei vorsichtig, Mia! Wenn du weiterhin herkommen möchtest, dann freut mich das. Allerdings werden wir dann auch weiterhin nach meinen Regeln spielen. Wenn dir das nicht passt, steht es dir jederzeit frei, zu gehen. Und behaupte ja nicht wieder, Geld bedeute nichts. Diese hübschen kleinen Annehmlichkeiten, die man sich mit Geld erkaufen kann, sind doch wohl eine Menge wert, nicht wahr?«
Als Mia verunsichert schwieg, fuhr er fort: »Oder liege ich falsch damit, dass diese ganzen Neuanschaffungen in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem kleinen Nebenjob hier stehen?«
»Nebenjob ist gut«, entgegnete Mia verdrießlich. »Ehrlich gesagt ist das zurzeit mein Hauptjob.«
Arthur starrte sie entgeistert an. »Das ist nicht dein Ernst.«
Bestürzt erkannte Mia, was für ein Riesenfehler ihre letzte Bemerkung gewesen war.
»Leider doch«, murmelte sie und konzentrierte sich darauf, die letzten Spaghetti auf ihre Gabel zu befördern. Ein Gefühl von Panik stieg in ihr auf. Dieser arrogante Arthur sollte auf keinen Fall etwas von ihrem Scheitern erfahren, das ging ihn alles nichts an.
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