Wahnsinn!
Ein echter Ferrari, und ich saß drin . Das war es doch beinah wert, sich drei Monate lang mit diesem Gefühlskrüppel herumschlagen zu müssen. „Wohin?“ Ich nannte ihm meine Adresse. „Sag mir einfach, wo ich lang fahren muss.“, blaffte er und trat, sowie wir die Tiefgarage verließen, ordentlich aufs Gas.
Keine zehn Minuten später stieg ich mit einem breiten Lächeln aus. Es galt nicht ihm. Wenigstens erinnerte ich mich daran, mich von ihm zu verabschieden. Ein echter Ferrari. Ein Wahnsinnsauto! Da durfte man gern die Anwesenheit des missgelaunten Fahrers ignorieren und Grinsen wie ein Honigkuchenpferd. Noch besser war nur die Vorstellung, selbst am Steuer zu sitzen.
Dass ein Polizeiauto vor unserem Haus parkte, bemerkte ich in meiner Euphorie nicht. Prompt lief ich dem netten, jungen Polizisten in die Arme, als ich ins Haus stürmen und er dieses verlassen wollte. „Oh, Entschuldigung!“, stammelte ich. Meine Glückshormone verkrümelten sich abrupt. Habe ich eine Kamera übersehen? „Frau Bricks?“ Ich nickte langsam, jeden Moment zur Flucht bereit. „Sammy, da bist du ja.“, schluchzte Laura, die in dem Augenblick auf mich zukam und mich umarmte. „Was ist denn los?“, fragte ich ratlos, da es offensichtlich nicht um meinen nächtlichen Ausflug ging. Glück gehabt. „Bei uns ist eingebrochen worden. Als ich unter der Dusche war! Kannst du dir das vorstellen? Ich habe ein Geräusch gehört, als ich das Wasser abstellte und nur noch gesehen, wie jemand raus gerannt ist. Sammy, er hat dein Schlaf- und dein Arbeitszimmer verwüstet.“ Ach du Heimatland!
Ich versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten, indem ich sprachlos schluckte.
„Frau Knittel hat uns sofort angerufen, aber wir haben keine Spur von ihm. So wie es aussieht, hat er wahllos Schränke und Schubladen durchwühlt und alles durcheinandergebracht. Was immer er auch gesucht hat.“ Die Stimme des Polizisten sagte mir, dass er nicht glaubte, dass bei mir etwas anderes zu holen war als das Offensichtliche. Gut so.
Das Haus schrie nicht unbedingt nach Moderne. Ein wenig wirkte es wie eins der vielen Einfamilienhäuschen vor 150 Jahren. Keine Wärmewände, keine Stimmaktivierung fürs Licht, keine sich automatisch verdunkelnden oder blickdicht werdenden Fenster. „Vielleicht hat Laura ihn nur unterbrochen?“ Der junge Uniformierte nickte. „Das denken wir auch. Wie ihre Mitbewohnerin sagte, hat sie ihn nicht genau gesehen. Aber wir hoffen, dass wir Fingerabdrücke finden oder andere verwertbare Spuren. Sehen sie einfach in Ruhe nach und geben sie uns Bescheid, wenn etwas Wertvolles fehlt.“ Er schien nicht zu glauben, dass ich etwas Derartiges besaß. Abgesehen von meinem Laptop, der immer noch intakt auf dem Schreibtisch stand. Und der gehörte zu den etwas älteren Modellen. Die kostspielige Anlage in der Wohnstube und den riesigen Flachbildschirm hatte der Täter ignoriert. Der gute Polizist schien sie noch nicht entdeckt zu haben. Ich nickte brav, zog Laura an mich und unterschrieb den Bericht, den der Mann mir hinhielt. Sowie er und seine Kollegen weg waren, schaute ich in meinen Safe.
Verflixte Verdammnis!
Ich fluchte leise, während Laura wie erschlagen im Türrahmen stand und von meinen Flüchen nichts mitbekam. Wer wusste, dass ich im Besitz der Statue gewesen war? Eine gute Frage. Und wie hatte der Dieb meinen Safe aufbekommen, ohne ihn zu beschädigen? Das musste ein Profi gewesen sein. Man, wo kamen wir denn hin, wenn sich Diebe schon untereinander bestahlen?
„Hilfst du mir?“, fragte ich zerknirscht; wütend, weil obendrein mein Zimmer völlig ramponiert war. „Klar.“ Hand in Hand räumten wir auf. Meinen Kleiderschrank allerdings konnte ich vergessen. Mir blieb nichts anderes übrig, als einen neuen zu kaufen. Bis dahin müsste ich meine Wäsche auf dem Boden stapeln. Kam ja gar nicht in Frage. „Ich fahre einkaufen.“, murmelte ich bedrückt. Dass Laura mich nicht nach dem Date fragte, verwunderte mich gar nicht. Wir waren beide geschockt, und ich war nicht in der Stimmung mit ihr über diesen selbstverliebten Kerl zu sprechen.
Eine Woche lang hatte ich mir den Kopf zermartert, wer die Statue gestohlen haben konnte. Die Polizei würde der Sache ohnehin nicht weiter nachgehen. Erstens fand man im Haus keinerlei Spuren – nicht den kleinsten Hinweis – und zweitens konnte ich denen unmöglich von der Statue erzählen. Sieben Tage, in denen ich die Existenz von Alan Garu vollkommen vergaß.
Bis er mich anrief.
Wie erwartet im Befehlston. Kein bisschen charmant.
Wenn er dachte, ich sprang, sobald er es sagte, dann war er schief gewickelt. „Wage es nicht, zu trödeln. Ich bin im Augenblick stinksauer!“ Na und? War weder mein Problem noch meine Schuld. Aber gut. Eine Warnung. Möglicherweise war es also ratsam, zu tun, was er wollte. Zumindest heute.
Da er keine speziellen Wünsche äußerte, entschied ich mich für meine Röhrenjeans und ein knappes Top, dass meinen flachen Bauch betonte. Dazu schlüpfte ich in meine Bikerstiefel, über die ich mühelos die Hosenbeine ziehen konnte. Auf Make-up verzichtete ich, da es unter dem Helm sowieso verlief. Außerdem donnerte ich mich nicht für Mister Supernervig auf. Da Laura – mal wieder – nicht daheim war, schloss ich die Wohnungstür von innen ab, steckte den Schlüssel in meine Jeans, zog meine Lederjacke an, ging durch mein Arbeitszimmer in die Garage, schaltete dort die Alarmanlage an, öffnete das Rolltor, setzte den Helm auf und schwang mich auf mein Motorrad.
Was tue ich hier eigentlich?
Laura hatte nicht mal nach dem Date gefragt. Jetzt war sie sonst wo und ich durfte mich mit diesem blöden Arschloch rumschlagen. Tief einatmend startete ich die Zündung, drehte das Gas einmal voll auf, legte den Gang ein, ließ langsam die Kupplung kommen und fuhr los. Der Sensor sorgte dafür, dass sich das Tor hinter mir schloss. Dennoch blieb ich kurz stehen und vergewisserte mich.
Eine weitere Überraschung brauchte ich weiß Gott nicht.
Eine halbe Stunde später stand ich vor einem Anwesen, das dem von voriger Woche sehr ähnelte. Ein gepflegtes Grundstück mit einem penibel gestutzten Rasen. Eine helle, mit Kies aufgefüllte Auffahrt. Ein riesiges schmiedeeisernes Tor, das offensichtlich unter Strom stand. Akribisch in schnurgeraden Reihen angepflanzte Hecken und weniger symmetrisch angeordnete alte Eichen, deren Zweige sich lang ausstreckten. Sogar ein beleuchteter Springbrunnen befand sich mittig auf der Rasenfläche vor dem alten Herrenhaus. Zwei Wachen standen vor dem Tor und fragten nach meinem Namen und meinem Anliegen. „Samantha Bricks. Herr Garu hat mich angerufen und gebeten vorbei zu kommen.“ Der größere der beiden nickte. Ganz offensichtlich wurde ich bereits erwartet. Das Tor öffnete sich mit einem leisen Schnurren gerade so weit, dass ich mit dem Motorrad passieren konnte. Ich stoppte vor dem Eingang, stieg ab, platzierte den Helm auf dem Sitz und sah staunend die Fassade hinauf.
Ein umwerfender Anblick.
Überall in dem Gemäuer waren sagenhafte Stuckarbeiten zu sehen und kleine gusseiserne Balkons, die von Efeu und kleinen gelben Blüten umrankt wurden. Erst jetzt sah ich auf die Tür, fand aber keine Klingel. Ich wollte gerade klopfen, als sie einfach aufschwang und ein stinkwütender Alan mich anfunkelte. „Wurde auch Zeit. Schwing deinen Arsch hier rein.“ Welch nette Begrüßung. Da wurde einem gleich richtig warm ums Herz. „Ich freue mich auch, dich zu sehen.“, antworte ich spöttisch, was er mit einem eisigen Blick quittierte. „Komm mit.“ Anscheinend durfte ich die Stiefel anbehalten. Auch gut. Schulterzuckend folgte ich ihm die Treppe hinauf, wobei ich ausgiebig seinen wirklich tollen Hintern bewundern konnte. Wie schon bei unseren ersten Treffen steckte er auch heute in engen Jeans. Lecker.
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