„Möglich. Aber ihr müsst ja kein Paar werden.“, gluckste sie vergnügt. Irgendwie kam mir das eigenartig vor. Aber allein die Tatsache, dass meine bodenständige, arbeitsvernarrte Freundin einen Freund hatte – von dem ich bis eben nichts gewusst hatte – und die das erste Mal seit Wochen an einem Wochenende daheim war, schenkte ich diesem Bauchgefühl keine Beachtung.
Pah, selbst wenn: Meine Laura würde nie versuchen mich zu verkuppeln!
Kurz vor elf stand ich an dem verabredeten Treffpunkt. Als Erkennungszeichen hatte ich meine pinkfarbene Handtasche dabei. Ich wusste, dass Laura keine besaß. Doch wenn sie solch ein Erkennungszeichen ausmachte, musste sie sich zumindest erinnert haben, dass sich eine in meinem Schrank befand. Was mich vor Jahren dazu veranlasst hatte, eine solche Geschmacksverirrung zu kaufen – und sogar in Erwägung zu ziehen, damit gesehen zu werden – war für mich nicht mehr nachvollziehbar. Meine Zielperson würde als markanten Fingerzeig einen Hut tragen. Ich mochte Hüte. Besonders auf Köpfen von Männern. Handtaschen dagegen mochte ich nicht, auch wenn ich welche besaß. Ich hatte die Tendenz die Dinger liegen zu lassen. Rucksäcke und Gürteltaschen waren viel praktischer.
Besonders auf dem Motorrad.
Nur aus diesem Grund war ich heute in die Stadt gelaufen. Wollte das pinkfarbene Ungetüm nirgends liegen lassen.
Das Wetter war angenehm. Ein typischer Altweibersommer. Nicht ganz passend zu meiner Stimmung; aber besser als Regen. Zum wiederholten Mal zupfte ich meinen kurzen, dünnen Mantel zurecht und strich mir ein paar Flusen von meinen sehr nach Business aussehenden Hosen. Überraschenderweise waren sie jedoch äußerst bequem. Fast wie die Jeans, die ich normalerweise trug. Es war mir entfallen, dass ich noch derartige Hosen besaß. Laura hatte sie in meinem Schrank auf der Suche nach der perfekten Bekleidung gefunden. Die musste ich mir demzufolge vor Jahren gekauft haben, als ich noch einem echten Job als ernsthafte Sekretärin in einem Büro nachging. Das war zwar eine Weile her, aber sie passten immer noch wie angegossen. Laura hatte mich sogar dazu gedrängt, schicke Unterwäsche zu tragen. Dabei würde ich mich weiß Gott nicht vor dem Mann entblättern! Was dachte Laura bloß von mir?
Erneut schaute ich auf die Uhr. Der junge Herr bekäme von Laura jedenfalls Punkteabzug. Mir war das egal. Noch besser wäre nämlich, wenn er das Treffen vergaß. Dann wäre Laura aus dem Schneider. Und ich auch. Zumindest so lange, bis ein nächstes Treffen arrangiert würde, dass sie eventuell verschieben, aber nicht absagen könnte. Ihr Vertrag lief noch drei Monate. Ich hoffte wirklich, dass heute mein einziger Einsatz war.
Oder dass Laura keine weiteren Vorschläge bekam.
„Hallo, ich glaube, wir haben ein Date.“ Eine Stimme wie Rauch, Honig und Samt. Sowas gehörte verboten! Zumindest, wenn es sich um kein richtiges Date handelte. „Das glaube ich auch. Hallo.“, erwiderte ich und schüttelte die mir dargebotene Hand. Ich musste meinen Kopf weit in den Nacken legen, damit ich sein Gesicht sah. Der Kerl war gut und gerne zwei Meter groß. Allerdings war ich von seinem Gesicht und seinen Augen, die mich unter der Hutkrempe heraus fixierten, regelrecht erstarrt und tat nur so, als wäre ich ungerührt. Innerlich kreischte ich wie ein Groupie. Ein Mensch? Haha, dass ich nicht lachte. Jeder wusste, dass Alan Garu alles andere war als das. Shit! War das wirklich Lauras Date? Ein weltbekanntes Topmodel, stinkreicher Playboy und Gestaltwandler? Ich konnte nur hoffen, dass er meinen beschleunigten Herzschlag, den ich momentan nicht beruhigen konnte, nur als meine Freude mich mit ihm zu treffen interpretierte.
Wozu brauchte er ein Erkennungszeichen? Der Typ fiel auch ohne Hut, blinkenden Pfeil und Posaunengeschmetter auf wie ein Pfau im Hühnerstall. „Komm mit!“ Ohne auf meine Zustimmung zu warten, packte er mich am Handgelenk und zog mich neben sich her. „Wohin gehen wir?“, keuchte ich neben ihm. Natürlich war ich nicht halb so außer Atem, wie ich vorgab zu sein. Man, der lief nicht, er rannte! Vor ihm wollte ich lieber nicht davonlaufen müssen. „Da rein.“, wies er mich an und schob mich in dem Moment bereits in eine Parfümerie. Stimmte was nicht mit meinem Parfum? Mist! , schoss es mir in den Kopf. Konnte er womöglich noch den Geruch riechen, mit dem ich eingebrochen war? Ach was, bestimmt nicht. „Du riechst wie ein läufiger Köter.“, beantwortete er meinen entsetzten Gesichtsausdruck. Ich schluckte eine Bemerkung hinunter, sah aber sehr wohl seine gerunzelte Stirn. Nein, ihm eine Geschichte aufzutischen, sollte ich mir tunlichst verkneifen. Darum sagte ich gar nichts.
Hilflos sah ich mich vor den vielen Regalen mit Schächtelchen, Flakons, Fläschchen und diversen anderen Artikeln um. Ich hatte keine Ahnung, welches davon helfen könnte. „Nimm das.“ Mit einer Geste, die keinen Widerspruch duldete, drückte er mir einen Flakon in die Hand, der aussah wie ein Apfel. Anstelle des Stiels trug der jedoch eine Krone.
Das Ding war pink.
Passend zu meiner Handtasche. Wie ... niedlich.
Ich schluckte meinen Zorn hinunter, als ich den Preis sah. War das sein Ernst? „Schau mal, wir haben uns getroffen und anscheinend passt es nicht. Also können wir beide wieder getrennter Wege gehen.“ Nie im Leben würde ich so viel für so was Winziges bezahlen. Obwohl ich mir das durchaus leisten konnte. Aber das musste er nicht wissen. Mir ging es lediglich gegen den Strich, dass ich es für ein Date kaufen sollte, das kein echtes war; und für einen Mann, den ich kein zweites Mal träfe. „Falsch. Du wirst dieses Parfum tragen. Es ist ein Date, schon vergessen? Ich kann mich nicht mit dir unterhalten, wenn ich von einem Gestank abgelenkt bin, den ich nicht ausstehen kann.“ Oho, er war angepisst. Wieso zum Geier konnte er, selbst ein Gestaltwandler, diesen Duft nicht ausstehen? Sollten die dadurch nicht verwirrt werden?
Ich grinste innerlich bei der Vorstellung, dass er mit heraushängender Zunge neben mir stehen und sabbern würde. Genau das , hatte Wiesel – meine Quelle – mir versichert, taten Gestaltwandler nämlich. Zu schade, dass dieser hier nicht mal ansatzweise verwirrt oder abgelenkt schien.
Ich biss also die Zähne zusammen, ignorierte seine auf mein Kreuz gelegte Hand, die mich zur Kasse schob und reichte der ehrfürchtig strahlenden Verkäuferin meine Kreditkarte. Wäre er ein Gentleman und an mir interessiert, würde er bezahlen. „Benutz es auch!“, zischte er mir ins Ohr, nachdem ich den kleinen Beutel mit dem winzigen Fläschchen in Empfang genommen hatte. An seiner Seite schlenderte ich aus dem Laden. Verkrampfter und wütender, als mir anzumerken war. Das Wort bitte existierte in seinem Wortschatz offenbar nicht. Auf keinen Fall würde meine Laura dieses Verhalten tolerieren. Zugegeben, sie wäre schon bei seinem Anblick zurückgewichen und auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Er war nun mal kein Mensch. Es nervte mich nicht zu wissen, wie sie es überhaupt in die Agentur geschafft hatte. Arbeiteten bei Bingham Menschen? Vermutlich.
Trotz meiner sich im Kreis drehenden Gedanken machte ich gute Miene zum bösen Spiel. Ich sprühte mich sogar mit dem Parfum ein, was – für meine Sinne – überdies ausgesprochen gut roch. Mein Kopf jedoch war weiterhin schwer beschäftigt. Wie kam es, dass ein Topmodel wie er die Dienste einer Agentur in Anspruch nahm? Wenn er sich seine Zukünftige unter dem einfachen Volk suchen wollte, musste er lediglich ins nächste Kaufhaus gehen – Restaurant, Straße, wo auch immer – und einfach nur dastehen. Völlig gratis würden sich ihm hunderte willige Frauen an den Hals werfen. Ich würde ihm sogar ein Schleifchen um den Bauch binden.
Er war gutaussehend. War nicht zu leugnen.
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