Der Grieche schaltet sich ein: „Herr, wenn ich erinnern darf –“ –
„Verschwinde, Grieche! Dieser Wein gehört mir. – Hör, Bauer“, in der Rechten die Kelle, nestelt der Soldat mit der Linken den Münzbeutel von seinem Gürtel, „ihr Galiäer“, lächelnd wirft er den Beutel in die Höhe und fängt ihn wieder auf, „ihr Galiläer sollt nicht sagen, dass die Soldaten eures Königs einen vorzüglichen Wein nicht zu schätzen wissen.“ Er öffnet den Beutel, schüttet sich einen Haufen Münzen in die rechte Hand und beginnt, sie mit dem Daumen zu sortieren.
Saul traut seinen Augen nicht: Da liegen nicht nur Tetradrachmen, von denen jede vier Tagesverdienste eines Tagelöhners aufwiegt. Was der Soldat da in seinen Beutel zurückgleiten lässt, sind Goldmünzen von weitaus höherem Wert. Wenn Saul das Geld besitzen würde, das da vor seinen Ohren klingelt, könnte er mindestens drei Jahre mit großer Gelassenheit angehen, ohne die drückenden Pachtzinsen fürchten zu müssen.
Saul verspürt einen heftigen Wunsch, dem Soldat seinen Beutel aus der Hand zu reißen und damit wegzurennen. Der behält fünf Tetradrachmen in seiner Handfläche zurück und hält sie Bartholomäus unter die Nase. „Sieh her, Bauer. Hier sind 20 Silberdenare, genug für ein Hemd, ein neues Obergewand und neue Schuhe. Deine zerschlissenen Sachen halten ja keinen Monat mehr! Gib mir die drei Krüge, und das Geld ist dein.“ –
„Verzeih, Herr, ich kann nicht.“ –
„Hör, Bauer. Nimm das Geld, oder nimm es nicht. Aber dieser Wein ist mein.“
Eben noch vor Schreck erstarrt, kommt mit einem Mal Leben in den alten Mann. Blitzschnell wirft er mit seinen Händen den einen Krug um, bringt mit den Füßen den zweiten zum Kippen und wirft sich auf den dritten, sodass auch dieser seinen Inhalt in die staubige Erde ergießt. „Töte mich. Diesen Wein habe ich nicht gekeltert für eure gotteslästerlichen Saufgelage!“
„Verdammter Jude! Feind der Götter!“ Der Soldat packt die Tetradrachmen in die linke Hand, reißt mit der Rechten sein Schwert aus der Scheide, holt aus – und hält inne, einen quälend langen Augenblick lang.
Der Winzer kniet zusammengekauert auf dem Boden und erwartet den tödlichen Streich. Aber das Schwert saust nicht nieder. Die Augen des Soldaten treten merkwürdig hervor. Er spuckt Blut. Klirrend fällt das Schwert zu Boden. Dann knickt er röchelnd ein.
Saul zuckt zurück: Krachend fällt der Soldat in seine Gerste.
Seine beiden Kameraden ziehen die Schwerter und schauen wild um sich. Händler und Käufer weichen erschreckt zurück. „Verdammte Sikarier!“, brüllt der Rote dem Dunklen zu. Der hat noch nicht begriffen.
„Sikarier?“ –
„Dort läuft er! Verfolge ihn, ich kümmere mich um Lucius!“
Der Rote stürzt zu dem schlaffen Körper seines Kameraden. Als er ihm den Dolch aus dem Rücken zieht, bricht ein Schwall von Blut hervor. Er wendet ihn und drückt dem Toten die starren Augen zu.
Bartholomäus blinzelt vorsichtig hinter seinen Händen hervor. Da er nicht recht begreift, was geschieht, verharrt er in seiner gekrümmten Haltung. Saul ist zwei Schritte zurückgetreten und steht reglos, als der Rote in seine Gerste stapft, um den Leichnam zu stemmen.
Die Marktgasse ist menschenleer. Die Händler verstecken sich hinter ihren Waren so gut es geht.
Der Dunkle kehrt alleine zurück. „Wo ist der Mörder?“ –
„In den Gassen verschwunden. Ich habe Wachen verständigt, sie fordern Verstärkung an.“ –
„Sie werden ihn nicht finden.“
Die Soldaten tragen Lucius ins Zollhaus. Drinnen ein entsetzter Schrei. Ein gebrüllter Befehl, und die Menschen strömen aus dem Gebäude.
„Steh auf, aber langsam“, raunt Saul Bartholomäus zu. Der blickt auf, schaut furchtsam um sich und schüttelt sich dabei verschämt den Staub aus den Kleidern. Seine Augen suchen Saul. Als der ihm zulächelt, kehrt ihm der Mut wieder. Verzückt schaut er zum Himmel: „Gelobt sei der Herr, der mich aus höchster Gefahr gerettet hat und meine Seele nicht preisgibt der Wut meiner Feinde!“ –
„Sie sind noch da.“ –
„Wo?“ –
„Drüben in der Zollstelle. Bartholomäus, dein Wein muss traumhaft sein, warum hast du mir nichts davon gesagt? Mir haben sie das Rizinusöl verschüttet, und –“
Saul verstummt: Zwischen den Kräutern sieht er etwas Braunes hervorschimmern – den Münzbeutel des Ermordeten. Ihm gehen die Augen über: Da liegt das Geld für die neuen Kleider, die er seiner Frau und seinen Töchtern schon seit langem versprochen hat. Für den Esel, den er braucht, um seine Waren nicht mehr mühsam mit dem Handwagen zum Markt schleppen zu müssen. Für das Ochsengespann, das er schon lange vor seinen Pflug spannen will. Für die Befreiung von seinen drückenden Pachtschulden.
„Was ist dir, Saul?“ –
„Still. Sie kommen zurück.“
Bartholomäus blickt erschreckt zum Zollgebäude: Die beiden Soldaten treten aus der Tür, die Hand am Schwertknauf, und schauen sich misstrauisch um.
Saul schiebt ein wenig Blattwerk über den Beutel. Die Gassen zwischen den ausgebreiteten Waren sind menschenleer, einige Bauern packen ihre Früchte zusammen.
Hinter den Soldaten treten zwei Sklaven hervor, die verhüllte Leiche auf einer Bahre tragend. Rasch geht die Gruppe durch die Marktgasse. Der Dunkle wirft Bartholomäus einen zornigen Blick zu, als sie an ihm vorübergehen.
„Wartet“, ruft Saul. Der Rote bleibt stehen und dreht sich um, die Sklaven hinter ihm verhalten ihren Schritt.
„Dies hier –“, Saul greift mit der Hand nach dem Blattwerk –
„Halt!“, brüllt der Soldat. –
„Herr, dies ist –“ Sauls Hand bewegt sich weiter zu dem Blattwerk, unter dem der Münzbeutel verborgen ist.
Mit einem Sprung steht der Rote vor ihm. Wenige Fingerbreit von Sauls Hand entfernt haut sein Schwert das Blattwerk entzwei. Saul springt zurück, der Beutel fliegt in hohem Bogen. Kupfergeld, Silber- und Goldmünzen wirbeln durch die Luft.
„Der Beutel des Toten“, stammelt Saul, „ich habe ihn nicht angerührt.“ –
„Dieb!“, herrscht ihn der Soldat an. –
„Herr, ich –“ –
„Heb das auf!“, brüllt der Rote. In panischer Angst beginnt Saul, die Münzen vom Boden aufzusammeln. „Schneller!“ Saul sucht zwischen Waren und Steinen, klaubt zusammen, was er findet, und gibt es in das Tuch, das er sich eilig vom Kopf gerissen hat. „Gib her!“ Hastig schüttet Saul den Inhalt des Tuchs in die Hände des fordernden Soldaten.
„Weiter!“, ruft der Dunkle von vorne. Die Sklaven setzen sich wieder in Bewegung. Der Rote wendet sich ab und eilt den dreien hinterher.
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