Antoine de Faurichon de La Bardonnie, Catherine de Nicolaÿ
Liebe zur Zeit der Guillotine
Autobiographische Erzählungen aus der Französischen Revolution
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Inhaltsverzeichnis
Titel Antoine de Faurichon de La Bardonnie, Catherine de Nicolaÿ Liebe zur Zeit der Guillotine Autobiographische Erzählungen aus der Französischen Revolution Dieses ebook wurde erstellt bei
Liebe zur Zeit der Guillotine Liebe zur Zeit der Guillotine Alexander Jordis-Lohausen (Herausgeber)
Prolog
Antoines Erzählung: Die Prinzenarmee und die Belagerung von Maastricht
Catherines Erzählung: In den Gefängnissen der Revolution.
Antoines Erzählung: Als Emigrant in Deutschland.
Antoines Erzählung : Zu Fuss bis an die Wolga und zurück.
Epilog
Impressum neobooks
Liebe zur Zeit der Guillotine
Alexander Jordis-Lohausen
(Herausgeber)
Liebe zur Zeit der Guillotine
Autobiographische Erzählungen aus der französischen Revolution
Vorbemerkung
Dies ist der wahre Bericht des Antoine Faurichon de La Bardonnie und der Catherine de Nicolaÿ, wie sie ihn in den Jahren 1815-17 in Coburg niedergeschrieben haben. Da uns diese Niederschrift leider nur unvollständig überliefert ist, habe ich sie, wo immer notwendig und möglich, ergänzt, bearbeitet und ins Deutsche übertragen, ohne aber irgendetwas Wesentliches zu verändern.
Ich bin Xavier Faurichon de La Bardonnie dankbar mir diese Erzählungen seiner Vorfahren sowie noch weitere Dokumente zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt zu haben.
Mit Dankbarkeit denke ich auch an den freundlichen Empfang zurück, den Monsieur et Madame Claude und Jacqueline Jaeck mir und meiner Frau bereitet haben, als wir sie in Verzinas besuchten. Ihre Führung durch das von ihnen so geschmackvoll restaurierte und eingerichtete Schloss und den blühenden Garten haben viel zu meinem Verständnis für Antoines Liebe zu diesem Ort seiner Kindheit beigetragen.
Alexander Jordis-Lohausen
In Erinnerung an meine Urahnin Sophie Reine Fermepin des Marteaux.
Verzinas nach einer Zeichnung von Sophie Reine Fermepin des Marteaux, 1835
Verzinas
Seinen Vater, Hélie-Jean-Noel Faurichon de la Bardonnie, Offizier in der Leibgarde des Königs in Versailles, hatte Antoine als Kind nur hin und wieder erlebt, und mit 10 Jahren ganz verloren. Seine Mutter Marie Faurichon de la Bardonnie lebte im nahen Croze bei Milhac, auf dem Gut seines Vaters, mit seinem jüngeren Bruder und seinen zwei Schwestern. Doch sie ist ihm fremd geblieben, er hat sie nur hin und wieder besucht. Denn nach dem Tod ihres Mannes hatte die Mutter diesen aufgeweckten, etwas unbändigen Erstgeborenen ins Pensionat nach Périgueux oder nach Limoges schicken wollen.
Doch ihr Vater, Antoines Großvater, Antoine Guicard de Laforest, der als Witwer allein in Verzinas lebt, in dem kleinen Schloss mit den hohen Dächern, hatte darauf bestanden, den Jungen bei sich zu behalten und selbst zu erziehen. Er liebt diesen Enkel, liebt seine lebhafte Intelligenz, seine strahlende Begeisterungsfähigkeit, seinen Tatendrang, sein Interesse für alle Wunder der Natur. Vor allem aber geht ihm die Liebe und Verehrung nahe, die dieses Kind ihm entgegenbringt. Als traditionsbewusster Edelmann der alten Schule erzieht er seinen Enkel nach den Prinzipien seiner Vorfahren: Ritterliche Ehre, Nächstenliebe, Pflicht und Gehorsam gegenüber Gott und dem König. Sicherlich ist er streng mit ihm, wenn es sein muss, doch er straft ihn nur selten, er versucht ihm vielmehr Unrecht verständlich zu machen, appelliert an seinen Verstand und an seine Gefühle. Im übrigen lässt er ihm mehr Freiheit als es die meisten Jugendlichen seiner Zeit genießen. Schon mit 11 Jahren kann der Junge in Verzinas nach Lust und Laune tun und lassen, was er will. Er nützt er es nicht aus, aber er ist dankbar für sein herrlich freies, einfaches und gesundes Leben.
Im Tal von Croze, am großen Teich von Saint-Amand steht eine alte Mühle, in welcher der Müller das Getreide der umliegenden Höfe mahlt. Dort, in einiger Entfernung vom Mühlrad, sitzt Antoine im Sommer oft stundenlang ganz allein mit seiner Angel in der Sonne, denkt über alles nach, was ihn bewegt, und wartet geduldig bis ein Fisch anbeißt. Wird es ihm zu heiß, springt er ins Wasser. Schon ganz jung schwimmt er wie ein Fisch, was ihm später einmal das Leben retten wird. Oder er streift durch Wald und Flur, die rauschenden Bäche entlang. Er kennt alle Höhlen und Verstecke, die blumenbedeckten Lichtungen mitten mit Wald, die kleinen Wasserfälle, die über die Felswände hinunterstürzen. Er lebt in dieser unberührten Natur, beobachtet sie und liebt sie --die Pflanzen, die Tiere, das vielfarbige Gestein. Seine kindliche Phantasie ist wach und reich. In den hohlen Bäumen wohnen Zwerge, in den Tümpel schwimmen Nixen und Elfen tanzen nachts auf den Lichtungen. Diese geheimnisvollen Wesen sind seine Freunde. Er spielt mit ihnen.
Später, als er älter wird, lernt er in langen Gesprächen mit dem Großvater, während sie die viereinhalb Meilen1 von Verzinas nach Croze wandern, die Wirklichkeit der Natur kennen, die Namen aller Bäume und Sträucher, ihre Beschaffenheit, die Geheimnisse der Erde und des Gesteins, sowie die Heilkräuter, ihre Wirkung, und wann sie gesammelt werden müssen. Sein Großvater hält nicht viel von grauer Theorie, er will, dass sein Enkel das praktische Leben kennen lernt. So reift Antoine auf den Gütern der Familie im Kreislauf des ländlichen Lebens, im Wandel von Aussaat und Ernte, von Obst- und Gemüseanbau, Viehzucht, Forstwirtschaft, Vermarktung, Finanzen und Verwaltung des Besitzes. Im Herbst, zur Zeit der Weinlese, wohnt er einige Wochen lang auf dem Weingut „Du Tertre“, um sich die Feinheiten der Weinbereitung anzueignen. Eines Tages wird er ja den Besitz übernehmen.
Jeden Donnerstag kommt der Pfarrer von Vaunac, Abbé Rebière, nach Verzinas, um in der Schlosskapelle die Messe zu lesen. Anschliessend lehrt er Antoine und die Kinder des Gesindes den Katechismus. Nach alter Tradition bleibt der Abbé zum Mittagessen, und Antoine darf schweigend den Tischgesprächen zuhören. Was ihn dann aber besonders freut, ist die Fahrt in der Kutsche, wenn sein Großvater den geistlichen Herrn nach Vaunac zurückbegleitet.
Im Winter, wenn draußen die Natur ruht und wenn der Sturm an den Fensterläden rüttelt, wird im Schloss früh zu Abend gegessen. Danach sitzen Antoine und sein Großvater bis spät in die Nacht hinein vor dem lodernden Kaminfeuer, das gespenstische Schatten über die Wände reiten lässt. Während dieser nächtlichen Gespräche erfährt er den größten Teil seiner Bildung. Der alte Herr hat eine besondere Gabe auch weniger aufregende Themen anregend und lebendig werden zu lassen. Und wenn er am Schluss von seinen Vorfahren berichtet, hat der Enkel das Gefühl, dabei zu sein, bei den Kriegstaten, bei den Begegnungen bei Hof, bei den Hochzeiten und Bällen. Vor allem aber, verlangt er immer wieder, dass der alte Herr ihm noch einmal von der berühmten Begebenheit auf dem Schlachtfeld von Fontenoy erzählt, als der König Ludwig XV. seinem Vorfahren sein Schwert zum Geschenk macht, als Dank für seine Bravour und Tapferkeit. Oft geht Mitternacht darüber vorbei, aber im Winter ist ja weniger Arbeit. Da kommt es dann auf eine Geschichte mehr oder weniger auch nicht mehr an.
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