Ich seufzte und Anaya lachte mich aus. So war das immer. Egal was ich mir vornahm, immer kam etwas anderes dazwischen.
Auf jeden Fall gefiel mir die Situation so bedeutend besser.
Ein Beobachter musste uns für ein seltsames Paar halten, dass wie zwei Greise auf unsicheren Füßen umher stolperten.
Wir wanderten langsam durch das Dorf zurück zu unserem Lager.
Als wir eintraten sah mich Droin kurz an und atmete dann erleichtert auf, als er Anaya hinter mir entdeckte.
Er war gerade dabei Kmarrs neue Waffe zu inspizieren, mit der er gestern den Hund erschossen hatte.
„War es schwer, die Teile zu machen?“, wollte er wissen.
„Nachdem ich einen Schmied gefunden hatte, der es verstand, den Stahl entsprechend zu härten, ging es erstaunlich einfach. Es war aber nicht billig. Ah, Drakk, Ana, gut das ihr wieder da seid.“
Er winkte kurz und nähte dann weiter die Risse in seinem ledernen Rock zu. Seine Bewegungen waren langsam und vorsichtig, aber sehr genau.
Auch er wirkte erleichtert, uns beide zu sehen.
Lediglich Jiang machte ein unergründliches Gesicht: „Was machen wir jetzt? Bevor Du so unsinnigerweise weggelaufen bist, waren wir gerade dabei zu entscheiden, was wir mit der Magana machen.“
„Ich dachte, wir hätten entschieden, sie mitzunehmen“, antwortete ich verwundert.
„Und wohin?“, wollte Jiang wissen.
Ich wandte mich an Anaya: „Gute Frage. Wo haben wir die beste Chance, einen Geistheiler zu finden Anya?“
„Vermutlich in einer größeren Stadt. Die nächste müsste Kaltarra sein.“
Anaya setzte sich langsam wieder ans Feuer und goss sich aus dem Kessel einen Tee ein.
„Hmm, Kaltarra. Das wird für unsere Nachtmahre aber kein Vergnügen werden.“
Droins Einwand war berechtigt.
Die Hauptstadt des Bergreiches Kalteon war nur schwer zu erreichen und auf Grund der Natur des gesamten Landes gab es kaum Reittiere, da sie viele Wege nicht nutzen konnten, weil sie zu steil, zu schmal oder beides waren.
Jiang widersprach: „Was ist mit Gi’tay? Das ist viel näher als Kaltarra.“
„Dazu müssten wir genau in die Richtung reisen, aus der die Magana und ihre Verfolger kamen.“
Anaya sah Jiang irritiert an: „Außerdem weißt Du genau, dass Kmarr und ich dort nicht gern gesehen sind, seit wir eine Verschwörung, die Grenzmarken von Denelorn unter ihre Kontrolle zu bringen, zum Rat der Stadt zurückverfolgen konnten.“
„Und? Das ist euer Problem. Ihr müsst ja nicht mit in die Stadt gehen.“
Jiang fuhr fort: „Nur weil die nächstliegende Lösung nicht die praktischste ist, müsst ihr sie nicht gleich verwerfen.“
„Da hat sie nicht ganz Unrecht“, musste ich ihr zustimmen. Das Argument war nicht blöd. Es ging deutlich schneller, Gi’Tay zu erreichen. Trotzdem gefiel mir der Vorschlag nicht. Er würde Anaya und Kmarr in Gefahr bringen. So viel war mir das Leben der Magana dann auch wieder nicht wert.
„Müssen wir die Magana schnell zum Geistheiler bringen Anya?“
„Ich habe noch nie gehört, dass das eine Rolle spielen soll. Also würde ich sagen: Nein.“
„Gut, dann würde ich vorschlagen, wir reisen nach Kaltarra. Das ist weiter weg, aber wenigstens können Anaya und Kmarr die Stadt betreten, ohne verhaftet zu werden. Und es liegt nicht in der Richtung, aus der die Reiter kamen, sondern bringt uns näher zu unserem eigentlichen Ziel.“
„Dann ruft mich, wenn wir weiterreisen!“, Jiang erhob sich und verschwand hinter ihrem Vorhang ohne ein Wort zu sagen.
Wir warfen uns untereinander fragende Blicke zu. Droin hob eine Augenbraue um zu signalisieren: ‚Wer weiß schon, was mit der wieder los ist.’
Ich nickte und ließ mich dann endlich auch am Feuer nieder.
Anaya sah mich an, als wollte sie mich fragen, was mit dem Angebot für die zweite Reise in den Wald von Beren sei.
Ich winkte ab, und deutete dabei auf den Vorhang. Sie nickte.
Das war kein geeigneter Zeitpunkt dafür. Zum Glück war Droin mit seiner Inspektion von Kmarr sneuartiger Waffe gerade fertig geworden:
„Kmarr, würdest Du Klan Fenloth erlauben, von Deiner Erfindung Kopien herzustellen?“
Der Leonide überlegte einen Augenblick, dann nickte er: „Das wäre mir eine große Ehre.“
„Sehr Gut. Ich schlage vor, Du bekommst den zehnten Teil jeder Waffe, die wir fertigen. Gleich ob wir sie verkaufen oder nicht.“
„Was glaubst Du denn, was sie wert ist?“, wollte ich wissen.
„Was kostet eine Armbrust in den meisten Ländern?“, fragte Droin zurück.
Das war nicht besonders schwer: „Ich schätze mal etwa fünfzig Goldstücke?“,
Kmarr und Anaya nickten.
„Okay“, Droin sah uns alle an: „Ich denke für diese Waffe hier werden wir 250 Goldwürfel bekommen können. Ohne Bolzen. Der Klan nimmt sieben Teile von zehn, und übernimmt die Kosten der Fertigung.“
Anaya pfiff leise: „So viel? Scheint so, als müsstest Du nie wieder arbeiten Kmarr.“
Auch ich war beeindruckt. Das war viel Geld. Ein goldener Würfel der Naurim entsprach ungefähr zwei oder drei Münzen in den Ländern der Menschen.
„Bist Du sicher?“
Droin sah zu mir herüber: „Hast Du mal genauer darauf geachtet, was das Ding kann?“
„Nein“, musst ich zugeben.
„Dann würde ich vorschlagen, wir gehen raus und Kmarr zeigt uns mal, warum es so viel Gold wert ist.“
„Gute Idee.“
Ich war neugierig geworden. Wenn Droin sicher war, dass die Waffe einen so guten Preis erzielen würde, dann war eine Demonstration sicher viel versprechend.
Wir gingen alle nach draußen. Kmarr hatte die Waffe geladen und hielt sie genauso wie eine Armbrust.
Er wählte zufällig eine Hauswand aus, auf die er seine Waffe richtete und betätigte den Abzug. Mit einem lauten, metallischen Knall sauste ein Bolzen aus dem obersten Rohr heraus und durchschlug die Wand.
Er zog den Hebel an der Seite der Waffe nach hinten, woraufhin sich ein anderer Lauf nach oben drehte. Wieder betätigte er den Abzug und ein zweiter Bolzen schoss hervor.
Er wiederholte den Vorgang in schneller Folge insgesamt fünfmal. So verschoss er sechs Bolzen in sehr kurzen Abständen hintereinander.
So schnell hatte ich weder einen Armbrust-, noch einen Bogenschützen schießen sehen. Jetzt wurde mir klar, warum Droin sich so viel Geld von der Waffe versprach.
„Überzeugt.“
Auch Anaya war beeindruckt. Sie nickte und Droin strahlte uns alle an: „Wir werden diese Waffe erstmal nur an Klanmitglieder verkaufen und später vielleicht auch an andere Klans. Das wird genug Profit abwerfen.“
„Dann fertigt auch gleich welche für uns an“, schlug Anaya vor.
„Einverstanden.“
„Ich würde es als besonderen Gefallen betrachten, wenn wir die ersten Bolzenwerfer bekämen“, grollte Kmarr, als er an uns vorbei schritt, um die Bolzen einzusammeln.
„Das wird kein Problem sein. Immerhin ist es Deine Erfindung“, erwiderte Droin: „Wer schießt als nächster?“
Den ganzen Tag über wechselten wir uns damit ab, den Bolzenwerfer auszuprobieren. Dabei wurde schnell klar, dass das Laden ein Problem war. Die Bolzen mussten von vorne in das jeweilige Rohr geschoben werden. Das bedeutete, man musste auf die Spitze drücken. Auch der beste Bolzen würde davon sehr schnell stumpf werden.
Als die Dunkelheit herein brach, zogen sich Droin und Kmarr in die Hütte zurück, um darüber nachzudenken, wie man das Problem lösen könnte.
Anaya legte sich wieder hin, weil ihre Verletzungen doch relativ schwer waren. Sie brauchte noch viel Ruhe. Jiang war noch nicht wieder hinter ihrem Vorhang hervor gekommen. Also war ich auf einmal wieder alleine im Dorf.
‚ Shadarr?’
‚ Wache über das Rudel.’
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