Mir persönlich war das gleich. Ich aß lieber ein Steak zum Frühstück als Hartbrot und Dörrobst.
Mit einer Keule des Büffels bewaffnet, die ich in fingerdicke Scheiben geschnitten hatte, betrat ich unsere provisorische Unterkunft.
Die Anderen waren alle erwacht, mit Ausnahme der Magana. Anaya beugte sich gerade sorgenvoll über sie.
„Hier stimmt etwas nicht. Ihre Verletzungen sind nicht so schwer, sie hätte längst aufwachen müssen. Die Kopfwunde ist ernster, als ich gedacht habe. Vielleicht müssen wir einen Geistheiler suchen.“
Grübelnd zog sie einige Fläschchen und Tiegel aus ihrem Gepäck. Sie machte sich daran, daraus ein Heilmittel herzustellen.
Das war nicht gut. Manchmal wachten Opfer einer Kopfverletzung einfach nicht mehr auf, selbst wenn die eigentliche Verletzung schon längst verheilt war. Manchmal sprachen sie danach wirr oder konnten sich an nichts und niemanden mehr erinnern. Ich hatte sogar einmal einen Mann getroffen, der bestimmt über fünfzig Winter erlebt hatte, aber nachdem ihn ein Ziegelstein am Kopf getroffen hatte, musste er sogar laufen und essen neu erlernen, als wäre er ein kleines Kind.
Geistheiler konnten manchmal die Verletzten zurückholen. Wie sie das taten, wusste ich nicht, aber es mochte helfen. Leider waren sie sehr selten und sehr teuer.
Mit derlei Gedanken beschäftigt, lud ich unterdessen die Steaks ab und ging nach draußen zurück, um eine weitere Keule des Büffels zu holen.
„Shadarr hat uns einen Büffel gefangen und vor der Tür abgelegt. Wer also nach draußen geht, nicht darüber stolpern.“
„Fleisch. Hervorragend.“
Kmarr hatte sich hingesetzt und ich reichte ihm die Keule. Er ergriff sie dankend und begann damit sie zu verspeisen. Nach Möglichkeit aß er sein Fleisch am liebsten roh. Außerdem vertilgte er mehr als wir anderen zusammen.
Jiang hatte die Glut zu einem gemütlichen Feuer angefacht und einen Kessel mit Wasser aufgesetzt. Gemeinsam hängten wir eine Pfanne daneben, in der wir nacheinander die Steaks brieten. Das konnte ich ziemlich gut. Aber es machte mich in den Augen der anderen nicht zu einem Koch.
Schon bald stieg der Duft von frisch gebratenem Fleisch mit Kräutern auf und machte mir den Mund wässrig.
Kaum war das Fleisch soweit, griff ich auch schon zu. Das trug mir die missbilligenden Blicke der anderen ein, aber das war mir egal. Hauptsache ich hatte etwas zu Essen. Schließlich hatte ich auch die ganze Arbeit geleistet.
Naja, vielleicht bis auf das Fangen, Töten und Herschleifen des Büffels.
Als wir alle beim Frühstück saßen, begann ich damit, die Ereignisse des letzten Tages im Geiste zu wiederholen.
„Was machen wir jetzt?“, fragte ich, als ich am Ende angelangt war: „Ziehen wir weiter oder bleiben wir noch ein paar Tage hier?“
„In unserem Zustand werden wir nicht weit kommen. Ich bezweifle, dass ich im Sattel sitzen könnte.“
Anaya hatte sich ebenfalls ein Steak gegriffen und zerkleinerte es nachdenklich auf ihrem Teller, ganz entgegen ihrer Ankündigung.
„Was mich viel mehr interessiert, als die Frage, ob wir hier bleiben sollten, ist die Frage, warum die Reiter und der Arkanist so scharf auf die Magana waren.“
Droin hatte sein Steak kurzerhand zwischen zwei Scheiben Brot geklemmt und gestikulierte damit: „Ich denke auch, wir sollten fürs Erste hier bleiben. Anaya, Jiang und Kmarr sind ziemlich stark verletzt und dann müssten wir die Magana auch noch irgendwie transportieren.“
Jiang und Kmarr nickten zustimmend.
„Also gut, bleiben wir für eine Weile hier.“
Ich gab mich geschlagen.
„Was hast Du eigentlich getan, um sie zu einem Angriff zu provozieren?“, wollte er von mir wissen.
„Ich? Nichts. Ich bin nur aus dem Schatten des Waldes geritten, weil Shadarr hungrig war.“
„Na dann kann ich sie verstehen. Fressen lassen würde ich mich auch nicht.“
„Aber das konnten sie doch gar nicht wissen.“
„Was? Sie sehen Dich auf dem Biest aus dem Wald auf sie zukommen und Du denkst, sie warten freundlich auf Dich, weil sie glauben, dass Du sie nach dem Weg fragen willst?“
Anaya lachte.
„Du hast Dich wirklich noch nie mit Shadarr auf jemanden zu reiten gesehen.“
„Ich hätte Dich auch mit meinem Speer begrüßt“, fügte Droin hinzu.
„Vermutlich wollten sie nur einfach nicht getötet werden.“
„Vielleicht wollten sie auch keine Zeugen“, mutmaßte Anaya als nächstes.
Droin war nicht überzeugt: „Klingt zwar vernünftig. Aber sie hätten auch einfach behaupten können, die Magana sei eine entflohene Gefangene, statt gleich zu versuchen, Drakk zu töten. Das wäre bei weitem unauffälliger gewesen.“
„Wenn wir sie fragen könnten…“, Jiang lies den Satz offen: „Mir gefällt das nicht. Untote, Soldaten aus Morak und eine Magana. Dazu der seltsame Arkanist, die Telpare, die riesigen Hunde und ein nykianischer Globus.“
„Warum heißt das Ding eigentlich so?“, wollte Droin wissen: „Es ist schließlich nicht rund.“
„Das liegt an dem unsinnigen Glauben der Nykianer. Sie halten unsere Existenz nur für eine Facette von mehreren.“ Jiang zählte an ihren Fingern auf: „Geist, Körper, Glaube, Welt, Götter und Zeit. Das ist der Globus des Wissens, der für die Nykianer der Schlüssel zur Ewigkeit ist, die sich im Inneren befindet. Praktischerweise lässt sich daraus ein Würfel herstellen.“
„Also alles Aberglaube?“, Droin war ebenso wenig religiös, wie ich, aber es schadete nicht, den Glauben anderer Völker zu verstehen. Das hatte Vorteile, wenn man verhindern wollte, wegen des Bruchs eines religiösen Tabus verfolgt zu werden. Außerdem war es lukrativ, Relikte für religiöse Fanatiker zu suchen.
„Nicht für die, die daran glauben“, widersprach Anaya.
„Das bringt uns alles nicht weiter.“
Jiang wedelte mit der Hand: „Wir müssen entscheiden was wir machen werden und ob wir die Magana weiter mitschleppen.“
„Du willst sie zurücklassen? Kommt nicht in Frage. Ich werde sie zumindest bis zu einem Geistheiler begleiten. Ich will wissen, warum mich ihre Verfolger töten wollten.“
Ein Versuch mich umzubringen machte mich immer neugierig auf das Warum. Es half ungemein, wenn man wusste wer einen aus welchen Gründen nach dem Leben trachtete.
Anaya sagte nach kurzer Überlegung bestimmt: „Sie ist verletzt, wir werden sie hier nicht zurücklassen. Ich stimme Drakk zu: Es ist sinnvoll, wenn wir herausfinden, wer hinter der Magana her ist.“
„Ich habe sie bis hierher getragen, hätten wir sie sterben lassen wollen, hätten wir sie zurücklassen können, wo wir sie gefunden haben.“, Kmarr war also auch meiner Meinung: „Außerdem würde sie eine brauchbare Sklavin abgeben.“
„Wenn dann meine und ich brauche keine“, gab ich trocken zurück.
Kmarr neigte bedächtig sein Haupt – Ein Problem weniger.
Dafür würde Droin eins werden. Kaum hatte ich den Gedanken beendet, mischte er sich auch schon ein.
„Es geht mich nichts an, was mit der Magana ist. Ich kenne sie nicht. Ich arbeite nicht umsonst.“
Ich kannte den Naurim schon seit Jahren, aber diesen Aspekt ihrer Kultur hatte ich noch nie verstanden. Sie arbeiteten niemals ohne Lohn. Wer sie nicht bezahlte – und zwar im Voraus – der konnte sie zu wenig mehr bringen, als Wasser aus einem Brunnen zu holen. Alles was über alltägliche Tätigkeiten hinaus ging oder möglicherweise sogar gefährlich war oder zumindest werden konnte, erforderte eine wie auch immer geartete Bezahlung.
Nur Mitglieder eines Klans oder Angehörige des Volkes der Naurim kamen im Allgemeinen um die Zahlung eines Lohns herum.
Vor Jahren hatten wir nach langer Überlegung beschlossen, uns um die Aufnahme in Droins Klan zu bemühen. Die Entscheidung war uns nicht leicht gefallen, aber nur so waren wir wirklich in der Lage auf Dauer mit ihm zusammen zu arbeiten und vielleicht sogar befreundet zu bleiben.
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