Kaum hatte ich den Satz zu Ende, hatte ich ihre Hand zum dritten Mal im Gesicht.
„Was habe ich gerade gesagt?“, brüllte ich sie an. Ohne es zu beabsichtigen hatte ich wieder Macht in die Stimme gelegt, so dass sie wieder durch das ganze Dorf donnerte.
Erschrocken machte sie einen Schritt rückwärts.
„Aber, aber. Kein Grund so zu reagieren.“
Droin hob beschwichtigend die Hände.
Da erst wurde mir bewusst, dass meine Hände vor geballter Macht leuchteten und meine Augen in einem roten Schein glühten. Ich zwang mich ruhiger zu atmen und ließ die Energie langsam wieder los.
„Ja, ich war im Wald von Beren. Ja, ich habe einen ganzen Beutel roten Sand dafür bekommen, und ja, es hat sich gelohnt. Ich habe eine kleine Siedlung eine halbe Tagesreise weit im Wald gefunden und dort ein paar interessante Entdeckungen gemacht. So, jetzt wisst ihr Bescheid.“
Meine Wangen brannten. Ich war allergisch gegen Ohrfeigen. Ich war stocksauer. Vor allem, weil Anaya das auch genau wusste.
„Hey, kein Grund beleidigt zu sein“, versuchte Droin mich zu beruhigen.
Aber ich hörte ihm gar nicht richtig zu.
„Ist mir egal.“
Ich stand auf und verließ die Hütte.
Wie lange ich zwischen den Hütten durch das Dorf wanderte, war mir nicht so recht bewusst. Jedenfalls stand ich irgendwann wieder an dem Krater, den die Explosion des Magiers in der Nacht zuvor in den trockenen Boden gerissen hatte. Überall lagen Erdbrocken herum.
Mein Fuß pochte jetzt wieder und schmerzte von der bescheuerten Idee, kreuz und quer durch das Dorf zu humpeln.
Ich war normalerweise nicht so schnell zu verärgern. Aber es gab Ausnahmen. Ohrfeigen gehörten eindeutig dazu, weil sie in meinen Augen eine Herabwürdigung der Meinung und Ansichten des Gegenübers darstellten.
Anaya wusste das nur zu genau. Was hatte sie nur dazu bewogen, so zu reagieren? Ich fand ihr Verhalten völlig überzogen. Mein Besuch im Wald von Beren war kein unüberlegter Versuch eines dummen Jungen, berühmt zu werden. Mir waren die Gefahren wohl bewusst und ich hatte sie annehmbar gefunden.
Gut, das war dämlich und außerdem falsch gewesen, aber ich hatte es überlebt – Allerdings nur knapp. Doch die Anderen mussten ja nicht alles wissen.
Lustlos stocherte ich in der Asche der verbrannten Umgebung herum. Die Feuerwand hatte nichts wirklich übrig gelassen.
Daher war ich überrascht, als ich zwischen den Überresten plötzlich einen kleinen roten Gegenstand entdeckte. Es war einer der Rubine, die der Magier uns angeboten hatte. Gedankenverloren steckte ich sie ein.
Ein kleines Vermögen. Das machte den Verlust des roten Sands an Droin erträglicher. Wenn ich die übrigen finden würde, wäre ich wieder fein raus.
Mit deutlich mehr Interesse begann ich den Boden abzusuchen. Es dauerte nicht lange, und ich hatte zu dem ersten vier weitere entdeckt.
Sie wanderten alle zusammen in einen meiner Münzbeutel.
Es dauerte noch eine Weile, dann hatte ich noch einen gefunden, dieser hatte einen kleinen Riss, der seinen Wert erheblich minderte, aber auch so war der Stein einiges wert.
Während ich ihn gerade von Schmutz und Asche befreite, sah ich wie Anaya ganz langsam auf mich zukam.
Sie bewegte sich sehr vorsichtig. Es war ihr anzusehen, dass ihr die Verletzungen Schmerzen bereiteten. Daher war ich mir nicht so ganz sicher, warum sie sich die Mühe gemacht hatte, durch das Dorf zu wandern. Jedenfalls war ich zuvor ähnlich dämlich gewesen, also konnte ich ihr das schlecht vorwerfen.
„Ich dachte mir, dass ich Dich hier finden würde.“
Sie trat langsam auf mich zu, griff beide meiner Hände und zog mich zu sich heran. Ehe ich etwas sagen konnte, gab sie mir einen Kuss auf den Mund, hart und lange.
„Du Idiot. Erschreck mich bitte nie wieder so wie vorhin“, flüsterte sie mit leiser Stimme.
Ich sah tatsächlich Tränen in ihren Augen. Sentimentaler Unsinn, aber immerhin war das eine Erklärung.
„Es ist mir nichts passiert. Ich bin gesund und unverletzt aus dem Wald zurückgekehrt.“
Naja, nicht so ganz, aber ich würde mich hüten, ihr das zu sagen. Ganz so bescheuert war ich dann doch nicht.
„Das ist es doch gar nicht. Ich kann mir doch nicht jedes Mal, wenn ich nicht mit Dir zusammen reise, Sorgen machen, was Du vielleicht während dessen auf eigene Faust unternimmst.“
Sie schimpfte leise in einem fast verzweifelten Tonfall. Ihre Hände krallten sich in meinen fest.
„Verstehst Du das nicht?“
„Ich kann auf mich aufpassen, das weißt Du doch. Wenn ich nicht sicher gewesen wäre, dass ich es aus dem Wald wieder zurück schaffe, hätte ich es nicht versucht.“
Das war glatt gelogen, denn ich hatte nicht die leiseste Ahnung gehabt, was mich erwarten würde, als ich beschlossen hatte, in den Wald zu reisen. Er hieß nicht umsonst der tote Wald von Beren. Daher hatte ich auch nicht wissen können, ob ich es wieder zurück schaffen würde.
Leider schien Anaya meine Antwort zu durchschauen.
„Ich glaube Dir kein Wort“, entgegnete sie zornig; „Niemand weiß etwas über den Wald. Und bisher ist auch noch niemand wieder zurückgekommen.“
„Das dachte ich auch, aber das stimmt nicht. In den alten Werken in Llûn steht einiges über den Wald. Der Erste Gelehrte hat mir darüber hinaus einiges erzählt. Ich bin nicht so dumm, dass ich mich unvorbereitet in eine Region wage, aus der seit Jahrzehnten niemand lebendig zurückgekehrt ist“, entgegnete ich ruhig: „Wenn Du nicht willst, dass ich etwas alleine unternehme, muss Du das nächste Mal eben mitkommen.“
„Wie bitte? Du willst noch mal in den Wald?“
Sie sah mich mit großen Augen an.
„Das war der Vorschlag, den ich euch allen vorhin eigentlich machen wollte. Tiefer im Wald gibt es eine Stadt, zu der ich reisen wollte. Solan Belantar hat mich darum gebeten, noch weitere Nachforschungen anzustellen. Da ihm klar war, dass ich alleine nicht tiefer in den Wald vordringen kann, hat er zugestimmt, außer mir noch weitere Forscher zu finanzieren. Jeder der mit mir kommt, bekommt ebenfalls einen Beutel roten Sand.“
Anaya riss die Augen auf: „Jeder einen?“
„Ja. Interesse?“, fragte ich sie grinsend.
„Du Schwein! Das hast Du extra verschwiegen.“
Sie hämmerte mit ihren Fäusten spielerisch auf meine Brust.
„Wenn mich nicht jemand geohrfeigt hätte, hätte ich das schon lange erzählt.“
„Es tut mir leid. Ich…“, weiter kam sie nicht, dieses mal war ich es, der sie am Reden hinderte, indem ich ihre Lippen mit einem Kuss verschloss. Sie wehrte sich nur kurz. Dann wanderten ihre Hände um mich herum und pressten mich noch fester an sich.
Sie stöhnte leise auf, lies aber nicht los. Ihre Hände wanderten über meinen Körper und unter meine Kleidung.
Es war schwer, ihr zu widerstehen, aber ich schob sie mit sanfter Gewalt von mir weg.
Sie sah mich enttäuscht an: „Hast Du auch noch Dein Herz verschenkt, während Du unterwegs warst?“
Unwillkürlich musste ich lachen: „Nein, natürlich nicht Anya, aber Du bist noch immer schwer verletzt. Vergiss das nicht. Ich will Dir nicht wehtun.“
Sie sah mich skeptisch an: „Seit wann bist Du denn vernünftig?“
„Nie. Ich denke nur praktisch.“
Damit beugte ich mich zu ihr herunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr, dass sie knallrot werden ließ. Bei der Beschreibung unanständiger Dinge war ich schon immer äußerst phantasievoll gewesen.
„Das merke ich mir. Wehe Du hältst Dein Versprechen nicht.“
„Gehen wir zu den Anderen zurück. Das Angebot des ersten Gelehrten gilt auch für sie. Eigentlich wollte ich euch im Laufe des Winters langsam den Mund wässrig machen, wenn wir gemütlich in den warmen Tunneln von unserem Klan sitzen, aber es scheint so, als wäre mal wieder etwas dazwischen gekommen.“
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