Ein angenehmer Mann, dachte ich mir. Robert entlohnte mich großzügig über den Festpreis hinaus. Geschäftstüchtig fragte ich ihn, ob er zufrieden war.
„Danke, ich war sehr zufrieden, mit deiner Leistung. Und mit dir.“
Was hatte das zu bedeuten: Und mit dir?
Er ging, ohne einen weiteren Termin zu machen. Nun, das war nicht weiter tragisch. Zum einen hatte ich mehr Kunden, als ich bewältigen konnte, zum anderen war es nicht ungewöhnlich, wenn keine Anschlusstermine getätigt wurden, außer bei Stammkunden.
Müde ging ich nach Hause und dachte nicht weiter über den Arbeitstag nach. Das Einzige, was mich wirklich interessierte, war das Zählen der Scheine am Abend.
Auch der folgende Mittwoch war wieder arbeitsreich. Das Telefon klingelte ununterbrochen. Gegen Abend klingelte es immer noch und ich wollte schon gar keinen Anruf mehr entgegen nehmen.
Dann war er am Telefon, dieser Robert, der so komische persönliche Fragen gestellt hatte. Und wieder nahm mich diese Stimme gefangen. Gut, meine Massage musste ihm wohl zugesagt haben, dass er schon wieder kommen wollte. „Ich möchte mich mit dir treffen, jetzt.“
„Nein, heute nicht mehr, aber wir können gerne für morgen einen Termin machen.“
„Das trifft sich gut, dass du für heute Schluss machst. Denn ich werde gleich bei dir sein.“
Was war das denn für ein Müll? Wollte der sich mit mir treffen, im Studio, nur um zu plaudern oder mich gar noch flachlegen? Das kam gar nicht in Frage.
„Nein, das geht nicht“, sagte ich, „ich gehe jetzt nach Hause.“
„Genau, ich sagte ja, dass ich gleich bei dir bin.“
Was bildete der sich ein? Nie und nimmer wollte ich den in meinen privaten Räumen haben. Er war nur ein Kunde. Mehr nicht.
„Gib mir deine Adresse, ich fahre jetzt los.“
Dieses Bestimmende und doch so Sanfte. Später sollte ich diese Mischung aus tiefstem Herzen schätzen und lieben lernen. Ohne weitere Umschweife gab ich Robert meine Adresse. Er stand schon vor der Tür, als ich eintraf.
Er beugte sich herunter, gab mir ein Küsschen auf die Wange. Der roch gut, das mochte ich. Als ich die Tür aufschließen wollte, nahm er mir den Schlüssel aus der Hand, so, als wäre es das Normalste der Welt und schloss die Tür auf. Warum widersprach ich nicht?
Oben angekommen, das gleiche Spiel. Robert half mir aus dem Mantel und stellte eine Flasche Champagner auf den Tisch.
„Aber erst schön die Hände waschen“, sagte er.
Mir blieb die Spucke weg. Wie sprach der denn mit mir! Ich wollte etwas entgegnen.
„Regeln müssen sein, stimmts?!“
Ich nickte fassungslos.
Wie selbstverständlich ging Robert in die Küche und holte Gläser. Er prüfte im Licht, ob sie richtig poliert waren. Das war doch die Höhe! Ich, die Macherin, die sonst das Szenario bestimmte, setze mich schweigend. Er schenkte ein, stieß mit mir an.
„Auf dich und unsere kommende Zeit.“
Wieder öffnete ich den Mund ohne zu sprechen. Diese liebenswürdige Dreistigkeit.
Robert erzählte mir von seiner Familie, seiner Frau, mit der er ewig im Streit läge und von seinen beiden Kindern, die er abgöttisch liebte. Ah, wieder so einer, der seine Frau betrog, sich aber wegen der Kinder nicht trennen wollte. Die Männer waren doch alle so durchschaubar, so gleich.
In dem Moment, als er mir davon erzählte, war für mich klar, dass ich niemals etwas mit ihm anfangen würde. Mein Leben war schon stressig genug und so halbe Sachen wollte ich nicht. Als Robert mich wieder ausfragen wollte, antwortete ich ihm zickig.
„Warum interessierst du dich für mich? Wenn du mit mir in die Kiste willst, brauchst du keinen Lebenslauf.“
„Wer sagt, dass ich mit dir in die Kiste will? Lediglich kennen lernen möchte ich dich, dein Wesen, wie du so tickst.“
„Aber warum?“
„Nun, nimm es so wie es ist. Ich interessiere mich für dich und du für mich.“
„Nein“, spie ich im ins Gesicht, „verheiratete Männer interessieren mich nicht, in keinster Weise.“
Später wurde mir bewusst, wie recht er hatte.
Er streichelte meine Wange. Mir kamen die Tränen, immer wenn mir einer über die Wange strich. Nein, dachte ich, nur weil mal einer ein bisschen zärtlich ist, Blödsinn. Und ich setzte wieder meine spöttische Miene auf. Wenn er es wollte, würde ich halt mit ihm schlafen, einer mehr oder weniger in der Sammlung, das war doch egal.
„Willst du mit mir Sex?“ fragte ich ihn.
„Nein, vorerst noch nicht. Ich möchte dich wirklich kennenlernen, wer bist du, erzähle es mir?“
Schwachsinn! Die Männer verschwanden immer, wenn sie mich Komplizierte wirklich kennen lernten, so ganz privat, wenn ich mich öffnete. Also konnten wir das getrost weg lassen. Robert stand auf und spazierte durch meine Wohnung.
„Du bist nicht die starke Frau, die du vorgibst, zu sein.“
„Wie kommst du auf diese absurde Idee?“
„Schau mal Kleines, du hast einen Kinderkleiderschrank, eine Kinderlampe. Überall sehe ich bei dir Verspieltes, fast kitschig Kindliches.“
Er hatte recht, das war mir nie aufgefallen. Ja, ich mochte es bunt, aber kindlich? Ich war eben klein, deshalb der Kinderkleiderschrank. Und die Bettwäsche mit den Herzchen, na und, die gefiel mir eben.
„Zeig mir mal dein Nachthemd“, bat Robert.
Jetzt reichte es aber. Was sollte das? Er hob die Bettdecke hoch, hob mein Nachthemd auf, betrachtete es lange und lächelte.
„Da sind ja ganz süße Kirschen drauf und die Schleifchen, allerliebst.“
Ich schämte mich.
„Na und“, verteidigte ich mich, „das habe ich aber nicht als Kindernachthemd gekauft.“
„Wenn ich mir deine Wohnung anschaue, erahne ich, wer du wirklich bist.“
Jetzt hatte ich aber endgültig die Nase voll. Der kommt in meine Wohnung spaziert, tut so, als ob er hier zu Hause wäre und erzählt so einen Schwachsinn! Und so äußerte ich mich auch.
„Die Wohnung kann ruhig so bleiben, wie sie ist, wenn ich hier einziehe“, sagte er lächelnd, „du sollst dich ja darin wohl fühlen.“
Das konnte ja nur ein Scherz sein. Ich warf ihn hinaus und sagte ihm, er solle sich lieber einen Platz in der Psychiatrie reservieren. Robert ging, keinesfalls beleidigt oder geknickt.
Den bin ich los, dachte ich. So ein Schwachkopf. War er denn ein Schwachkopf? Ich konnte nicht schlafen, musste daran denken, was er gesagt hatte, wegen der Kindlichkeit. Ich war eine erwachsene Frau, hatte alles fest im Griff.
Kaum, dass ich zur Studiotür hereinkam, klingelte schon wieder das Telefon.
„Guten Morgen Kleines, sei heute Abend um 20 Uhr in meinem Hotel.“
Wie konnte er es wagen, nach dem gestrigen Rausschmiss so etwas zu fordern?
„Nein, ich komme nicht. Ich will dich auch nicht mehr sehen. Du bist ein Spinner, eine Fantast.“
Und so lamentierte ich weiter. Er ließ mich reden, leerlaufen sozusagen.
„Kleines, das ändert nichts an der Tatsache, dass du um 20 Uhr zu mir kommst.“
Robert legte auf. Da konnte er aber lange warten. Nie, niemals würde ich dahin gehen.
Aufgrund des arbeitsreichen Tages hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken und die Frage kam sowieso nicht auf, ob ich zu ihm ginge oder nicht. Eindeutig nein.
Noch im Studio duschte ich mich, legte etwas Rouge auf und fuhr zu seinem Hotel. Es war mir unerklärlich. Auf dem Weg dorthin beschimpfte ich mich. Wie kannst du das tun? Dämliche Kuh, es bringt doch nichts.
Robert stand am Eingang des Hotels und erwartete mich. Nein, sein Blick war nicht triumphierend. Wieder gab er mir ein Küsschen auf die Wange. Anschließend gingen wir auf sein Zimmer. Er hatte einen kleinen Happen vorbereitet und eine Flasche Rotwein. Plötzlich merkte ich, dass ich Hunger hatte.
„Iss“, sagte er, „du hast heute nur gefrühstückt.“
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