„Na, wäre doch möglich, oder? Hat die Wohnung so ausgesehen, als sei das passiert?“, wollte Patrick wissen.
„Könnte schon sein“, antwortete Liz. „Ich jedenfalls würde, wenn ich unordentlich wäre oder selbst etwas suchen müsste, nicht so zerstörerisch arbeiten. Ich denke, das war jemand anderes.“
„Und was hat er dann gesucht?“
„Das Geld?“ schlug Patrick vor. „Collnhausen hat doch gesagt, eine runde halbe Million ist abgängig?“
„Stimmt. Teils als Koffer voll Bargeld, teils als Kredit… Liz und Patrick, ihr geht morgen früh sofort zur Bank und lasst die Konten sperr- Scheiße.“
„Genau“, grinste Liz. „Welche Bank?“
„Habt ihr denn gar nichts gefunden? Nicht mal im Schreibtisch? In einem Ordner?“
Joe sah seine langjährige Kollegin mitleidsvoll an. „Schreibtisch? Ordner? Anne, der hat eine Art Tapeziertisch mit fünf unterschiedlich vergammelten Rechnern, dahinter ein gigantischer Kabelsalat. Und eine Pappschachtel vom Copyshop, in der ein Haufen unbezahlter Rechnungen und sonstiger Papierkram waren. Mehr gab´s nicht. Hier, die Pappschachtel haben wir mitgebracht – möchtest du den Kram selbst durchsehen?“
Anne warf ihm einen giftigen Blick zu. „Nicht so gerne, mitten in der Nacht. Na gut, einen Blick riskiere ich…“ Sie blätterte den dürftigen Stapel schnell durch und zog schließlich zwei Schreiben heraus. „Na bitte! Einmal Stadtsparkasse Leisenberg, einmal BayernBank.“
Joe ärgerte sich, aber Annes Triumph legte sich schnell: Die BayernBank wollte Kießling anscheinend nur als neuen Kunden gewinnen. Schlechte Recherche, fand Anne – der hatte doch offenbar gar nichts!
Die Stadtsparkasse allerdings teilte mit, dass auf das Depot der Nummer sowieso der Betrag von € 1,34 eingegangen sei.
„Na bitte“, wiederholte Anne. „ich finde es nicht so abwegig, dass er da, wo er ein Depot hatte, vielleicht auch sein Girokonto hatte. Und vielleicht ist da auch das Geld von dem Kredit, für den Collnhausen, dieser Vollpfosten, gebürgt hat. Anscheinend hat er seine anderen Auszüge weggeschmissen. Oder einer hat sie mitgenommen.“
„Collnhausen war doch eigentlich ganz nett?“, fragte Patrick und feixte kurz.
„ Nett ist die kleine Schwester von scheiße “, zitierte Anne prompt. „Collnhausen ist schlicht und ergreifend deutlich naiver, als er in seinem Alter und bei seiner Vorbildung sein dürfte. Diese Josie Trunz wird noch viel Spaß haben, wenn sie auf ihn aufpassen muss.“
„Muss sie denn?“
Anne warf Patrick einen schrägen Blick zu. „Die hat ein Helfersyndrom – denk an meine Worte. Sie wird ihn nicht ins Unglück rennen lassen können.“
„Vielleicht lösen wir den Fall so schnell, dass wir gar nicht mehr mitkriegen, wie es mit den beiden weitergeht“, überlegte Patrick. „Ob die wohl wirklich heiraten, so wie die Eltern sich das vorstellen?“
„Das ist mir ziemlich egal“, behauptete Anne jetzt wider besseres Wissen. „Also, morgen früh geht ihr beiden zur Stadtsparkasse – hier, das Schreiben nehmt ihr mit. Liz, wir beide suchen morgen früh mal die Familie Collnhausen auf. In Waldstetten – schöner Mist. Am Arsch der Welt. Aber nachdem Collnhausen mit Kießling was zu tun hatte und immer noch auch in Waldstetten gemeldet ist, wissen die Eltern vielleicht etwas. Der Trunz zufolge sind die die feinste Familie in Waldstetten – mal sehen, wie die uns behandeln…“
Joe fand am nächsten Morgen noch das Tütchen mit seiner anderen Fundsache auf seinem Schreibtisch – hatte er doch glatt vergessen, Anne dieses Ding zu zeigen! Egal, anfangen konnte man damit ohnehin noch nichts. Er jedenfalls hatte keine Ahnung, was es zu bedeuten hatte
Er sammelte Patrick ein und fuhr zur Sparkasse, wo er länger mit einem zugeknöpften Angestellten verhandelte. Schließlich gab dieser Herr Schmidt zu, dass Kießling ein Kunde von ihnen war, dass er ein Depot und ein Girokonto besaß, dass man aber andererseits die Privatsphäre des Kunden wahren müsse… „Datenschutz, Sie verstehen!“
Joe legte den Kopf schief. „Lieber Herr Schmidt, der Kunde Kießling ist tot. Ermordet worden. Möglicherweise ist das Motiv in seinem Finanzgebaren zu suchen.“
„Wir können natürlich auch mit einem richterlichen Beschluss wiederkommen“, bot Patrick an. „Den kriegen wir angesichts der Sachlage sofort. Aber wenn der Mord wirklich was mit seinem Bankkonto zu tun hat, könnte es ja auch sein, dass es noch mehr von Ihren Kunden erwischt. Ich weiß nicht, ob Sie das dann für gute Werbung halten… und sowas spricht sich schließlich immer herum, nicht?“
Völliger Stuss, diese Schlussfolgerung, aber so scharfsinnig war Herr Schmidt (der ohnehin aussah, als sei er mit seiner Banklehre noch kaum fertig) wohl nicht. Er erblasste sichtlich und bat die beiden, einen Moment zu warten. Er aktivierte im Hintergrund einen Rechner, tippte etwas ein und Joe und Patrick hörten, wie ein Drucker surrend ansprang. Herr Schmidt sah sich etwas nervös um, dann winkte er den beiden, ihm zu einer eher abgelegenen Besprechungsecke zu folgen. Als sie saßen, reichte er ihnen zwei Ausdrucke.
Joe betrachtete den Kontoauszug enttäuscht: Kießling war um zweieinhalbtausend Euro im Minus gewesen – von der Kreditsumme keine Spur mehr.
„Und was hast du?“, fragte er Patrick.
„So ein dämliches Depot hab ich lang nicht mehr gesehen“, antwortete der. „Lauter Flops – und eine Gesamtsumme nicht über zweitausend. Lächerlich! Der Typ muss wirklich für alles zu doof gewesen sein.“
„Herr Kießling wollte sich ja von uns nicht beraten lassen“, lamentierte Herr Schmidt.
Joe sah ihn scharf an. „Herr Kießling muss in letzter Zeit einen Kredit von über zweihunderttausend Euro aufgenommen haben. Wo ist dieses Geld hingeraten?“
Herr Schmidt sah völlig perplex drein. „Also, das kann ich mir gar nicht vorstellen… er hatte doch absolut keine Sicherheiten… einen solchen Kredit hätten wir garantiert nie…“
„Und wenn jemand für ihn gebürgt hätte?“, warf Patrick ein.
„Ja, dann natürlich… aber wer würde so etwas schon tun? Und der Bürge müsste natürlich wirklich solvent sein… warten Sie, ich sehe einmal nach, ob ich darüber etwas finde. Ich selbst kann mich allerdings an nichts dergleichen erinnern…“
Er verschwand wieder an seinen Rechner.
Joe und Patrick sahen sich an. „Kießling war wohl nicht der Schlaueste“, meinte Patrick dann. „Und der Bürge schon gleich gar nicht.“
„Collnhausen? Scheint mir auch so.“
Schmidt kam zurück. „Nein, der Kredit war wirklich nicht von uns – aber es hat ihn gegeben. Schauen Sie, das ist der Auszug von der ersten Maiwoche. Eingegangen sind tatsächlich 242.000 – Sie hatten Recht, meine Herren! - von der Privatbank Thieß, Vogel & Sussmann.“
„Nie gehört“, gab Patrick zu.
„Die einzige Leisenberger Filiale ist in Henting, Richtung Zollinger MiniCity. Ich glaube, etliche Geschäftsleute aus der MiniCity lassen ihre Konten bei dieser Bank laufen… aber leider – das Geld wurde nach zwei Tagen weiter transferiert, auf ein Luxemburger Konto, Empfänger eine Firma namens Irgendwas*Trade. Nie gehört, und das erste Wort ist leider unleserlich…“
Joe nahm ihm die Bögen ab. „Herzlichen Dank dafür. Wir kommen vielleicht noch einmal auf Sie zu.“
Viel schienen die Eltern Collnhausen nicht zu wissen, stellte Anne nach einem eher unergiebigen Gespräch ärgerlich fest. Der Vater war zwar der Ansicht, sein Sohn sei als Geschäftsmann nicht sonderlich talentiert und habe einen Sack voll Schulden angehäuft, von denen er ohne väterliche Hilfe herunterkommen müsse, die Mutter dagegen hatte sich sehr ausweichend verhalten, hauptsächlich darauf geachtet, dass Anne das von nicht unterschlug, und ansonsten die Meinung vertreten, mit Mord habe man in ihren Kreisen nichts zu tun – bis schließlich sogar ihr Mann sagte: „Regine, jetzt hör auf, herumzuzicken. Mord gibt´s überall, und in Kreisen, wo es um viel Geld geht, schon mal ganz besonders.“
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