1 ...8 9 10 12 13 14 ...23 „Warum denn nicht? Für mich sind das Peanuts. Aber wenn du nicht willst, kann ich das verstehen. Dann bekommst du die, sobald ich umgezogen bin.“ Trudis Mund klappte auf. Welcher Teil meiner Aussage dafür verantwortlich war, blieb mir verborgen. Vermutlich alle. „Du… echt? Du ziehst um? Wann denn? Wohin? Warum? Die Wohnung ist doch schön.“ Klar, war sie. „Ich brauche etwas Eigenes. Ein kleines Haus. Mit Garten. Wo ich Veränderungen machen kann, ohne vorher jemanden um Erlaubnis zu bitten.“ Trudi nickte zweifelnd. „Also… ist es für dich kein Problem, mal eben ein neues Haus zu kaufen?“ Ihre Stimme schnippte mehrere Oktaven höher. „Du bist reich?“ War ich. Mein Job hatte auch seine guten Seiten. Zusätzlich brauchte ich den Nervenkitzel. Die Herausforderung. „Stört dich das?“ Abrupt schüttelte sie den Kopf. Trudi war tatsächlich etwas blass geworden. „Hat… hat Alan was damit zu tun? Eine Abfindung oder so?“ Na da wurde doch der Storch auf der Wiese verrückt. „Nein. Das Geld hatte ich schon vorher. Ich arbeite. Zwar eher unkonventionell, aber ich arbeite. Nehme Aufträge an, führe sie aus, werde dafür bezahlt. Meine Fähigkeiten als movere sind dafür entscheidend. Es ist immer ein Risiko dabei. Sonst wäre der Job sicher nur halb so gewinnträchtig. Und Alan… nun, der hat anfangs überhaupt nicht geglaubt, dass ich eigenes Geld besäße. Oder einen Job. Oder ein Haus. Mein altes Haus. Kannst du dir das vorstellen?“ Ihr Kopfschütteln war vorhersehbar. Sie mochte von Alan zur Einsicht gebracht worden sein – was eine Beziehung betraf. Sein gottähnlicher Status hatte dadurch jedoch nicht gelitten. „Bist du sowas wie ein Agent?“ Ein Agent?
Ich?
Äh… Eigentlich nicht. „So ähnlich. Ich beschaffe Dinge, die anderen abhandengekommen sind oder die jemand unbedingt haben will.“ Eine nette Umschreibung für einen Dieb.
Ich war froh, dass Trudi dies ohne weitere Fragen hinnahm.
Wortlos reichte ich ihr zwei Weingläser, holte eine Tüte Chips aus dem Schrank und lief Trudi hinterher in die Wohnstube.
Seufzend plumpste sie auf meine Couch, stellte Gläser und Flasche ab und schlug ihre Beine übereinander. Gleich darauf ließ sie zwei Bomben platzen. In einem Satz. „Überrascht mich ein wenig, aber damit kann ich leben. Wenn deine Moral noch genauso hoch ist wie früher, nimmst du nur von denen, die es entbehren können. Ich wette, du spendest sogar große Summen.“, sagte sie und öffnete dabei die Weinflasche. „Meine Sam ist eine Diebin und meine Claudia lässt sich scheiden. Also wenn das kein guter Grund für den Wein ist, weiß ich auch nicht.“ Verdattert starrte ich sie an. Meine Kinnlade hing auf Teppichhöhe. „Mach den Mund zu, Sam. Hast du vergessen, dass ich die mit dem hohen IQ bin? Ich kann eins und eins zusammenzählen. Auch wenn du es noch so schön formulierst. Setz dich. Ich werde keinem ein Sterbenswörtchen sagen. Versprochen.“ Sie goss in aller Seelenruhe den Wein ein. Reichte mir ein Glas. „Prost. Auf uns. Und deinen neuen Lover.“ Meinen…
Woher wusste sie das denn?
„Du brauchst gar nichts abstreiten. Na gut, vielleicht kein Lover. Aber zumindest Sex, hm? Du hast da einen Knutschfleck am Hals.“ Sie tippte auf die rechte Seite ihres Halses. Ich griff an meine linke. Trudi grinste spitzbübisch. Sehr schön.
Ich fühlte mich kein bisschen überrollt.
Eher so, als wäre ich frontal gegen eine Planierraupe gelaufen. Zweimal.
Fassungslos setzte ich mich neben Trudi. „Ok. Mal meine Wenigkeit beiseitelassend… Claudia lässt sich scheiden?“ Vor lauter Ungläubigkeit drohten meine Augen aus dem Kopf zu springen. Mein Haaransatz bekam Besuch von meinen Augenbrauen. „Hat sie mir vor zwei Tagen gesagt. Sie wollte dich auch dabei haben, aber du warst nicht da.“ Ich nickte langsam. „Lange Geschichte. Erzähl ich dir später. Wenn du willst.“ Sie sollte mir lieber sagen, wie es zu Claudias Entschluss kam. „Ihr Mann ist auf Montage. Weißt du ja. Nun, vorige Woche klingelt es nachmittags bei ihr an der Tür. Eine fremde Frau steht davor. Fragt, wer sie ist. Anfangs war Claudia vorsichtig. Man hört ja so einiges. Doch die Frau hatte Fotos. Von einem sich glücklich anstrahlenden Pärchen. Die Frau selbst und Claudias Mann. Sie erklärte Claudia, sie sei schwanger. Jean würde ihr seit Ewigkeiten versichern sie zu heiraten. Tja, dann muss es bei der Tussi wohl klick gemacht haben. Sie ist in Tränen ausgebrochen. Anscheinend war ihr nicht klar gewesen, dass der Gute bereits verheiratet ist. An den Wochenenden fuhr er angeblich zu seiner kranken Mutter. Und – nun ja – Claudias Adresse war wohl die seiner kranken Mutter. Du kannst dir vorstellen, dass beide Frauen vor Wut auf Jean kochen.“ Ich fragte sie – ohne nachzudenken – ob ich ihn für Claudia rösten solle. „Rösten? Da mache ich mit. Fackeln wir sein Auto ab? Während er drin sitzt?“ Vorfreudig rieb sie ihre Hände.
Ich hingegen suchte krampfhaft eine Ausrede. Rösten. War ich noch ganz bei Trost?
Ich konnte ihr doch nicht alles sagen.
Oder?
„Äh… naja… puh, irgendwie ist mir das raus gerutscht.“ Trudi neigte leicht den Kopf. „Verstehe. Etwas, was du eigentlich nicht sagen wolltest. Du hast es so gemeint, aber anders, als ich es auslege. Richtig?“ Trudi war schon immer eine kluge Person gewesen. Die letzten Wochen hatte ich das nur vergessen. Oder verdrängt. Vielleicht, weil wir nie wirklich ernsthaft über mich gesprochen haben.
Ich nickte vorsichtig. Mehr als schreiend zur Tür raus rennen, konnte sie vermutlich nicht. Also Augen zu und durch, hm? Ich sah ihr nämlich deutlich an, dass sie gern eine Erklärung hätte. Sogar, wenn sie darauf warten müsste. „Na gut. Ja. Stimmt. Ich bin mehr als nur eine movere . Ich bin sozusagen getunt. Das Wie ist unwichtig. Oder besser gesagt, ich möchte jetzt nicht darüber sprechen. Tatsache ist jedoch, dass ich mehr kann als nur ein wenig Technik oder Magie manipulieren.“ Trudi wartete immer noch. Als wüsste sie genau, dass es noch mehr gab. Ich seufzte. Erzählte es ihr. Sie tippte sich nachdenklich ans Kinn. „Aha. Du bist also eine Art Batterie?“ Ein guter Vergleich. Wenn auch nicht exakt dasselbe. „Könnte man so sagen.“
„Klingt cool.“
„Ich könnte es dir zeigen.“
„Ne, lass mal lieber.“ Trudi winkte ab. Ich lachte leise. „Du hast nur Angst um deine Frisur.“
„Das würde ich niemals zugeben.“ Grinsend prostete sie mir zu.
Die Flasche Wein war alsbald geleert. Die Chips ebenfalls. Rasch sorgte ich für Nachschub. „Wollen wir dann was essen? Ich könnte was bestellen.“ Zum Kochen hatte ich keine Lust. „Klar.“ Keine fünf Minuten später war die Pizza bestellt. Und nur fünfzig Minuten später restlos vertilgt. Währenddessen und danach quatschten wir. Über vergangene Zeiten. Überlegten uns verschiedene, qualvolle Tode für Jean – nur zu Claudias Bestem natürlich. Alberten dabei herum.
Ehe ich mich versah, war es schon nach neun. „Ich muss kurz den Wein wegschaffen. Bin gleich wieder da.“
„Kannst meinen gleich mitnehmen. Dann brauch nur eine von uns aufs Klo.“ Ich grinste und eilte ins Bad. Den Weg vom Bad zurück, schaffte ich nicht. Ohne Vorwarnung verdunkelte sich mein Gesichtsfeld. Ich spürte kaum, dass ich fiel.
Mein letzter Gedanke galt meinem Genick.
Welches hoffentlich nicht in einem ungünstigen Winkel gegen die Wand krachte.
„Hey, da bist du ja wieder.“ Verdammt! Wieso klang Trudi wie Roman? Und wieder einmal bin ich umgefallen. Langsam ging mir das echt auf die Nerven. „Also vom Wein fällst du nicht um, Sam. Bist du schwanger? Kreislaufprobleme?“
Ok, Trudi war doch noch da.
Jetzt klang sie wieder wie sie selbst.
Vorsichtig öffnete ich ein Auge. Wollte mich aufsetzen. Bemerkte, dass ich schon saß. Halbwegs. Zwischen Romans Beinen; auf dem Boden. Es roch nach Roman, nach Pizza und ein wenig nach Trudis Parfum. Hieß: Diesmal war ich nicht so lange weggetreten. Hoffte ich zumindest. „Vierzig Minuten, Sam.“ Roman hatte wohl auf die Uhr geschaut, hm? „Weder noch.“, beruhigte ich Trudi. Obwohl die ziemlich gelassen schien.
Читать дальше