Was sollte er jetzt tun? Fieberhaft überlegte er, ging alle Möglichkeiten durch. Alle Möglichkeiten, hahaha. Es gab nur zwei Möglichkeiten, aber vor beiden scheute er sich und verwarf sie jedes Mal, wenn er bei seinen Überlegungen wieder an diesen beiden Enden angekommen war.
Mico bemerkte, dass es merkwürdig still im Raum war. Er hatte gedankenverloren seine Karten und den kleinen Münzstapel vor sich betrachtet und schaute jetzt hoch. Der ganze Tisch starrte ihn erwartungsvoll an. Die Blicke, die sie ihm zuwarfen, hatten einen besonderen Ausdruck, aber Mico konnte diesen Ausdruck nicht deuten, oder doch. Hatten sie am Ende auf diesen Moment hin gearbeitet, waren sie alle miteinander verschworen? Die anderen Spieler kannten sich alle, sie reisten wahrscheinlich miteinander. Arbeiteten sie alle zusammen und war ihr Ziel ihn auszunehmen?
Auch im Rest des Schankraums war es merkwürdig still. Mico hob den Kopf noch mehr. Alle starrten ihn an. Wirklich alle. Auch der Wirt, und dieser tat es mit einem selbst zufriedenen Ausdruck. Das alarmierte Mico am meisten. Irgendetwas ging hier vor und er, Mico, schien es nicht zu begreifen.
Micos Gedanken rasten. Es fielen ihm Einzelheiten auf, die ihn erschreckten, der Choleriker war im Moment geduldig, er nippte an seinem Bier und schien plötzlich vergnügt, der Braungebrannte hatte plötzlich ein zartes Rot in seinen Wangen. Bildete er sich das alles nur ein, spielte ihm seine Fantasie einen Streich?
Mico war verwirrt, etwas, was er beim Kartenspielen noch nie erlebt hatte. Es wurde ihm heiß und kalt, was, wenn wirklich alles nur darauf ausgelegt war, ihn zu betrügen. Selbst wenn es wirklich so war, er hatte nur zwei Möglichkeiten. Entweder er stieg aus, jetzt und sofort oder er spielte weiter und trieb dafür Geld auf. Geld, das weder er noch Hanrek noch Dresson hatten. Also musste er ein Pfand hinterlegen, ein wertvolles Pfand. Und da fiel ihm nur ein Pfand ein, dass er einsetzen konnte und das stand gerade im Stall und fraß genüsslich seinen Hafer.
Mico schloss kurz die Augen und versuchte die Anspannung und mit einigen tiefen Atemzügen auch die Zweifel los zu werden. Er war schließlich hier der gute Kartenspieler, der immer gewann. Als er die Augen öffnete, waren die Zweifel immer noch da und die Anspannung war noch größer geworden, die Gedanken rasten eher noch schlimmer.
Und dann wurde seine Not noch größer. Ausgerechnet jetzt kam Hanrek die Treppe herunter. Mit einem Blick wurde Mico klar, dass Hanrek genau wusste, dass er sich in einer verzwickten Lage befand. Er war schließlich ein Flüsterer .
Obwohl ihm gar nicht so zumute war, sprach er leicht hin zu seinen Mitspielern
„Nun, wie ihr vielleicht bemerkt habt, ist mir etwas das Geld ausgegangen. Bitte gebt mir einen Moment, um mich mit meinem Freund zu besprechen. Vielleicht kann ich ja dann noch etwas mehr Geld auf den Tisch legen.“
Mico schaute erwartungsvoll in die Runde. Seine Mitspieler schauten sich gegenseitig eine Weile an und, Mico traute seinen Augen und Ohren kaum, ausgerechnet der Braungebrannte ergriff das Wort.
„Kein Problem, wenn es nicht zu lange dauert.“
Also schob Mico seinen Stuhl zurück, ließ seine Karten auf dem Tisch liegen und ging zu Hanrek hinüber, der ihn am Fuß der Treppe erwartete, und von dort den ganzen Raum im Auge behielt.
„Nun, was ist dein Problem?“, empfing Hanrek ihn mit leiser Stimme.
„Um es kurz zu machen, ich habe das absolute Gewinnerblatt auf der Hand und der Gewinn in der Mitte ist riesengroß. Ach ja, und dazu ist mir das Geld ausgegangen, sodass ich eigentlich gezwungen bin, auszusteigen. Damit wäre dann all unser Geld verspielt, bis auf einige wenige Kupferlinge. Außerdem habe ich seit einigen Minuten das dumpfe Gefühl, dass es sich hier um eine abgekartete Sache handelt, dass man mich ausnehmen will und dass man mich verleiten will, eines unserer Pferde als Einsatz zu setzen.“
Mico hatte genauso leise gesprochen, wie Hanrek zuvor.
„Hmmm.“, Hanrek nickte.
„Das glaube ich auch. Irgendwie ...“, Hanrek machte einen eigenartigen Gesichtsausdruck, so als ob er angestrengt riechen würde, „... ja, auch ohne Gabe fühlt es sich irgendwie so an, als ob ...", er suchte nach dem richtigen Begriff, „... als ob wir die Mäuse vor der Mausefalle wären, und alle warten nur darauf, dass wir endlich das Stück Käse fressen, das direkt vor unserer Nase liegt.“
„Irgendwelche Vorschläge?“, fragte Mico ihn.
Hanrek dachte einen Moment nach und nickte dann.
„Wenn du wirklich überzeugt bist, dass du dieses Spiel gewinnen kannst, setze dein Pferd, denn darauf sind sie ja so scharf.“, Hanrek machte eine kleine Pause, aber Mico merkte, dass er noch nicht fertig war.
Dann schaute Hanrek ihn direkt an.
„Ich glaube fest, dass es der braun gebrannt aussehende Mann ist. Er ... ich weiß nicht so richtig, wie ich das Gefühl ausdrücken soll, aber ich glaube, dass er irgendwie falsch spielt. Ich kann keine Karte im Ärmel entdecken oder etwas Ähnliches, ... aber trotzdem, irgendwie vermittelt er mir den Eindruck, als würde er falsch spielen. Übrigens schon die ganze Zeit, in der ich euch von oben aus über die Gabe beobachtet habe.“
Mico nickte.
„Das ist gut möglich. Um falsch zu spielen, braucht er keine Karte im Ärmel, bei diesem Spiel nicht.“
„Aber wenn ich jetzt mein Pferd als Pfand einsetze, wo ich weiß, dass sie zusammenspielen, dann haben sie doch ihr Ziel erreicht, dann werden sie es auch gewinnen. Man ist bei diesem Spiel darauf angewiesen, dass jeder gewinnen will. Wenn nur einer dabei ist, ...“ Hanrek unterbrach ihn.
„Gib du dein Bestes beim Spielen, ich werde jetzt wieder hoch aufs Zimmer gehen, die Tür offen stehen lassen und dann meinen Stab zur Hand nehmen. Ich denke, ich werde etwas Flöte spielen. Wenn ich nur das richtige Lied mit dem richtigen Ton treffe, dann wird Dresson vielleicht schneller wieder gesund und nebenbei ...“, Hanrek ließ seinen Satz unvollendet. Er war schon ganz in Gedanken versunken und überlegte, welches Lied er spielen wollte.
Sie schauten sich noch einen Moment an, dann ging Mico zurück zum Spieltisch und Hanrek ging wieder die Treppen hinauf.
Alle Menschen im Raum hatten die beiden die ganze Zeit genau beobachtet. Die ganze Zeit hatte eine Stille im Raum geherrscht, die fast schon unheimlich war. Jetzt folgten alle Mico mit den Augen, als er seinen Stuhl zurück zog und sich wieder hin setzte.
Es war nach wie vor so leise im Raum, dass man fast eine Stecknadel fallen hören konnte.
Mico ergriff sein fast leeres Bierglas, hob es hoch, und schlug es derb auf die Tischplatte auf, sodass es einen lauten dumpfen Knall gab.
„Wirt. Kann ich noch ein Bier bekommen, ich habe Durst.“
Der Knall hatte wie die Peitsche bei einem Ochsen gewirkt. Plötzlich war die Ruhe dahin, wie plötzlich aufgewacht, sprachen alle durcheinander. Ganz plötzlich hörte sich der Schankraum wieder wie ein Bienenstock an, in dem es gleichmäßig summt und brummt.
„Nun meine Herren, ...“, Mico schaute in die Runde seiner Mitspieler. Er hatte jetzt seine Ruhe wieder zurückgewonnen. „... Geld kann ich euch leider keines anbieten, aber wärt ihr auch mit einem wertvollen Pfand einverstanden?“
„Das kommt immer auf das Pfand an.“, antwortete der Braungebrannte.
Mico hatte ihn offensichtlich total falsch eingeschätzt.
„Ein Pferd.“
Mico sah an den Reaktionen, dass er richtig gelegen hatte, sie hatten es auf sein Pferd abgesehen, und jetzt konnte er ihren unverhohlenen Triumph an ihren Blicken ablesen. Sie schauten den Braungebrannten an. Wieder übernahm dieser das Wort für die ganze Gruppe.
„Was ist denn so ein Pferd wert? Wir haben keine Ahnung, was so ein Pferd kostet. Ist es wertvoll? Wirt, wisst ihr, was man für so ein Pferd verlangen kann? Es steht in eurem Stall, habt ihr es schon einmal gesehen?“, fragte er den Wirt, der gerade das verlangte Bier brachte.
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