Ein Grund mehr, es den Kerlen heimzuzahlen. Wenn sie schon ständig herumhuren mussten, dann sollten sie auch dafür bezahlen, und nicht zu knapp. Sie kannte ihren Marktwert und war nicht darauf angewiesen, Dumpingpreise zu nehmen, wie manch Süchtige es tat, um damit ihren Drogenkonsum mehr schlecht als recht zu finanzieren.
In dieser Nacht war ihr Typ besonders gefragt. Ob das an den knappen Hotpants aus Leder, der engen Korsage oder den (falschen) roten, langen Haaren lag, konnte sie nicht sagen, aber der Rubel rollte. Und schon wieder hielt ein Wagen. Der Fahrer winkte sie heran. Coco lehnte sich in das heruntergelassene Fenster und präsentierte dabei ihren ausladenden Busen.
»Dachte ich mir doch, dass wir uns bald wiedersehen«, sagte sie kess grinsend.
»Was nimmst du denn so?«
»Kommt ganz darauf an. Ganz normal `nen Hunni. Ohne Gummi noch mal fünfzig und für „französisch“ noch mal fünfzig. Selbstverständlich ohne Küssen, damit das gleich klar ist.«
»Ja, ja, schon gut. Komm, steig ein! Wir fahren dahin, wo es etwas ruhiger ist.«
»Aber anschließend bringst du mich wieder zurück. Ich habe keine Lust, mir Plattfüße zu holen.«
»Na klar, ist doch Ehrensache.«
Janine alias Coco stieg ein und rekelte sich lasziv auf dem Beifahrersitz.
»Was dagegen, wenn ich rauche?«, fragte sie keck.
»Nö, kannst mir auch gleich eine anstecken.«
»Neulich hast du aber nicht geraucht, wenn ich mich nicht täusche. Dabei sollte man meinen, dass du wesentlich aufgeregter warst als heute.«
»Das wechselt bei mir, mal so, mal so. Bist du dir nicht zu schade für das Gewerbe? Ich könnte mir vorstellen, dass es auch sehr eklige Kerle gibt.«
»Solange der Verdienst stimmt. Außerdem nehme ich nicht jeden. Ich erlaube mir die Freiheit, auch mal welche wegzuschicken.«
»Kannst du alles für dich behalten, oder musst du das Meiste an deinen „Beschützer“ abgeben?«
»Was wird das jetzt hier? Willst du quatschen oder bumsen? Die Psychostunde kostet zweihundertfünfzig. Aber ich hatte den Eindruck …«
»Okay, okay, ich bin schon ruhig. Wir sind eh gleich da.«
Lars freute sich auf den Abend mit Anna, die er bei seinem letzten Undercovereinsatz in einem Pflegeheim kennengelernt hatte. Zwischen ihnen hatte es diverse Turbulenzen gegeben, denn Anna nahm ihm übel, dass er ihr verschwiegen hatte, in Wahrheit ein Kommissar des LKA zu sein. Er hingegen wollte nicht einsehen, wie freizügig sie mit den Patienten umging. So hatte er sie einmal dabei überrascht, wie sie sich beim Füttern von einem bettlägerigen alten Herrn an die Brust fassen ließ. Ihre Erklärung, der Kranke verwechsele sie lediglich mit seiner Mutter, hatte Lars nicht sehr überzeugt. Doch als wenig später ein Mordanschlag auf Lars verübt worden war, hatten sich alle Wogen geglättet. Anna war halb verrückt vor Sorge gewesen und hatte sich letztendlich zu ihrer Liebe bekannt. Seitdem sahen sie sich so oft wie möglich.
Das Pflegeheim im Berliner Norden war Schauplatz einer Mordserie gewesen. In ihm hatte ein sogenannter Todesengel sein Unwesen getrieben, indem er alte Menschen vorzeitig zu Tode gebracht hatte. Valerie und Hinnerk konnten den Pfleger, der unter falscher Identität auftrat, schließlich überführen.
Pikanter Weise war in dem Heim auch Valeries Vater Christoph gestorben, ebenso wie Herbert Schindlers Frau. Ob beide Todesfälle auch auf das Konto des Todesengels gingen, konnte jedoch nicht geklärt werden. Eine von Valerie veranlasste Obduktion beziehungsweise Autopsie ihres Vaters war ergebnislos verlaufen, denn den deutlich erhöhten Kaliumspiegel wiesen die Mehrzahl aller Leichen auf. Bei Irene Schindler hätte sogar eine Exhumierung erfolgen müssen. Dabei hatte aber die Staatsanwaltschaft nicht mitgespielt.
Anna hatte schon den Tisch in ihrer kleinen, aber gemütlichen Dachgeschosswohnung gedeckt und empfing Lars mit einem innigen Kuss.
»Na, was machen unsere Schäfchen? Haben sie mich inzwischen vergessen?«, fragte Lars.
»Keineswegs. Es vergeht kein Tag, an dem sie nicht nach dir fragen. Du hast ordentlich Eindruck hinterlassen. Selbst die olle Semmler gibt nicht auf und will wissen, ob du nicht doch irgendwann deinen Dienst bei der Kripo quittieren willst. Kein Wunder, die neuen Pflegekräfte, die sie eingestellt hat, sind nicht gerade der Hit. Sabine schiebt eine ruhige Kugel, und Volker reißt sich auch kein Bein aus.«
»Und was macht Martha Hildebrandt? Misstraut sie immer noch allen und jedem?«
»Selbstredend, anstatt zur Ruhe zu kommen, jetzt wo der Unhold überführt ist ... Ihr Misstrauen gegenüber Ruth gibt sie trotzdem nicht auf. Nur, dass Jan Franke auch zu den Opfern gehörte, schlägt noch immer Wellen. Alle scheinen seine ekelhaften Sprüche vergessen zu haben. Wenn sich schon einer selber als Todeskuss bezeichnet … Trotzdem, so ein Ende hat er sicher nicht verdient.«
»Wer hat das schon …? Im Moment sind wir gerade an einem Fall dran … Das darf ich dir eigentlich nicht sagen …«
»Komm, jetzt hast du schon angefangen. Ich werde es bestimmt nicht in die Zeitung setzen.«
»Dann müsste ich dir auch deinen süßen Hintern versohlen. Also schön, es geht um eine junge Frau, die man in einem Park erdrosselt aufgefunden hat. Ich hoffe, du gehst nicht auch nachts in grünen Anlagen spazieren …«
»Mit Vorliebe. Ich wollte schon immer mal wissen, wie es ist, von einem Mann verfolgt und lustgekillt zu werden.«
»Das finde ich gar nicht komisch. Du siehst doch …«
Anna verschloss ihm mit einem Kuss den Mund. »Blödmann, meinst du, ich weiß nicht, wie gefährlich das ist? Und, habt ihr schon eine Spur?«
Lars schüttelte verneinend den Kopf. »Der Mann der besten Freundin des Opfers hätte gut ins Bild gepasst. Er war wohl scharf auf sie. Doch an seiner Kleidung hat es kein Genmaterial von ihr gegeben. Nicht mal etwas Erde aus dem Park haben wir an seinen Schuhen gefunden. Seiner Sekretärin hätte ich zugetraut, ihm ein falsches Alibi gegeben zu haben, doch sie schwört Stein und Bein … Müssen wir eben weitersuchen.«
»Wie sah die denn aus, seine Sekretärin? War sie hübsch?«
»Atemberaubend, einen Busen und eine Figur, sag ich dir, nicht so eine graue Maus wie eine Pflegeschwester, namens Anna.«
Anna hämmerte mit den Fäusten auf ihn ein. »Du Schuft, nimm das sofort zurück.«
»Gnade«, wimmerte Lars. Wer fragt eigentlich mich, wie es mir gefällt, dass du beinahe täglich mit diesem Volker zusammenkommst? Der sieht doch blendend aus. Ich könnte mir vorstellen, dass die Weiber nach dem verrückt sind.«
»Ich sage doch, er ist eine taube Nuss. Stinkend faul und eingebildet. Da nützt sein Aussehen auch nichts. Mit einem gewissen Kommissar kann er es jedenfalls nicht aufnehmen.«
»Da bin ich aber beruhigt. Sag mal, was riecht denn hier so seltsam?«
»Um Gottes willen, mein Braten …« Anna rannte in die Küche, um anschließend ein Wutgeheul auszustoßen. »Entweder wir essen Kartoffeln mit Gemüse oder ich brate schnell noch Fischstäbchen«, sagte sie, als sie sich etwas beruhigt hatte.
»Ist denn da gar nichts mehr zu machen?«, fragte Lars. »Ich mag es etwas schärfer angebraten …«
»Ich auch, aber das ist nur noch Presskohle.«
Als Lars am nächsten Tag ins Präsidium kam, war nur Marlies Schmidt anwesend, die fleißige Kriminalassistentin mit den krausen Naturlocken, die alle Aufgaben einer Sekretärin bestens verrichtete und von Hinnerk Lieschen genannt wurde, was nicht abwertend gemeint war. Valerie nannte sie liebevoll Schmidtchen. Aber alle waren sich einig, dass sie die gute Seele der Abteilung war.
»Wo ist denn unser Traumpaar?«, fragte Lars.
»Unterwegs, es gibt einen neuen Mordfall, wieder eine junge Frau.«
»Na bravo, und mir sagt wieder keiner was.«
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