when I find myself in times of trouble mother Mary comes to me whisper words of wisdom let it be and in my hour of darkness she is standing right in front of me speaking words of wisdom let it be
let it be, let it be…there will be an answer, let it be -PAUL MC CARTNEY 1969-
Peter musste es akzeptieren so wie es war. Es gab nicht den geringsten Anhaltspunkt, wo und wie er diese Suche weiterverfolgen könnte. Das was er hatte war wie eine Schatzkarte auf der das obligatorische Kreuz fehlte, das die entscheidende Stelle markierte. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, sich das alles aus dem Kopf zu schlagen und wieder zum gewohnten Tagesablauf zurück zu finden. Um sicher zu gehen, dass das funktionierte, hatte er das Buch in die hinterste Ecke in einem seiner Bücherregale verfrachtet nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn.Auch um das Cafe machte er die nächste Zeit einen Bogen, damit er nicht Gefahr lief, am Fundort wieder als Detektiv Hoffnungslos rückfällig zu werden. Stattdessen verlegte er seine Ausgangszeiten wieder in die Nächte und das Ziel wieder in seine Stammkneipe. Dass dazu mal ein kleinerer und auch mal ein größerer Kater gehörte, war nicht seine eigene Schuld, sondern die seiner Kumpels, die er zwangsläufig traf und mit denen er ebenso zwangsläufig einen trinken musste.
Auch Rudi war an einem dieser feuchtfröhlichen Stammkneipen-Abende wieder in der Kneipe und erzählte von seinem letzten Auftritt für einsame Herzen: „Mensch Peter, i sag dir, da kriagst du an richtign Vogl, wenn de Altn da anfangen zum Baggern und zum Grabschn. Wias aufbrezlt san. Eingspritzt mit 4711 , und trotzdem liegt dieser markante Duft von Mottenkugln wia de radioaktive Wolkn von Tschernobyl schwer in der Luft beim Mumienschiabn.“ Peter meinte süffisant „Na das ist doch genau des richtige für dich.“ „Weil du mir vielleicht weismacha willst, dass du auf deim Dampfer im Meer da imma für Kranknschwestern-Ausflüge oder für blonde Schönheitsköniginnen aus Schwedn gspuit hast, des glaubst doch selber net.“ So ging der Schlagabtausch zwischen den beiden weiter, bis Rudi wegen Tommi nachfragte. „Was is den eigentlich mit`m Tommi , is der no immer auf Atlantik-Tour?“ „Nicht mehr lang. Der hat mir geschrieben, dass sein Vertrag Ende Mai ausläuft.“ „Mei der Tommi, des is ein Hund, so ein Wahnsinns-Gitarrist, sag selber.“ „Ja, da hast du Recht, der hat wirklich was drauf, der Junge. Wenn du die Augen schließt und ihn auf seiner Gitarre spielen hörst, dann könntest du wirklich meinen, der Carlos Santana , der Eric Clapton oder einer der anderen Gitarrengötter stehen direkt neben dir und spielen sich die Finger wund. Der könnte noch viel mehr aus sich machen, wenn er nicht so ein gutmütiger und verträumter Kerl wäre, der sich nicht zur Wehr setzt.“ Diese Lobrede wurde natürlich ausgiebig begossen und dann war es wieder soweit, dass die musikalische Welt in Ordnung war und die legendären Gitarren-Haudegen die wahren Helden des Lebens, diversen Bierchen und einigen Cognacs sei Dank.
Dieser und die anderen Kater am Tag danach verflüchtigten sich jeweils vormittags. Peter konnte die zweite Hälfte des Tages nutzen um noch den geschäftlichen Dingen nachzugehen, die in der Woche zuvor mangels Konzentration auf andere Dinge zu kurz gekommen waren. Es schien tatsächlich zu funktionieren und das alles brachte ihn tatsächlich wieder auf andere Gedanken. Hätte es nicht diesen Carole-King -Hit gegeben, dann wäre die Sache an dieser Stelle auch over and out gewesen. Doch dieser Song verfolgte ihn wie ein Schatten und ließ ihn nicht los. Bisher hatte Peter sich dagegen gesträubt, mal in die Platte reinzuhören ohne zu wissen warum eigentlich. Sie musste noch in seiner Sammlung in dem zum Plattenzimmer umgebauten Kellerraum sein. Vermutlich bedeckt mit einer Staubschicht, aber ordentlich sortiert nach Interpret, Musikrichtung und -Epoche, so wie es sich für einen eingefleischten Sammler und seine Platten-Raritäten auch gehörte. Ein kräftiger Schluck Cognac seiner Hausmarke „ Remy Martin “ gab ihm schließlich den Anstoß sich die Platte aus dem Keller zu holen. Er konnte sich sogar daran erinnern, dass es nicht die Carole-King -Version war, sondern die Version von James Taylor , die ihm nicht nur besser gefiel, sondern auch erfolgreicher als das Original war und den Durchbruch in die Charts schaffte. Peter suchte eine Weile, er suchte nochmal und nochmal, aber er suchte vergeblich. Die einzige Rarität, die er fand, war ein Westchen, das er auf irgendeinem Flohmarkt an der mexikanischen Grenze billig erstanden hatte, weil es den bunten Hippie-Samtwestchen so ähnlich war, wie sie Jimi Hendrix häufig getragen hatte. Aber das suchte er nicht. Die Platte, die er suchte war verschwunden. Vermutlich ge-hörte sie zu der Kate-gorie: ausgeliehen und nicht zurückbekommen. Es war ihm bis jetzt nicht aufgefallen.
Freitag, 24. April 2015
An diesem herbstnebligen Freitagvormittag mitten im Frühjahr, nachdem der bisher längste Bahnstreik vorerst beendet war, befand sich Peter unterwegs zu seiner Agentur. Früher war es ein kleiner Tante-Emma-Laden, der seinen Großeltern gehört hatte und nun das Eigentum seiner Tante Johanna war. Eine Querstraße davon entfernt hatte vor einigen Wochen ein Second-hand-Plattenladen eröffnet. Es war diese Art von Läden, die aufmachen und dann nach einen halben Jahr wieder dicht machen. Auch wenn ein Second-hand-Unternehmer mit Studenten als Frequenz-bringer und Stamm-Kundschaft rechnet, sind Ebay und die anderen internet-Kollegen eine unbesiegbare Konkurrenz. Peter hatte zwar mitbekommen, dass dieser Laden eröffnet hatte, war aber bisher nicht dort gewesen. An diesem Tag war es die Neugier oder vielleicht, weil es einfach gleich um die Ecke lag. Statt lange zu suchen fragte er den Ladeninhaber, der eine gewisse Übereinstimmung mit seinem Sortiment hatte, nach der Platte. Ein etwas aus der Mode gekommener Typ mit einem ebenso aus der Mode gekommenem Outfit. Dafür total relaxed, kaugummikauend auf Kundschaft wartend und gerne zu einem ausführlichen Pläuschchen über die alten Rockbands wie Led Zeppelin , Deep Purple oder Pink Floyd bereit. Als der hörte, nach welcher Platte Peter gefragt hatte, rollte er richtiggehend die Augen „Hey Mister, nach dieser Platte hat bisher keiner gefragt, seit ich den Laden aufgemacht habe, und heute bist du schon der zweite, der danach fragt.“ Nun war es Peter, der die Augen verdrehte und unvermittelt nachfragte „Eine Sie?“ Joe , so nannte ihn Peter gedanklich, überlegte kurz: „Kann sein, hab gerade Kundschaft gehabt. Die hat in den Schachteln rumgekramt und mich zwischendrinn gefragt. Ja, doch, war so ne Frau, irgendwie mit dunklen Haaren.“ Noch bevor Peter weiterfragen konnte sagte Joe mit einem Unterton, als ob er gerade von einem Kommissar verhört wurde: „Mehr weiß ich nicht, wie gesagt, hab Kundschaft gehabt.“ Peter blickte interessiert und bohrte nach: „Kannst du mir einen Gefallen tun und ihr meine Karte geben, falls sie wieder vorbeikommt?“ „Sorry Mister, glaub nicht, dass die nochmal aufkreuzt, ist keine Stammkundschaft, und ich bin kein Heiratsvermittler. Noch was, hab ihr den Tipp gegeben, dass sie es morgen am Fritz-Flohmarkt in der Guericke Strasse versuchen soll.“ „Ok, ein guter Tipp, danke!“ antwortete Peter und verließ den Laden, ohne sich auf eine Diskussion mit Joe einzulassen. Mist! Das, was er in der letzten Woche gerade abschließen wollte, hatte ihn in diesem Moment wieder eingeholt. Let it be, let it be . Peter konnte es nicht lassen. Von einem Moment auf den anderen war wieder der Puzzle-Teil-Sucher in ihm wach geworden. Hätte er nur auf sich selbst gehört.
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