Dienstag, 2.Juni 2015
Verrücktes Wetter dieses Jahr 2015. Zuerst zu kühl, dann so heiß und gewittrig, dass sogar das „Rock-Am-Ring abgebrochen werden musste. Offensichtlich nicht weniger verrückt war es, wochenlang einem Phantom nachzujagen, und dabei jedesmal gewaltig auf die Nase zu fallen. Es sind die Schatten der Nacht, die manchmal seltsame Dinge mit dir machen. Sie spielen mit dir in deinen Träumen, flüstern dir etwas ins Ohr und am Morgen wirst du wach und du hast einen Befehl von deinem Unterbewusstsein bekommen und du weißt nicht mal warum. Peter saß an einem weißen Flügel. Seine Finger flogen wie von selbst über die glänzend polierten Tasten. Er fühlte sich in einer Art schwebendem Zustand. Es war eine sehr große Bühne. Er be-gleitete sie, als sie „the rose“ von Bette Middler sang. Dann setzte ein Applaus ein, der nicht aufhören wollte, nicht einmal als ein junger Mann, der wie Tommi aussah, mit einem silbernen Akten-Koffer voller Geldscheine auf die Bühne kam. Der Aktenkoffer-Boy sagte nur „eure Gage“ und verstreute die Geldscheine wie Konfetti. Dann flatterten plötzlich hunderte von Geldscheinen auf der Bühne herum wie Schmetterlinge. Als Peter nach einem der Scheine greifen wollte, erwachte er aus seinem Traum an diesem Dienstagmorgen. Ein Dienstag wie jeder andere. Zumindest fast wie jeder andere, und einen Tag, bevor Tommi zurückkam.
Peter war nicht mehr im Cafe gewesen, seit er sich in sein Projekt vertieft hatte und in der darauffolgenden Woche einfach seinem menschlichen Bedürfnis nachgegangen war, am Vormittag lange auszuschlafen und den Tag spontan zu gestalten. Doch dieser Dienstag war anders als sonst. Sein Platz im Cafe war besetzt. Das war ihm bisher nur ein oder zweimal passiert und nie hatte er sich die Frage gestellt, warum sein Platz immer frei gewesen war. An diesem Dienstag war es anders und es gab einen triftigen Grund dafür.
Er stand immer noch am Eingang und war unschlüssig. Sein Herz hatte wild zu pochen begonnen. Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder gefasst hatte und schließlich ging er an den Nachbartisch, der frei war. Er musste nachdenken, was er jetzt tun sollte. Eine Sie saß an seinem Platz, alleine. Lange dunkle Haare, Mitte vierzig, modisch gekleidet, ein makelloses Gesicht und soweit er das in der Sitzposition beurteilen konnte, eine schlanke Figur. Beim Vorbeigehen nahm er den dezenten Duft von Jean Paul Gaultier wahr. Eine Erscheinung, die wie das I-Tüpfelchen seinem Phantombild entsprach, das er sich von seiner imaginären „Miss Tagebuch“ gemacht hatte. Mein Gott, was jetzt? Er hatte diesen Traum, das Tagebuch-Rätsel aufzulösen, ausgeträumt, und genau dann taucht sie einfach so auf, aus dem Nichts. Sie saß nur da. Auf ihrem Tisch stand ein Latte Macchiato und ein Glas Wasser. Etwas kleines Schwarzes lag vor ihr auf dem Tisch, das einem kleinen Taschenbuch sehr ähnlich sah. Es war nicht genau zu erkennen, weil diese große Lattetasse genau davorstand. Sie wirkte sie sehr ruhig, weder das An-zeichen eines Lächelns noch das geringste Anzeichen von Anspannung waren zu erkennen. Ab und zu den Blick auf das schwarze kleine Ding vor sich gerichtet, von dem Peter nicht wusste was es war. Peter beobachtete das Szenario eine gute viertel Stunde lang und versuchte sich währenddessen eine Strategie zurecht zu legen. Dabei ging ihm zu viel durch den Kopf. Ideenlos saß er einfach da, belauerte sie und wartete ab, was als nächstes passieren würde. Aber es passierte auch die folgenden fünfzehn Minuten nichts. Erst als sie der Bedienung mit einer Handbewegung ein Zeichen gab, dass sie zahlen wollte, musste Peter ultimativ aktiv werden und aus seiner Beobachtungsstarre erwachen. In diesem für ihn entscheidendem Moment war ihm offensichtlich alles egal. Ohne Plan und ohne eingeübten Text stand er unvermittelt wie ein tolpatschiger Hinterwäldler mit hämmerndem Herzen auf und versuchte in ihren Blickwinkel zu gelangen, bevor die Bedienung ihren Tisch erreicht hatte. In diesem Moment läutete ein zu aufdringlicher Schikki-Mikki-Tussi-Klingelton genau an der Stelle, an der Peter ein Tagebuch vermutet hatte. Zum Glück hatte er ihren Tisch nicht so schnell erreichen können, wie sie das Handy an ihr Ohr gepresst hatte: „Hallo Mutti, bist du jetzt fertig?“ Und nach einer kurzen Pause „Okay, dann kann ich vorher noch schnell Andreas von der Fahrschule abholen.“ So spontan, wie Peter aufgestanden war, so abrupt versuchte er nun stehenzubleiben. Beinahe hätte er den Eindruck erweckt, wie ein Zechpreller abhauen zu wollen. Die Bedienung zumindest hatte ihm einen eigenartigen Blick zugeworfen und nicht einmal jetzt registrierte er, dass Susi heute nicht arbeitete. Peter konnte Situation gerade noch retten, dass er seine Schrittrichtung wie ein Tänzer um neunzig Grad wendete und einen Toilettengang vortäuschte, den er allerdings auch dringend nötig hatte.
Das war er also, der nächste Irrtum. Eigentlich hätte es ihm auffallen müssen, dass ihr Make-up, ihre auffällig lackierten Fingernägel und das etwas zu schicke Täschchen nicht zu einer Frau passten, die alle möglichen anderen Sorgen hat, als sich catwalklike in der Cafe-Haus-Szene zu präsentieren. Einmal mehr hatte sich Peter zum Narren gemacht. Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer als vorher. Egal wie du es drehst und wendest, Versuch und Irrtum gehören im Leben zusammen wie Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, auch an diesem schwülwarmen Dienstag im Juni.
Let it be. Let it be let it be, let it be whisper words of wisdom, let it be
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