18. Dez.
wieder schlecht geträumt: Sitze mit meinen Eltern in einem eigenartigen Zug, Mam sagt „spring“ zu mir. Ich habe einen Fallschirm und springe. Ich erreiche den Boden nicht. Dann ist es kalt, ich friere. Bin in einer großen Halle und warte auf meine Eltern, aber sie kommen nicht....
17. Dez.
Hab nur meine Platten gehört, nichts gegessen nichts getrunken, fühle keinen Hunger keinen Durst . Fühle gar nichts. Ein Universum voller Leere
Wie alt wird sie wohl sein? Die Songs der Textzeilen haben wohl schon dreißig und mehr Jahre auf dem Buckel, und bei ihren Platten wird es nicht anders sein. Aber auch das hatte nichts zu sagen, auch Peter hatte ein Faible für Songs, die man eigentlich Oldies nennt. Und da war er nicht der einzige Musikbegeisterte, der nicht mit diesen Musiktiteln aufgewachsen ist und trotzdem die alten Platten hörte. Für Peter selbst war die Musik sowieso zeitlos und die Musikepoche der Siebziger und Achtziger eine absolute Kultangelegenheit. Vielleicht war auch das einer der Gründe, warum Peter sich so seelenverwandt angezogen fühlte.
13. Dez.
Wenn Hass stark macht, dann will ich ihn abgründig tief hassen.
11. Dez.
Ich hasse dich, wie man einen Menschen nur hassen kann. Mache nicht den Fehler, mir eines Tages über den Weg zu laufen. Ich kann für nichts garantieren. Ich habe schon meine Tante gehasst, weil sie mir meine Jugend zerstört hat, dich hasse ich noch tausendmal mehr, du hast meine Lebens-Existenz und noch viel mehr zerstört
Wie kann man nur so hassen? Das einzige was Peter hasste, war ein Spießerleben zu führen mit einer Vielzahl von Regeln und einem schnöden Langeweile-Eintagstrott. Per-sönlich kam er mit den meisten Mensch klar. Und er hatte viele Menschen getroffen. Sicher musst du manchmal hart sein und hart bleiben, wenn es um geschäftliche Dinge geht. Aber es gibt immer diesen Punkt, wo du wissen solltest wann und wo die Grenze ist. Als Lebens-Lektion hatte Peter gelernt, Menschen zu akzeptieren wie sie sind. Du kannst Menschen nicht ändern, aber du kannst einen Bogen um sie machen. Mit dieser Devise, hatte Peter es sich im Leben relativ einfach gemacht, Menschen die ihn negativ beeinflussten aus dem Weg zu gehen. Auch das war die Freiheit seines Lebens, dass er sich sein Umfeld aussuchen konnte.
10. Dez.
Ich war einfach scheißblöd. Wie konnte ich ihm nur so vertrauen so ohne wenn und aber, so verdammt gutgläubig sein? In mir ist purer Hass, nichts als Hass. Was wäre aus mir geworden...
8. Dez.
Bin eine Kämpferin. Hab mich schon als Kind nicht unterkriegen lassen, nicht von diesem Eisblock in Person, die mir alles verboten hat was ich gerne gemacht habe und nicht von den Lehrern, den Therapeuten und all den anderen, die es angeblich immer nur gut mit mir gemeint haben...
-when people can be so cold -they`ll hurt you and desert you -and take your soul if you let them -oh, but dont you let them-
Auch Peter hatte gekämpft, allerdings nicht gegen unbesiegbare Feinde. Er hat gekämpft um seine eigenständige Existenz, gekämpft um oder gegen die Vorurteile seiner besorgten Eltern, gekämpft, um seine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Und letztendlich hatte sich sein Kampf, so wie es jetzt gerade aussah, endlich gelohnt. Der Auftrag, auf den er jahrelang gewartet hatte, eine Produktion zu fertigen, eine Titelmelodie und den dazugehörigen Soundtrack für eine Fernsehserie, war so gut wie fix. Die Vorschusslorbeeren der Produktions-leitung waren viel-versprechend. Eine Co-Produktion des BR mit 3Sat. Endlich wegkommen von seinem No-name-Werbesong-Image oder der Vielzahl von Vertonungen für Reportagen, wo der Ton-Produzent nichtssagend im Hintergrund verschwindet. Vielleicht stand er jetzt kurz vor seinem Durchbruch, für den er so lange gekämpft hatte.
19. Nov.
Bin auf standby, kann nicht nachdenken, keine Kraft, nur diese lähmende Leere in mir, die alles auffrisst, was nach Gefühl schmeckt
16. Nov.
Einfach unbegreiflich. Scheiße und nochmal Scheiße. Wie soll ich das alles durchstehen? Nur der Teufel persönlich kann so ein mieses Schwein sein. Mam kannst du mich hören? Manchmal rede ich mit dir, warum höre ich dich nicht? Sag mir wie mein Leben weitergehen soll. Ich weiß es nicht, ich weiß gar nichts mehr.
5. Nov.
-when you`re down in troubles -and you need some love and care -and nothing, nothings goin right
Möchte singen, so wie früher. Kann nicht. Meine Stimme ist gebrochen wie alles in mir.
Es gibt diese Momente im Leben, wo man an einer Wand steht, die unüberwindlich ist. Und doch, diese Momente gehen vorüber. Peters Antwort darauf war: Musik. Mit Musik die Menschen einen Song lang die Welt um sich herum vergessen lassen, war seine musikalische Philosophie. Aus einzelnen Tönen eine Melodie zu machen die im Ohr bleibt, ein Traum, und einen einzigen Hit zu schreiben, der einmal die Woche im Radio zu hören ist ein Wunder. Musik ist der Ausdruck von Emotionen für den, der sie entstehen lässt und eine wohltuende Medizin für den, der sie in sich eindringen lassen kann.
3. Nov.
Es ist ein Versuch. Hab niemand zum Reden. Vielleicht ist es gut, meine Gedanken aufzuschreiben so wie damals. Dieser ganze scheiß Wahnsinn. Alles wegen diesem gottverdammten Arschloch. Wann geht dieser Albtraum endlich zu Ende?
Hier hatte sie also begonnen, im November letztes Jahr, ihre Gedanken in das Logbuch ihrer Seele, wie sie es als Überschrift bezeichnete, aufzuschreiben. Was war vorher passiert? Manchmal sind unsere Gedanken eingesperrt wie in einem Gefängnis. Und nur, wenn man den richtigen Schlüssel findet, werden die Gedanken endlich frei. Was war ihr Gefängnis gewesen, was und wo war ihr Schlüssel zur Freiheit? Jede Nacht hat ein Geheimnis. Dieses Tagebuch hatte nur Nächte.
Es war spät geworden, als er das Tagebuch zu Ende gelesen hatte. Peter war benommen von diesem Cocktail aus Zweifel und Hoffnungslosigkeit und dem geträumten Wahnsinn von Angst, Schmerz, Einsamkeit und Hass, die wie Szenen aus einem Horrorstreifen wirkten. Aber eine Antwort auf seine Fragen gab es auch jetzt nicht.
Seine musikalische Philosophie und die vielen Stellen mit diesen Parallelen waren der wahre Grund gewesen, warum er sich auf dieses rätselhafte Tagebuch eingelassen hatte. Zu gut konnte sich Peter an gewissen Stellen des Tagebuches in sie hineinversetzten, was in ihr vorgehen musste und nur zu gerne hätte er die Botschaft dieser Textzeilen verstanden, falls das der Schlüssel gewesen ist.
Seine Gedanken formulierten folgenden Steckbrief :
Name: unbekannt
Alter: entweder oder...
Haarfarbe, Augenfarbe, Größe und Gewicht: unbekannt
Hobby: singen
Kontaktdaten: unbekannt
Beruf: unbekannt
Sternzeichen: unbekannt
besondere Kennzeichen: gebrochenes Herz, zerbrochenes Vertrauen
Was waren nun seine Anhaltspunkte nach den letzten Zeilen? Es gab keine. Das einzig Reelle, was wirklich existierte waren nur diese Textzeilen von Carole King, Bonnie Tylor , und Melanie. Der Rest waren Vermutungen, vielleicht Visionen, vielleicht auch alles Hirngespinste einer Verrückten oder ein Drehbuch für einen Steven-King -Film. Doch genauso gut konnte es auch ein Hilferuf sein. Alles war möglich und doch hatte er nichts in der Hand, so sehr er es wollte, und so sehr er versucht hatte irgendeinen Hinweis zu finden. Da war nicht der Hauch einer Spur, nicht ein mikroskopisch kleiner Strohhalm, an den er sich klammern konnte. War er bereits am Ende der Suche, oder war es erst der Anfang? Kein anderer als Bob Dylon war es, der ihm die Antwort auf seine Frage gab: „ The answer my friend is blowin in the wind“ klang aus dem Radio seines Lieblingssenders Bayern 1 im Hintergrund, als Peter die letzte Tagebuchseite gelesen hatte.
Читать дальше