››Besonders in der Körpermitte kannst du mich gerne mal studieren.‹‹ Und schon hatte der Zwerg wieder ein schmutziges Grinsen im Gesicht.
››Fang nicht schon wieder an.‹‹
Damnir winkte ab. ››Wohin schickt er dich?‹‹, nahm er den Faden wieder auf.
››Drei Ruinen im Süden. Ich frage mich, was das für Ruinen sind. Unsere Ältesten müssten das wissen.‹‹
››Wir sind früher nie so weit in den Westen gekommen. Erst als die Ristai hier angelandet sind haben wir den Handel mit ihnen gesucht.‹‹
Der Zwerg ist gar nicht so einfältig , dachte Li'eyla. Zumindest kennt er die Geschichte seines Volkes.
Nach einem Augenblick fügte Damnir hinzu: ››Ich gehe nach Norden. Über den Blauquell. Leider gibt es keine Brücke. Wird höchste Zeit, dass der Graf eine bauen lässt. Ich hasse Boote. Oder Gondeln.‹‹ Und genau das drückte sein Gesicht aus. Abscheu.
››Wird schon schief gehen‹‹, meinte Li'eyla und wunderte sich erneut, dass ihre Zunge sich heute dauernd verselbständigte. Jetzt redete sie schon dem Kurzen gut zu. Belohnt wurde sie ganz unerwartet mit einem ehrlichen Lächeln.
››Ein Schmetterschild hat schon Schlimmeres durchgestanden. Bin mal gespannt, was sich für Abenteuer auftun. Vielleicht gibt es ein paar Ungeheuerköpfe von Hälsen zu trennen. Ruhm und Ehre für den Clan!‹‹
Und wie er das so sagte und sein ehrliches Lächeln sich in ein furchterregendes wandelte, war Li'eyla ganz froh, nicht die Konfrontation gesucht zu haben. Sie verabschiedeten sich höflich und irgendwie ausgesöhnt und Li'eyla setzte ihren Weg fort. Zu ihrer Truhe, wo ihre Elfenkleider auf sie warteten, die sie für die Reise durch die Wildnis anlegen würde. Ganz unvermittelt spürte sie Freude in sich aufsteigen. So viel lieber waren ihr die wilden Tiere der Natur als die der Stadt. Erstere wollten dir zwar ans Leder, das war sicher. Aber auch berechenbar. Was Letztere wollten, wusstest du nie.
Blutiger Dämonenarsch!‹‹ Aldred fluchte laut. Die soeben gewürfelte Vier hatte ihm einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Jeder Magus Quaerendus hatte von der Akademie vor Abreise ein paar Münzen bekommen. Die Suche konnte Monate dauern und er schlief gern in einem warmen Bett. Und spülte lieber Fleischpasteten in Blätterteig mit dunklem Bier herunter als mühevoll gesammelte Beeren mit klarem Quellwasser. Das er zuerst würde finden müssen. Mit genügend Geld könnte er sich sogar ein Maultier fürs Gepäck leisten.
Da war ihm die glorreiche Idee gekommen, die Barschaft in der nächsten Taverne zu vervielfachen. Aldred hatte eine Schwäche für das Würfelspiel, obwohl er selten gute Erfahrungen machte. Bei jedem gewonnen Spiel war er sich sicher, dass nun seine Glückssträhne begänne. Das hatte sie aber erst ein einziges Mal getan, doch von diesem Erfolg zehrte er noch heute und erzählte noch viel lieber davon. Leider war es so gut wie unmöglich, mit Hilfe von Magie verlässlich zu betrügen. Dazu müsste er die Würfel während des gesamten Wurfes magisch kontrollieren und das war zu auffällig. Die meisten Tavernen in Samarant – insbesondere die, in denen dem Glücksspiel gefrönt wurde – beschäftigten ehemalige Akademiemitglieder, die an der ein oder anderen Prüfung gescheitert waren, und nun ihre geringen Fähigkeiten dazu nutzten, Betrug mittels Magie zu entlarven. Schon ein kleiner Schubs mit Luftmagie bei auf der Kante stehenden Würfeln war riskant. Um es kurz zu machen: Weg war das Reisegeld. Einen lausigen Kreuzer hatte er von den ursprünglichen drei Mark als eiserne Reserve übrig. Und es juckte ihn in den Fingern, diesen Kreuzer zu setzen.
Eine halbe Minute später ließ er genau diesen einen Kreuzer tief in seinem Beutel verschwinden und setzte den Fuß auf die Straße. Ich bin ja nicht total verblödet , dachte Aldred und zeigte sich selbst einen Vogel. Ein mickriger Sieg.
››Frechheit!‹‹, rief ihm die Dame zu, an der er gerade mit langen Schritten vorbeieilte. Zum Glück hatte er ein Gasthaus im Stadtzentrum von Samarant gewählt. Im Hafenviertel hätte ihn diese unbedachte Geste glatt den Finger kosten können. Na gut, nur bei Dunkelheit. Und derzeit stand die Sonne hoch am Himmel. Hier im Süden brachte sie schon beachtliche Temperaturen mit sich, welche die Einwohner von Samarant nach dem frischen Frühling sichtlich genossen. Die Röcke vieler junger Mädchen und Frauen endeten über dem Knie und selbst die Männer trugen mitunter kurze Hosen. Aldreds Heimat war der Norden, das kleine Dorf Dael, das zur Grafschaft Trutzlande gehörte und der Stadt Traeburg die Treue schuldete. Er war gewöhnt an schlichte, praktische Kleidung in den Farben der Natur. Im Herzogtum Südstrom und insbesondere dessen Hauptstadt Samarant galt eine gänzlich andere Kleiderordnung, über die Aldred noch heute staunen konnte. Farbenprächtig und aufwendig. Gepuffte Ärmel, Pluderhosen bis zum Knöchel, aber auch halblang bis zum Knie, Seidenmäntel und kurze Umhänge, silberne Stirnbänder, abstruse Hüte, die niemals so aufrecht stehen dürften, wie sie es taten. Es gab Elfen aus dem Gezeitenwald geschmückt mit verschlungenen Kronen, aus feinsten Korallenholzzweigen geflochtenen Arm- und Beinschienen, mit immergrünen Blättern im Haar und feinsten Langbögen auf dem Rücken. Die edlen Elfen aus dem Silberwald waren größtenteils in Wildleder gekleidet, verziert jedoch mit Silbereiche, die hart wie Stahl war. Edelsteine in allen Regenbogenfarben blitzten auf, wenn das Sonnenlicht sie traf.
Zwerge trieben Handel und wanderten durch die Straßen. Selbst einige Zwergenschmiede, die sich vor Aufträgen kaum retten konnten, gab es in der Stadt. An ihnen glänzte Zwergenstahl und Mondstein, goldene Spangen hielten ihre Umhänge und in ihren Bärten fanden sich Kupferplättchen und bronzenes Zierwerk.
Das kleine Händlervolk der Gonden war auf dem Markt im Überfluss vertreten. Sie reisten in kompletten Familien von einem Ort zum nächsten, handelten mit allem und waren stets freundlich. Sie liebten funkelndes, glitzerndes Geschmeide, trugen am liebsten Samt und Seide und stets eine Zipfelmütze auf dem Kopf. Ohne Rechenschieber waren sie kaum anzutreffen, jederzeit bereit, einen Handel zu tätigen. Und wurde man von einem Gonden übers Ohr gehauen, so konnte man ihm einfach nicht böse sein. Die meisten fielen sogleich verbal auf die Knie und waren dabei so putzig anzuschauen, dass man ihnen verzeihen musste. An seinem ersten Tag in Samarant hatte Aldred für eine Wegstunde glatte vier gebraucht, war an jeder Ecke stehen geblieben, um die Eindrücke in sich aufzunehmen und hatte vor Staunen den Mund nicht zu bekommen. Sicher war das nun sieben Jahre her, doch immer noch gab es Neues zu entdecken.
Besagtes Hafenviertel, das man bei Dunkelheit besser mied, steuerte Aldred jetzt an. Er hatte sich bei Aleena entschuldigt und sie hatten beschlossen, gemeinsam eine Schiffspassage nach Sturzwasser zu nehmen. Aldred würde von dort nach Süden aufbrechen, um einen neuen Scolaren für die Akademie zu finden, Aleena würde ihren Vater aufsuchen und sich dann nach Norden begeben. Es gehörte zur Suche dazu, diese allein zu bewältigen. Aldred hatte ebenfalls überlegt, seine Familie zu besuchen, die in Dael lebte, doch war der Weg dorthin lang und beschwerlich. Das Reisen durch die Sphäre hatte er gelernt, allein es fehlten ihm die nötigen Runensteine, die man sich nur für viel Geld kaufen konnte. Danach galt es an den Zielort zu reisen und diese Runensteine an den jeweiligen Ort zu binden. Erst dann taugten sie für die schnelle Reise durch die Sphäre. Jeder Magier stellte über Jahre hinweg eine eigene Sammlung an Runensteinen zusammen. Aldreds bestand derzeit aus keinem einzigen.
Sturzwasser war sicher nicht das nächstliegende Ziel, aber er wollte etwas von der Welt sehen. Zudem würde er, indem er südlich von Sturzwasser auf die Suche ging, noch ein paar Tage mit Aleena verbringen können. Sie hatten sich kurz vor ihrer Aufnahme an der Akademie auf abenteuerliche Weise kennen gelernt. Seit dieser gemeinsamen Erfahrung teilten die beiden eine tiefe Verbundenheit, die mit der Zeit zu wahrer Freundschaft gewachsen war. Aleena war über die Jahre nicht nur zu einer Frau und einer Maga, sondern auch zu einer Schönheit gereift, was Aldred manchmal darüber nachsinnen ließ, wie es wohl wäre, ihren Atem auf seiner Haut zu spüren und ihre Lippen auf den seinen zu schmecken. Es irritierte ihn ungemein, derartige Gedanken zu haben, dauerte ihre Freundschaft doch schon viele Jahre. Sie darauf anzusprechen, traute er sich nicht, zudem hätte es wohl keinen Sinn gemacht. Er wusste ja selbst nicht, ob er sie küssen wollte oder nicht.
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